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Polizei erschießt 49-Jährigen halbnackten Mann in Mannheim-Schönau – aktualisiert

Schüsse Mannheim Schönau

Symbolfoto

Ein Mannheimer Polizist hat im Einsatz einen Menschen mit vier Schüssen getötet.

Es ist Heiligabend und beim Gänseschmaus erzählen meine Kinder, dass es einen Tag zuvor in Mannheim-Schönau einen Polizeieinsatz mit tödlichem Ausgang gegeben hat.
Rasch haben sie auch das passende Video auf dem Smartphone parat, gefilmt von einem Zeugen, wohl vom Küchenfenster aus.

Was ist auf dem Video zu sehen.

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Auf einer Straße in Mannheim-Schönau steht ein Mann mit nacktem Oberkörper. Ob er etwas in den Händen hält, kann man nicht gut erkennen. Bei näherer Betrachtung mehrerer der kursierenden Videos hält er ein Messer in der Hand.
Mindestens eine Wagenlänge entfernt stehen drei Polizisten und schreien dem Mann immer wieder etwas zu. „Bleib stehen!“, ist zu hören.
Mein Sohn will: „Wirf das Messer weg!“ verstanden haben.
Ob der Mann etwas ruft, ist nicht zu verstehen.
Dann macht der Mann einen Schritt vorwärts; und es krachen Schüsse. Ich zähle vier Schüsse, abgefeuert von den Polizeibeamten. Der Mann fällt getroffen zu Boden. Später erfaährt man, dass nur einer der Beamten geschossen hat. Viemal.
Als die Beamten bei ihm eintreffen und ihn überwältigen, regt er sich noch.

Dann ist das Video zu Ende.

Von diesem Vorfall habe ich noch ein weiteres Video gesehen, gefilmt aus einer anderen Perspektive, es zeigt logischerweise den gleichen Ablauf.
Info 29.12.2023: Laut Medienberichten existieren 130 GB Video-Material, die jetzt ausgewertet werden.

Kein Polizist muss sein Leben riskieren, um einen Messerangreifer zu überwältigen.Peter Wilhelm

Der swr bestätigt meine Darstellung auf seiner Webseite:

In den Sozialen Medien kursierte seit dem Nachmittag ein Video, in dem in mehreren Einstellungen höchstwahrscheinlich die tödlichen Schüsse zu sehen sind. In dem Clip steht ein Mann mit nacktem Oberkörper vor drei Polizeibeamten. Zu hören ist, wie andere Einsatzkräfte umstehende Schaulustige anweisen, den Bereich zu verlassen. Die Polizisten fordern den Mann lautstark auf, sein Messer wegzulegen. Als er daraufhin auf die Beamten zugeht, fallen vier Schüsse, der Mann bricht zusammen und wird von Polizisten umringt. Danach endet das Video.

Sehr interessant ist eine Passage etwas weiter oben auf der swr-Webseite. Dort wird von einem Interview mit der 18-jährigen Tochter des erschossenen türkischstämmigen Mannes berichtet:

Ihr verstorbener Vater habe schon immer psychische Probleme gehabt und sei der Polizei bereits bekannt gewesen. Trotzdem hätte er „niemandem etwas angetan“, sagte sie.

Schüsse Polizei Mannheim – Weihnachten 2023 – Video

In den sozialen Medien wird ausführlich über den Vorfall berichtet, hier beispielhaft ein YouTube-Video von PR-Video – Photographie & Video:

Polizeischüsse Mannheim – Die Presse

Der in übervorsichtiger Hofberichterstattung geübte Mannheimer Morgen schreibt im Juni 2022 zu den Schusswaffeneinsätzen der Mannheimer Polizei Folgendes:

Mannheim. Polizisten, die ihre Dienstwaffe ziehen und abdrücken – in Mannheim ist das eher selten. Das hat eine „MM“-Anfrage ans Polizeipräsidium Mannheim zur Häufigkeit des Schusswaffengebrauchs ergeben. Das Fazit: 13 Mal haben Beamte und Beamtinnen in der Quadratestadt in den vergangenen drei Jahren einschließlich 2022 einen Schuss auf Mensch oder Tier abgefeuert. In fünf Fällen war die Waffe gegen eine Person gerichtet.

Mannheimer Morgen 12.06.2022

Zu den aktuellen Todesschüssen heißt es im Mannheimer Morgen aber deutlicher:

Das macht es jetzt umso wichtiger, Antworten auf offene Fragen zu geben: Ging von dem Mann, der noch mehrere Meter von den Polizisten entfernt stand, eine so große Gefahr aus, dass sie ihn erschießen mussten? Wieso wurden gleich vier Schüsse abgefeuert? Wer hat sie abgegeben? Wohin traf der erste Schuss den Mann? Wohin gingen die drei weiteren Schüsse? Hätten die Polizisten auf Körperteile zielen müssen, bei denen eine Verletzung nicht tödlich endet?

