Vielleicht liegt meine zunehmende Enttäuschung mit der deutschen Sozialdemokratie ein Stück weit mit meinem Alter (Bj. 1959) zusammen, vielleicht hänge ich auch etwas einer überkommenen Romantik nach. Was ich als „Herzblut-Linker“ jedoch seit der denkwürdigen Kanzlerschaft Gerhard Schröders miterleben muss, ist in meinen Augen der absolute soziale Räumungsverkauf.
Ich möchte nicht langweilen:
Ich will nicht langweilen mit den zig Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich trotz Full-Time-Job am Ende des Monats dem entwürdigenden Gang zum Sozialamt zum „Aufstocken“ aussetzen müssen.
Oder den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, deren Beiträge ins Uferlose steigen, während die Leistungen, die diese Bezeichnung längst nicht mehr verdienen, zunehmend ausgedünnt und die Kosten über sogenannten „individuelle Gesundheitsleistungen“ an ihre Portemonnaies verwiesen werden, damit die Arbeitgeber aussen vor sind.
Oder den pflegebedürftigen älteren Menschen, die die Trümmerwüste des zweiten Weltkrieges aufgeräumt und das Land wieder aufgebaut haben, und die nun in jämmerlichen Endlagern namens Pflegeheimen, sediert und gequält dem Tode entgegensiechen, während die privatversicherten Bezieher hoher Einkommen jenseits der Beitragsbemessungsgrenze sich „einen schlanken Fuß“ machen.
Oder der dreisten Militarisierung der deutschen Außenpolitik, die – selbstredend alternativlos – offensichtlich erst dann ein Ende findet, wenn wir uns endlich wieder in einem „richtigen Krieg“ nach alter Clausewitz-Schule wiederfinden. Dann muss sich der Bundessicherheitsrat wenigstens nicht mehr länger in geheimen Sitzungen über Waffenexporte quälen, weil wir das ganze Equipment dann selbst benötigen, um mit gespeicherten Vorratsdaten Salafisten auch notfalls am Südpol zu bekämpfen. Dort werden bekanntlich reichliche Bodenschätze vermutet.
Aber genug der Galligkeit. Das eigentliche Anliegen dieses Artikel ist das unverschämte Taktieren des Vizekanzlers in der Diskussion um die Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa, respektive Kanada und Europa. Denn sein Plan ist es offensichtlich, sowohl CETA, als auch TTIP gegen den Parteitagsbeschluss der SPD und gegen die Interessen der Bundesrepublik zu unterzeichnen.
Ich war eigentlich der festen Überzeugung, die SPD wäre mit den „Genossen“ Gerhard Schröder und seiner Zerstörung des sozialen Friedens, Wolfgang Clement und seinem deutschen Pendant zum Thatcherismus, Thilo Sarrazin mit seiner Renaissance der Rassenhygiene und Otto Schilys krankhaftem Verhältnis zu Schlagstöcken bereits auf dem Tiefpunkt ideologischer Verelendung angekommen.
Weit gefehlt. Der Nachfolger Willy Brandts bereitet schon mal den deutschen Boden für die Creme de la Creme der rücksichtslosesten US-Konzerne von Halyburton bis Monsanto, von Pioneer bis BP, von Goldman Sachs bis Blackstone, auf dass diese die Bevölkerung und die Umwelt auch hierzulande ohne Widerstand ausbeuten und nach getaner Arbeit weiterziehen können. Denn notfalls würden ihre entgangenen Profite eben vor einem privaten Schiedsgericht durchgeboxt und abgegriffen. Wir können uns also freuen auf Fracking-Konzerne, die unsere Umwelt verpesten, auf genmanipulierte Lebensmittel, auf niedrigere Umweltstandards, auf den Verkauf unsres Trinkwassers an Nestlé & Co, kurzum: auf die vollkommene Amerikanisierung unseres Lebens, wenn es nicht gelingt, Gabriel und seine bedingungslosen Kapitulationen zu stoppen.
Die berechtigte Frage muss nun lauten: weshalb um alles in der Welt möchte er unser Dasein unbedingt dem schrankenlosen Kommerz und der völligen Streichung der deutschen Souveränität unterstellen? Winkt ihm nach dem Beenden seiner politischen Laufbahn ein lukrativer Job bei einem US-amerikanischen Konzern? Möchte er sich eintragen in die erbärmliche Liste derer wie Gerhard Schröder, Daniel Bahr, Dirk Niebel und wie sie alle heißen, die fernab jeglicher Integrität ihre Beziehungen aus der Politik schamlos ausnutzten, um „danach“ das richtig dicke Geld zu scheffeln?
Keine Frage ist allerdings der Grund für die Wut und die Verdrossenheit, die in jüngster Zeit Zehntausende auf die Straßen treibt und ausgerechnet bei solch dubiosen „Interessengruppen“ wie PEGIDA oder der AfD das Gefühl vermittelt bekommen, sich Gehör verschaffen zu können. In Deutschland schwelt es gefährlich, und es wird auf Dauer nicht gelingen, bei allen anstehenden Problemen auf Flüchtlingen und/oder Asylbewerber zu zeigen, wie es einige Granden aus der CSU und mithin einem SPD-Koalitionspartner beinahe schon als liebgewonnener Tradition praktizieren.
