Spitze Feder

Hermann ist hinüber

Tanz Ums Goldene Kalb

1979 veröffentlichte die wunderbar durchgeknallte Rockröhre Nina Hagen ihr zweites und gleichzeitig letztes Album „Unbehagen“ mit ihrer „Nina Hagen Band“, aus deren Lineup danach die grandiose Combo „Spliff“ hervorging.

Deren unfassbar geiler Sound klingt noch heute, als wären die Jungs gerade erst im Studio gewesen.

Auf der B-Seite dieses Albums findet man den Song „Herrmann hieß er“, an dessen Ende, Nina mit unvergleichlich rollendem „R“ singt: „Hermann ist hinüber“. Ob sie zu dieser Zeit tatsächlich eine Art visionäre Gabe hatte, oder ob es sich lediglich um eine Koinzidenz mit dem Zeitgeist anno 2024, im morbidesten Deutschland aller Zeiten handelt, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt.

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Warnhinweis:

Der nachfolgende Text enthält zum Teil drastische Unhöflichkeiten. Zu Risiken und Nebenwirkungen informieren Sie sich bitte bei den Gesinnungsgouvernaten unserer wertebasierten Hausordnung, oder an Richard David Precht. Im Übrigen gilt das Wort von Kurt Tucholsky, wie bei sämtlichen meiner Beiträge: „Satire darf alles“.

Just am 23. Mai, also am 75. Geburtstag des Grundgesetzes und der Bundesrepublik Deutschland, meinte nämlich Joachim Herrmann, der Bayerische Staatsminister des Innern und lupenreiner Weißbier-Chauvinist, Artikel 1 des Grundgesetzes mit einem Streich seines versifften Schmalzler-Rotztuches mal eben zur Disposition stellen zu müssen. OK, das mag für Joachim Herrmann jetzt nichts wirklich Neues sein.

Dass er in Sachen Flüchtlinge, Niedertracht und obsessive Herrenmenschen-Attitüde seit je her als sein persönliches Statement zu Markte trägt, ist sattsam bekannt. Damit versuchte er schon der AfD die Butter vom Brot zu holen, noch bevor jemand diese Salonfaschisten überhaupt auf dem Schirm hatte. Nach dem Motto des bayrischen Übervaters, Franz-Josef Strauß: „Rechts von der CSU darf es keine legitimierte Partei geben“. Insofern könnte man zu Joachim Herrmanns verbalem Sputum einfach sagen: Knicken, Lochen, Abheften. Allerdings erreicht die Perfidität seiner neusten Logorrhoe eine besonders ekelerregende Qualität:

Rund 250.000 ukrainische Männer im „wehrfähigen“ Alter, zwischen 18 und 60 Jahren, sind vor dem Krieg in ihrer Heimat, vor den Bomben, der Verwüstung und dem Grauen in die Bundesrepublik geflohen. Wer das nicht nachvollziehen kann und eine derart primitive, geistige Diarrhö wie Joachim Herrmann absondert, dem sei an dieser Stelle empfohlen, sich das Bonmot eines unbekannten Aphoristikers durch den Kopf gehen zu lassen. Sofern er, wie bei Joachim Herrmann, nicht lediglich zum Haareschneiden dienen sollte, oder zum zackigen Tragen eines Stahlhelms:

„Patriotismus ist die Religion der zu-kurz-gekommenen.“

Herrmann nennt die ukrainischen Männer, die vor dem barbarischen Abschlachten bei uns Zuflucht gefunden haben, nämlich „fahnenflüchtig“ und will ihnen das Bürgergeld streichen. Nur gut, dass es nicht der Christlich-Sozialen Union, seiner unchristlich-asozialen politischen Heimat obliegt, darüber zu entscheiden, wer Anspruch auf diese Leistung hat und wer nicht.

Dem Nachrichtensender Welt TV brüllte er im harschen Kasernenhof-Delirium in die Mikrofone: „Das Mindeste ist, dass wir kein solches Bürgergeld zahlen und insbesondere nicht an Männer, die eigentlich zum Wehrdienst in ihrer ukrainischen Heimat verpflichtet sind. Diese Männer werden für die Verteidigung der Ukraine gebraucht. Wir wollen die Ukraine bestmöglich unterstützen, aber es kann nicht gleichzeitig sozusagen auch noch Prämien geben für diejenigen, die fahnenflüchtig sind“.

Ich kann ja ein Stück weit sogar verstehen, dass es in seinen sturen, niederträchtigen Dickschädel nicht reinpassen, oder, dass es im primitiven Schwarz-Weiß-Bild seiner erzkatholischen Vita, keine Analogie dazu geben mag, wie es sein muss, mit vollem Bewusstsein als Kanonenfutter an die Front zu gehen, um dort gnadenlos verheizt zu werden und seiner Frau zu Hause in der Heimat, das zweifelhafte, patriotische Attribut „Kriegswitwe“ zu hinterlassen. Vermutlich assoziiert sein chauvinistisches Hirn, sofern bei ihm überhaupt vorhanden, „willkommene“ Flüchtlinge ausschließlich mit schlanken, devoten, jungen, willigen Frauen, mit rundem Knackarsch und ordentlich Holz vor der Hütte.

Deshalb ignoriert Joachim Blockwart-Herrmann, als lächerlicher, bajuwarischer Alpen-John-Wayne, in seinem testosterongeladenen Delirium auch geflissentlich, dass die geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer, auf Basis der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie, de jure mindestens bis zum 4. März 2025 geschützt sind!

Aber was soll man sagen? Markus Söder, sein zutiefst populistischer Chef mit einem pathologischem Hang zu absolutistischem Habitus, hat mit seinem Persilschein für die Aiwanger Brüder, medienwirksam unter Beweis gestellt, wie er es mit Artikel 1 des Grundgesetzes hält und dass ihm Werte wie Respekt und Anstand, meilenweit am diätenverfetteten Arsch vorbeigehen, wenn es darum geht, seine Pfründe und seine Deutungshoheit zu verteidigen…und da darf ihm Joachim Herrmann, aus perfider Loyalität, natürlich in nichts nachstehen.

Bleibt als Fazit: Hermann ist hinüber.


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Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 26. Mai 2024

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