Immer wenn ich irgendein Werkzeug in die Hand nehme, um etwas zu reparieren, klammern sich meine Kinder ängstlich an ihre Mutter und fangen an zu weinen. Die Allerliebste legt dann die Stirn in Falten und zieht mit unseren Kindern für ein paar Tage zu einer Freundin.
Ich finde das ziemlich unverschämt! Wenn der Herr des Hauses seine schöpferische Kraft in die Verschönerung des Heims investiert, sollte man doch etwas Dankbarkeit erwarten können.
„Denke nur daran, als du unser Bett reparieren wolltest, da mussten wir zwei Wochen lang auf dem Fußboden schlafen!“, erinnert mich meine Frau an einen der seltenen Unglücksfälle.
„Papa fällt sowieso wieder von der Leiter!“ behauptet das Wechselbalg das bisher mein Sohn war und die kleine Rotzgöre an der Seite meiner Frau tönt: „Ich finde das lustig, wenn der Notarzt wieder mit Blaulicht kommt!“
Unverschämtes, undankbares Pack!
Erst neulich habe ich unsere Küchenschränke nach einem völlig neuen System aufgehängt. Die Inspiration dazu kam mir mitten in der Nacht und schon am frühen Morgen stand ich auf der Leiter.
Ich gebe ja zu, dass ich nicht berücksichtigt habe, dass meine Frau –obwohl groß gewachsen- bedeutend kleiner ist als ich. Sie kann seitdem nicht mehr an die Hängeschränke reichen. Was soll’s? Jetzt stehe ich eben häufiger in der Küche.
Niemand weiß zu schätzen, wie sehr ich mich einsetze. Extra für unsere Kinder habe ich die Beine der Stühle am Esszimmertisch gekürzt. Was kann ich dafür, dass der Tisch hoch bleibt und die Kinder inzwischen gewachsen sind? Der Allerliebsten fällt nichts anderes ein, als mir die Schuld daran zu geben.
Es ist unverkennbar, dass meine Familie kein Vertrauen in meine handwerklichen Fähigkeiten hat. So sehr ich mich auch bemühe, und hunderte gelungener Reparaturen künden davon, es gelingt mit nicht, in den Ruf eines guten Heimwerkers zu kommen.
Umso mehr wundert es mich, dass die Allerliebste zu mir sagt: „Du könntest eigentlich mal einen neuen Teppichboden im Wohnzimmer verlegen.“
Endlich finden meine handwerklichen Fähigkeiten die Anerkennung, die sie verdienen. Anke und die Kinder helfen mir beim Ausräumen des Zimmers und setzen sich dann zu Ankes Freundin ab. „Damit wir dir nicht im Weg sind.“ begründet die Allerliebste diesen Schritt. Sie hat im Baumarkt schon das Passende ausgesucht und ich muss es nur noch abholen.
Kalle, der Schrauber, hilft mir die lange Teppichbodenrolle ins Wohnzimmer zu wuchten. Da Kalle immer ölverschmiert ist, lehne ich sein Angebot ab, mir beim Verlegen des hellen Teppichs zu helfen. Das kann ich besser alleine und dann redet mir auch niemand rein.
Es ist nicht so schwer, den Teppichboden abzurollen und richtig ins Zimmer zu legen. Natürlich passt er noch nicht richtig. Auf der einen Seite ist er viel zu lang und auf der anderen viel zu kurz. Man könnte ihn ringsherum abschneiden, überlege ich, komme dann aber zu dem Entschluss, dass man ihn auch an den Kanten hochschlagen könnte. Wenn man ihn dann an der Wand annagelt, sieht das bestimmt hübsch aus. Es stehen ja später sowieso die Möbel davon und man sieht es nicht. Woher soll ich auch genau wissen, wie man das macht. Schließlich habe ich noch nie einen Teppichboden verlegt. Wer aber, wie ich, die Grundlagen des Heimwerkens beherrscht, der kann jede Arbeit machen.
Das Umklappen an der Wand sieht doch doof aus. Ich bekomme die Rundung unten an der Fußleiste nicht weg. Also muss ich doch abschneiden. Dann kann ich das was in der Länge übrig ist, an der Breitseite anlegen.
Glücklicherweise habe ich ein Teppichbodenmesser. Das habe ich bisher immer zum Aufschneiden von Paketen genommen. Siehe da! Man kann sogar wirklich Teppichboden damit schneiden. Der Boden lässt sich richtig gut schneiden und die Schnitte werden sogar gerade. An einer Wand liegt er schon!
Na ja, an der gegenüberliegenden Wand ist er etwas zu kurz geraten, aber das bekomme ich hin, wenn ich ganz am Schluss alle Falten rausziehe.
Überhaupt finde ich den Boden ziemlich faltig. Ich finde, wenn die in der Fabrik schon solche Böden herstellen, dann sollten sie auch darauf achten, dass die Auslegeware keine Falten hat!
