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Frau Ruckdäschl und die LAN-Party

frau ruckdäschl

Gegenüber im Haus wohnt ein junger Mann. Schon allein diese Tatsache, besonders aber weil er einen „Smart“ fährt, legen die Vermutung nahe, daß er daheim einen Computer hat. Sein etwas ungepflegter Eindruck ist hingegen der Beweis dafür, daß er sogar einen Internetanschluß hat. Neulich läuft er mir über den Weg und hat eine Schachtel unter dem Arm, die größer als mein ganzer PC ist und laut Aufdruck die neueste, schnellste und beste Grafikkarte der Welt enthält.

„Computerfreak?“ frage ich ihn und weil wir beide Männer sind, bleibt die Unterhaltung auf diesem einsilbigen Niveau.

„Gamer“, antwortet er und ich nicke verstehend, setze ein interessiertes Gesicht auf, aber tief in meinem Herzen macht sich Mitleid breit.

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„Ich habe ein Weblog“, sage ich und jetzt setzt er ein freundliches Gesicht aus, aber seine Augen sagen: „Loser!“

Damit wäre unser einsilbiges Gespräch normalerweise beendet gewesen, hätte das schöne Wetter nicht Frau Ruckdäschl, bewaffnet mit einem vollen Wäschekorb hinaus zu den Wäscheleinen getrieben.

Frau Ruckdäschl, das muß ich jetzt zwischendurch einfach mal erzählen, hat sich eine uralte Tradition bewahrt, von der mir nicht bekannt ist, ob sie sich diese hier im „Ländle“ angewöhnt, oder aus ihrer ursprünglich norddeutschen Heimat mitgebracht hat. Sie hat Schauwäsch‘
Jaja, ich weiß, das kennt außerhalb der Welt unserer Frau Ruckdäschl niemand. Die Schauwäsch‘, das sind mehrere hochwertige und großformatige, blütenweiße Wäschestücke, bestehend aus Tischdecken und Bettbezügen, die beim Aufhängen der ansonsten belanglosen Allerweltswäsche, so drapiert wird, daß sie einen Persil-reinen Sichtschutz bildet. Dadurch wird Neugierigen der Blick auf die eigentliche Wäsch‘ versperrt und gleichzeitig der Wohlstand des Wäscheaufhängers zur Schau gestellt.

Ihre normale Wäsche besteht im Wesentlichen aus der Unterwäsche ihres vor Jahren verblichenen Mannes Schorsch, die sie mehr aus Langeweile, denn aus Pietät oder gar aus hygienischen Erfordernissen alle zwei Wochen „mal eben durchwäscht“.
Ich weiß nicht, ob sie darauf hofft, der längst vermoderte Schorsch komme eines Tages vielleicht doch wieder oder ein möglicher Nachfolger habe vielleicht dieselbe Wäschegröße.

Jedenfalls stellt sie jetzt ihren Wäschekorb ab und fragt den jungen Gamer ganz ungeniert: „Ei Sie, was hawwe Sie denn da?“

„Eine Grafikkarte für den Computer.“

„Ah ja“, sagt die Ruckdäschl und ich bin gespannt, wie es weitergeht, denn ich bezweifle, daß sie überhaupt einen Schimmer davon hat, was man mit einem Computer machen kann. Umso erstaunter bin ich, daß sie sagt:

„Für Internetz und so, gell?“

„Ja genau, ich bin Gamer.“

„Gamer? Wass’n des?“

„Na, ich spiele Spiele, online, wenn Sie wissen was ich meine.“

„Nee, weiß isch net, wie geht’n das?“

„“Ich sitze in meinem Zimmer und spiele über die Telefonleitung mit ganz vielen Leuten auf der ganzen Welt. Die können in Amerika sitzen, in Asien oder auch nur ein paar Straßen weiter.“

„Und dafür brauche‘ Sie des Ding da?“

„Ja, das ist meine neue Grafikkarte, damit geht dann alles schneller und besser. Die Bilder sind viel schöner. Ich will nämlich morgen zu einer LAN-Party.“

„Ach du meine Güte, so viel neumodischer Kram, was’n ä LAN-Party? Ist das mit Sex?“

Der junge Mann lacht, ich bin weiterhin gespannt und er sagt:

„Nein, da treffen sich dann Gamer von überall her, wir bringen unsere Computer mit und spielen dann in einer großen Halle über das Netzwerk gegeneinander.“

„Die selwe Leut‘ mit denne Sie sonscht üwwer das Telefon spiele?“

„Ja genau“, bestätigt der Gamer und freut sich offensichtlich, daß er in wenigen Worten der alten Frau Ruckdäschl einen komplizierten Sachverhalt klarmachen konnte.

Und erstaunlicherweise hat die Ruckdäschl offenbar wirklich verstanden, um was es geht, denn sie fragt:

„Do hockt also jeder vor seinem Computer und man kämpft donn mitänanner ohne dass man sisch anfasst?“

Der Gamer nickt heftig und dann sagt die Ruckdäschl:

„Des is ja blöd‘, des is ja so, als wenn man die ganze Woch‘ beim Telefonsex anruft und sich dann ämol mit einer vunn denne Dame trifft, und die hockt dann gegenüber auffem Sofa und stöhnt ins Telefon. Des wär‘ nix für misch!“


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 31. Mai 2007 | Revision: 26. November 2012

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