Leider kann man den Ermittlungsbehörden wieder einmal nur raten, offen und schnell zu informieren. Aus dem Desaster nach dem ohnehin schon tragischen 2. Mai 2022 sollten Landeskriminalamt, Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium gelernt haben.

Florian Karlein Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

Auf der Webseite Yenihajat.de1 heißt es

Polizei erschießt Mann in Mannheim Schönau

Am 23. Dezember kommt es im Mannheimer Stadtteil Schönau zu einem erneuten Fall von Polizeigewalt. Der Türkeistämmige Ertekin Ö. hat gemeinsam mit seinen drei Töchtern bei seiner Mutter gelebt. Das Jugendamt drohte seiner Mutter, die der Vormund für die Töchter ist, die Gelder zu streichen, sollte Ertekin weiterhin dort wohnen. (Danach) verletzte sich Ö., der psychische erkrankt war, selbst, rief die Polizei und sagte er habe ein Verbrechen begangen. Die Polizei stellte Ö., der trotz der winterlichen Temperaturen, am Oberkörper nicht bekleidet war und ein Messer in der Hand hatte auf offener Straße. Seine Mutter und eine seiner Töchter waren ebenfalls dort, als die Polizisten viermal auf seinen Brustkorb schossen. Anschließend legten sie dem bewegungslosen Mann noch Handschellen an. Dort anwesende Bewohner sprachen davon, dass Ertekin Ö. zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr am Leben war.

(…) Die 2. Mai Initiative, die sich ebenfalls nach einem Fall von Polizeigewalt gegründet hatte, plant aktuell Aktionen. Der Fall von Ertekin ist nicht der einzige, in dem die Mannheimer Polizei mit Schüssen auf psychisch Erkrankte reagiert. Am 2. Mai 2022 erschlugen Beamte den Kroaten A.P., der in psychiatrischer Behandlung war, nachdem er die Klinik ohne ärztliche Erlaubnis verlassen hatte. Der Fall von A.P. hatte große Proteste zur Folge. Der Prozess gegen die beiden Polizisten beginnt im Januar 2024.

Nach wiederholten Fällen von Polizeigewalt ist die Stadt Mannheim dazu aufgefordert, endlich etwas gegen das gewalttätige Verhalten der Polizei zu unternehmen.

Mehr Informationen über Schusswaffeneinsätze der Mannheimer Polizei

Wer sich mehr mit dem Thema tödliche Schüsse abgegeben von der Polizei interessiert, kann auf dieser Webseite hier die entsprechenden Statistiken und Informationen abrufen:

Große Töne in den sozialen Medien

Natürlich melden sich in den sozialen Medien nun auch Polizistinnen und Polizisten zu Wort, auch ein Kampfsportler gibt seine Meinung zum Besten und der deutschnationale Pöbel macht daraus: „Polizei erschießt Messertürken“.

Die Polizisten nehmen, soweit ich das richtig zuordnen konnte, überwiegend die Haltung ein, das Ganze sei unausweichlich gewesen. Der Kampfsportler macht sich mit einer plakativ-polemischen Kurzanalyse wichtig, in der er auf die Gefährlichkeit von Messern hinweist. Ja, da hat er recht, aber Polizisten, und hier vor allem die Einsatzkommandos, sind auf solche Situationen vorbereitet und verfügen tatsächlich über die entsprechende Ausrüstung.
Was will denn ein halbnackter Messerschwinger unternehmen, wenn er von sagen wir zehn Beamten mit Schutzschilden, Helmen und robuster Einsatzkleidung umringt und niedergeknüppelt wird?

Weitere Fakten (Nachtrag 1. Januar 2024)

Inzwischen haben LKA und Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungsergebnisse bekanntgegeben. Die Obduktion hat ergeben, dass der 49-Jährige an den Folgen der Schussverletzungen starb. Er war zuvor noch in ein Krankenhaus gebracht worden.
Die Ermittelnden haben über 20 Zeugen gehört und werten 130 Videos mit mehreren Gigabyte Daten aus. Hierüber ist Widersprüchliches zu lesen: Mal sind es 130 Videos, mal sind es 130 GB an Daten.
Für eine detaillierte Rekonstruktion des Geschehens am Tag vor Heiligabend hätten Fachleute mithilfe eines 3D-Scans den Tatort und kriminalistisch relevante Spuren dokumentiert. Zudem führten forensische Sachverständige ballistische Untersuchungen durch, um Details des Schusswaffeneinsatzes lückenlos zu ermitteln.

Nach den Ermittlungen hatte der Mann bei der Polizei angerufen und mitgeteilt, dass in seiner Wohnung eine tote Person läge. In der Wohnung hätten die Einsatzkräfte später aber keine Leiche gefunden. 49-Jährige war türkischer Staatsbürger.
Er sei bereits mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. Als die Beamten ankamen, soll der Mann mit einem Messer bewaffnet vor dem Haus gestanden und die Polizisten bedroht haben.