In der letzten Ausgabe des stern habe ich einen bitteren Bilderwitz gesehen: Ein älterer Herr und ein kleiner Junge sitzen auf einer Parkbank. Sagt der älterer Herr zu dem kleinen Jungen: „wir haben etwas gemeinsam, wir sind beide vor dem Krieg geboren. Du weißt es nur noch nicht“.
Ich hoffe, dass sich diese düstere Vision nicht bewahrheitet.
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Dem ist nichts hinzuzfügen. Bis auf die Tatsache dass ich in der Ära Kohl großgeworden bin und meine Antipathie von Haus aus eher den Schwarzen galt. Wobei die Roten da kräftig am dran Arbeiten sind.
Fazit: Ein großer Sack, alle rein…….man trifft immer den Richtigen.
Eine zutreffende und traurige Diagnose. Ich hoffe, die Prognose wird nicht ebenfalls zutreffen …
Ich hoffe natürlich auch, dass meine Prognose NICHT zutrifft. Eigentlich sind die Vermögen ja viel zu sehr gestreut für einen Krieg (in Mitteleuropa), so dass jeder Einschlag, egal wo, Kapital von jeder Seite vernichten würde. Insofern dachte ich bisher, die Gefahr sei in unseren Breiten ein für alle Mal vom Tisch. Aber ich zweifle immer mehr daran. Krieg ist nun mal wahnsinnig lukrativ. Und wenn die Dollarzeichen in den Augen stehen, schaltet sich der Verstand aus.
Hoffen wir das Beste.
Schon der 1. Absatz hat mich total überzeugt, weil ich „es“ exakt auch so empfinde. Danke für diesen tollen Beitrag. Wenn man es im geschichtlichen Kontext sieht, kann man eigentlich nur hoffen, dass es noch einen ausreichenden Rest von Vernunft in unseren Köpfen gibt, der das verhindern kann. In meinem Kopf ist die Angst vor einem Krieg fest verankert – das war sie schon immer. Hoffentlich ist das bei den jüngeren Menschen nicht so grundlegend anders.
Hallo Horst,
wenn es von den Köpfen „der jüngeren Generation“ abhängt, ob wir wieder in einen Krieg (in unseren Breiten) ziehen, fürchte ich, dass wir schon mal packen können. Ich beschäftige mich jetzt schon 40 Jahre mit Politik, aber die gefühlte oder tatsächliche Ignoranz und die Gleichgültigkeit werden irgendwie von Generation zu Generation schlimmer. Oder bilde ich mir das nur ein?
Rundum sediert, zugemüllt aus allen Ecken der Privatsender, würden ein Großteil derjenigen, die sich im „soldatischen“ Alter befinden, vermutlich ohne zu zögern zur Kanone greifen, zeigte es ihnen die Ursula-von-der-Leyen-App auf ihrem Smartphone oder ihrem Tablet an.
Aber vielleicht trägt ja gerade das Dreibeinblog und die Hoffnung erweckenden Feedbacks der Besucher dazu bei, dass sich positives Nachdenken wie ein Virus im Netz verbreiten. Wäre schön.
Gruß an alle friedliebenden Menschen da draußen
Peter
Ich weiß nicht so recht.
Ich mag nicht glauben, daß diese Handy-Jugend ohne zu zögern zur Waffe greift.
Was sollen sie denn für Werte verteidigen?
Damals mußte man den Soldaten vielleicht erklären, wo die Krim liegt, aber heute müßte man erklären, wo Karlsruhe oder Hannover liegen und das Ostsee und Nordsee nicht dasselbe sind.
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Hei Alder, isch weiß konkret, was meine Handy Wert ist. Und wenn einer was gegen meine Hady sagt, kriegt er krass auf die Fresse, weißt Du? Und mit dem scheißendreck PISSER-Studie? Isch mach die alle platt, wenn sie was gegen meine Mutter sagen. Da geh ich voll ab. Mit de Kalaschnikow, wenn sein muss auch nach…..wie heißt dem scheißendreck Hauptstadt da unten? Da, bei Afrika? Du weißt schon, Kollege.
Zur Erklärung: das war jetzt keine Persiflage auf einen Testosteron-Olum aus Oer Erkenschwik. Mittlerweile egalisieren sich ja Sprache und Intellekt zusehends. Und zur Bundeswehr meldet sich ohnehin nur noch die letzte kulturelle Bastion der Gesellschaft. Insofern können die potentiellen kuckst-Du-auf-Dein-Handy-Soldaten vermutlich gar nicht in den Krieg ziehen, weil sie zwar wissen, wo man die angesagtesten Klamotten bekommt, ab zu dumm sind, sich die Marschrichtung zu merken.
Hallo Peter, Du hast wohl recht.