Spitze Feder

Den Zehnten

Hieroglyphen

Bereits in graumelierter Vorzeit war es Usus, den Zehnten seines Einkommens an die Obrigkeit abzudrücken, um deren segensreiches Wirken huldvoll zu unterstützen.

Dieser „Zehnte“ ist somit quasi die Urmutter dessen, was man heutzutage als Steuern, oder Abgaben bezeichnet. In der Bibel kann man bereits in Genesis 14,19–2 lesen, dass Abraham den Zehnten der Kriegsbeute an den König und den Hohepriester ablieferte. Damals allerdings als freiwillige und situationsbedingte einmalige Abgabe. Davon können die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Neuzeit nur träumen.

Eine einmal erhobene Steuer, bleibt auch dann noch bestehen, wenn die Grundlage längst obsolet ist. Das bezeichnet man seitens der Finanzbehörden als Tradition, gerne auch mit dem Zusatz „nachhaltig“, also quasi eine „nachhaltige Tradition“. Hört sich ziemlich edel an, mit einem alttestamentarischen Hauch, um selbst das leiseste Hinterfragen sofort als Häresie framen zu können, wie es im zeitgenössischen Denglisch so schön heißt. Die Geldeintreiber hatten schon immer ein Fable fürs Dramatische.

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Als man im Vatikan zutiefst erschrocken feststellte, dass der Zehnte zur Finanzierung eines völlig überzogenen Protzbaus namens Petersdoms, nicht einmal ansatzweise reichte, erfand man den asozialen, verlogenen Ablasshandel und lieferte somit dem Augustinermönch und Theologieprofessor, Martin Luther, eine Steilvorlage für dessen Wettern gegen den absolutistischen, dekadenten Klerus und gleichzeitig die Axt zur Spaltung der römisch-katholischen Kirche. Aber das ist eine andere Baustelle.

Der Ablasshandel als solcher ist Geschichte. Im Gegensatz zur Schaumweinsteuer. Diese gibt es auch 2024 immer noch, obwohl sie 1902 vom Reichstag dezidiert zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt wurde. Ähnlich wie die Erhöhung die Tabaksteuer 2001, um die Mehrkosten der Bundeswehr für die Landesverteidigung am Hindukusch zu finanzieren. Sorry, mein Fehler. Das war gar kein richtiger Krieg, sondern eine asymmetrische Bedrohungslage, oder so. Wie dem auch sei: Beide Steuern sind auch heute noch fester Bestandteil der Budgetplanungen. Ich könnte mit etwas Fleiß, sicher noch zig weitere Beispiele recherchieren. Aber meine Texte sind ja angeblich ohnehin immer zu lang. Deshalb belasse ich es bei den zweien.

Die altbackene, urdeutsche Bezeichnung des Zehnten, ist längst dem großen Latrinum zum Opfer gefallen und wird heute als 10 „Prozent“ angegeben. Wobei wir uns glücklich schätzen könnten, müssten wir von unserer Kriegsbeute (unserer Lohntüte) tatsächlich nur 10% an den Staat entrichten. Im Prinzip wäre eine generelle, prozentuale Besteuerung ja eine feine Sache. Über die Höhe kann man sicher streiten, aber als Grundregel wäre ein solches Verfahren völlig transparent. Es spräche den Gerechtigkeitssinn der Bürgerinnen und Bürger an und trüge zur Befriedung aller bei…nun ja, wären da nicht die Ausnahmeregelungen, die jeden kleinen Steuerzahler an den Rand des Wahnsinns bringen und die richtig dicken Fische unbehelligt davonschwimmen lassen.

In der Bundesrepublik betrug 2023 das Bruttoinlandsprodukt, also der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, rund 4 Billionen €. Wobei…wenn man es genau nimmt, ist das ja nicht die ganze Wahrheit. Alleine an der Börse in Frankfurt wurden mit dubiosen Luftbuchungen im gleichen Zeitraum nämlich weitere 5 Billionen € umgesetzt. Weshalb diese beim Bruttoinlandsprodukt nicht eingerechnet werden, weiß ich jetzt nicht so genau. Es könnte aber etwas mit dem Einfluss der dicken Fischen zu tun haben.

Anyway: Addierte man diese 5 Billionen € fairerweise zum Bruttoinlandsprodukt, und der Staat nähme sich davon den Zehnten, wären das satte 900 Milliarden €. Chapeau! Wenn man bedenkt, welch ein erbärmliches Bohei es Jahr für Jahr wegen des Bundeshaushalts gibt, der 2023 gerade mal bei 476 Milliarden € lag, fragt man sich doch zurecht, wo das Problem ist. Gleichzeitig wird gebetsmühlenhaft von einer Schuldenbremse geschwafelt, davon, dass der Staat effizienter mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürgern umgehen müsse, dass man die Finanzen konsolidieren müsse, dass nicht die Einnahmenseite das Problem sei, sondern die Ausgaben…Bla, bla, Rhabarber.

Leute, ich sag Euch was: Das Problem liegt nicht am Zehnten. Über den muss man sich nicht echauffieren, da es ihn in der Form ohnehin nicht mehr gibt. Allerding wäre er in einer Neuauflage zu begrüßen, denn er wäre deutlich billiger und zutiefst gerecht, gelte er für alle.

In diesen Tagen riskiert die Bundesregierung gerade (mal wieder), dass ihr der derzeit noch vorhandene Rest an gesellschaftlichem Zusammenhalt, mit einem lauten Knall um die Ohren fliegt, sollte sie die besagte Einnahmenseite nicht schleunigst auf ein transparentes und gerechtes Fundament stellen, sprich: Auch die dicken Fische endlich zur Kasse bitten. Durch ihre manischen Spardiktate, fährt die Ampel den Karren nämlich garantiert mit Schmackes an die Wand, ohne Not! Das würde übrigens jede andere Koalition aus CDU, CSU, SPD, FDP, oder Grünen, genauso machen. Denn alle haben eines gemeinsam: Sie atmen seit Jahrzehnten zu wenig Realität bei ihrer Arbeit.

Also Ihr Lieben in Berlin und all den anderen Hauptstädten im besten Deutschland aller Zeiten: Das Ding mit dem Apnoe-Regieren funktioniert im 21. Jahrhundert nicht (mehr), wie man sieht. Dann ist die Birne nämlich unterversorgt, und durch die Hypoxie sieht man vor lauter Wasser die dicken Fische nicht.

Bildquellen:
  • hieroglyphs-541144_1280: Bild von Gianni Crestani auf Pixabay

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Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Grohmüller 15. Januar 2024

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