Ich ziehe mit aller Kraft und einige der großen Falten gehen weg. Eine besonders große Beule in der Mitte bleibt. Ich versuche sie niederzutreten und stoße auf Widerstand. Wo ist eigentlich mein Werkzeugkasten? Und hatten wir nicht auch einen Hund?
Das Tier hat großen Durst und freut sich über die wieder gewonnene Freiheit. Mein Werkzeugkasten bleibt verschwunden. Ich bin aber froh, dass ich den Kasten nicht zuerst gefunden habe, denn ursprünglich wollte ich die große Beule mit einigen gezielten Hammerschlägen beseitigen. Das hätte dem Hund bestimmt nicht gut getan. Es ist aber ein genügsames und sehr schmerzunempfindliches Tier. Na ja, es ihm ja nichts passiert.
Beim Überlegen trete ich einige Schritte zurück und stolpere rückwärts über den Werkzeugkasten. Wie der da hingekommen ist, kann ich mir nicht erklären und habe kurzfristig sogar den Hund in Verdacht.
Jetzt da die große Beule beseitigt ist, versuche ich nochmals den Teppich glatt zu ziehen. Aber er reicht immer noch nicht ganz bis an die Wand. Ich ziehe stärker, was zur Folge hat, dass die Falten jetzt längs statt quer verlaufen. Aber immerhin passt es jetzt mit der Wand! Natürlich fehlt es jetzt auf der anderen Seite, aber da wird später die Couch stehen. Ich kenne mich schließlich mit handwerklichen Sachen aus.
Warum gehen die Falten nicht raus? Als der Hund noch unter dem Teppich saß, waren es weitaus weniger Falten. Ob der Hund nochmals freiwillig unter den Teppich geht? Mir fällt ein, dass ich einige Rollen doppelseitiges Klebeband habe. Vielleicht könnte ich das Tier damit fixieren! So sehr ich aber auch rufe und pfeife, der Hund bleibt in der Küche unter der Eckbank und kommt nicht hervor. Auch als ich eine Spur aus Hundefutter bis ins Wohnzimmer lege, rührt er sich nicht. Warte, du hast auch noch Mal Hunger, denke ich.
Vielleicht kann ich den Falten aber auch anders zu Leibe rücken. Läuft der Boden eventuell ein und wird glatt, wenn ich kochendes Wasser über die Wellen gieße? Aber vielleicht wird er dann auf der einen Seite noch kürzer, da fehlt sowieso ein halber Meter. Ist das nicht blöd? Man müsste die Firma verklagen. Die sollten doch schließlich wissen, dass die meisten Räume eher rechteckig, als quadratisch sind. Die haben den Boden so gefertigt, dass er auf der langen Seite des Raumes viel zu kurz ist und dafür an der schmalen Seite viel zu lang. Unverschämtheit!
Eigentlich ist das Teppichbodenmesser ja ziemlich scharf. Mein Hund folgt der Futterspur und kommt ins Wohnzimmer. Als er mich mit dem Messer in der Hand sieht, zieht er den Schwanz ein und tritt rückwärts den Rückzug an. Als ob ich dem armen Tier etwas antun könnte! Obwohl, wenn ich so recht überlege….
Dann kommt mir eine andere Idee. Wenn ich den Boden an den Falten einfach sauber aufschneide, das überschüssige Material entferne und die Schnitte dann mit dem Klebeband fixiere, müsste es gehen.
Vielleicht wird man später in der Mitte einen Läufer hinlegen müssen, denn das mit den Schnitten sieht bestimmt ziemlich bescheuert aus.
Ich setze das Messer an und will gerade die Falten raus schneiden, da klingelt Kalle, der Schrauber. Er bringt mir ein paar Bier rüber und will mal nur so gucken. Immerhin hat er geduscht.
„Um Himmels Willen, was machst du denn da?“, fragt der Kretin. Man merkt sofort, dass er keine Ahnung hat!
„Ich verlege unseren neuen Boden.“ kläre ich ihn auf.
„Ja klar, aber was sind das für Falten und was willst du mit dem Messer?“
„Ich schneide jetzt die ganzen Falten raus und die raus geschnittenen Stücke setze ich drüben links an der Wand ein, wo was fehlt.“
Kalle drückt mir ein Bier in die Hand und schiebt mich in den Flur. Mit wenigen Griffen hat er den ganzen Boden um 90 Grad gedreht, zupft hier und zieht da und schon passt der Boden. Kein Wunder, bei meiner Vorarbeit!
Als die Allerliebste mit meinen lieben Kindern zurückkommt, ist die Arbeit erledigt. Der Boden ist verlegt und die Möbel stehen an Ort und Stelle. Anke staunt und findet es wunderschön. Alle sind zufrieden, nur der Hund versteckt sich neuerdings hinter meiner Frau, wenn er mich sieht.
Ich bin stolz auf mich und beschließe, das nächste Mal meinen Sohn Rouven mithelfen zu lassen. Schließlich kann er von mir was lernen.
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