Was den Einsatz angeht, gibt es keinen neuen Ermittlungsstand. Polizei und Staatsanwaltschaft sagen: „Als sich der 49-Jährige schließlich mit dem Messer in der Hand auf die Polizeikräfte zubewegte, machte einer der eingesetzten Polizeibeamten von seiner Dienstwaffe Gebrauch.“
Zu den Hintergründen und dem Motiv des 49-Jährigen war den Angaben zufolge vorerst nichts bekannt. Einen Streit habe es ersten Erkenntnissen nach aber nicht gegeben.

Schusswaffe nur als äußerstes Mittel erlaubt

Dienstwaffen dürfen nach Angaben des Innenministeriums nur als „Ultima Ratio“, also als äußerstes Mittel, genutzt werden. Ob „unmittelbarer Zwang“ angewendet wird, entscheiden die Polizistinnen und Polizisten demnach grundsätzlich bezogen auf den Einzelfall und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

„Taser“, die Elektroschocks abgeben, werden in Baden-Württemberg nur von Spezialeinsatzkommandos eingesetzt. Polizisten im Streifendienst sind damit – anders als zum Beispiel in Rheinland-Pfalz – nicht ausgestattet. Vor der Landtagswahl 2021 hatte die Deutsche Polizeigewerkschaft gemeinsam mit der baden-württembergischen CDU gefordert, die Ausrüstung der Polizeistreifen im Land mit Tasern zu erproben.

Im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung wurde der Einsatz über Spezialkräfte hinaus dann aber ausdrücklich ausgeschlossen. Ralf Kusterer, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg, hat inzwischen die Forderung bekräftigt, in Zukunft auch Elektrowaffen für den Polizeidienst zu erlauben.

Persönliches Fazit zu Schüssen der Mannheimer Polizei

Schon als am Mannheimer Marktplatz ein psychisch Kranker von zwei Polizisten überwältigt wurde und dann nach Fausthieben gegen seinen Kopf verstarb, machte ich einen Podcast zu diesem Thema.

Mannheim Polizei erschiesst

https://wortbildungsmassnahme.letscast.fm/episode/polizeigewalt-in-mannheim-schlaege-auf-den-kopf-tot

Auch von diesem Polizeieinsatz in Mannheim existierten mehrere Handyvideos. Mein persönliches Empfinden: Unnötig brutal, wehrloser Bürger, Missbrauch polizeilicher Macht.
In Bezug auf den aktuellen Polizeieinsatz in Mannheim-Schönau: Die Polizei muss sich berechtigterweise fragen lassen, ob der Schusswaffeneinsatz gerechtfertigt war. War das nötig?
Muss ein halbnackter Mann, der nur mit einem Messer bewaffnet ist, auf größere Distanz erschossen werden?
Ein Täter, der einem mit einem Messer unmittelbar gegenübersteht, der stellt eine große Gefahr dar. Hier war der psychisch Labile aber meterweit entfernt. Drei Beamte mit Schlagstöcken hätten ihn überwältigen können. Das sage ich, der viele Jahre im Polizeiwesen der US-Streitkräfte gearbeitet hat.
Weshalb hat die Polizei Baden-Württemberg keine Taser, die hätten eingesetzt werden können? Hat die Polizei kein Pfefferspray? Gibt es keine Waffen mit Gummigeschossen? Hätte man nicht auf das Eintreffen „robusterer“ Beamter warten können?
Es gibt auch noch so etwas wie List und Tücke: Anschleichen und Überraschungsangriff von hinten beispielsweise.
Warum hat man Angehörige und Bekannte gehindert, beruhigend auf den Mann einzuwirken?

Auf jeden Fall sieht es zumindest aufgrund der vielen Handyvideos so aus, als ob die Beamten absolut unverhältnismäßig reagiert haben.

Müssen sich die Polizeibeamten in Mannheim tatsächlich wundern, wenn sie als Bullen bezeichnet werden, fragte mich ein verständnisloser Bürger.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich spiele mal den Advocatus diaboli:
Die Polizeigewerkschaften werden durch ihre Sprecher verkünden lassen, dass die Polizisten einen harten Job haben, sich viele Anfeindungen gefallen lassen müssen und dass „Polizeimaßnahmen selten etwas Schönes haben“.
Die Polizei Mannheim wird darauf verweisen, dass das ein nun schwebendes Verfahren ist und nun alles in den Händen des „neutralen“ Landeskriminalamtes und der ermittelnden Staatsanwaltschaft liege.
Vielleicht wird einer der Beamten zum Sündenbock gemacht… Jedenfalls behaupten böse Zungen, dass die Polizisten ungeschoren davonkommen werden.

  • Polizei Mannheim: 47-Jähriger stirbt nach Fausthieb eines Polizisten (2022): https://www.merkur.de/…mannheim-demo-polizeigewalt….html
  • Polizei Mannheim – tödliche Schüsse (2022): https://www.zeit.de/…polizei-schiesst-verletztem-in-mannheim…
  • Mannheimer Polizei erschießt „psychisch auffälligen“ Mann (2019): https://www.welt.de/…Mannheim-Polizei-erschiesst-44-Jaehrigen.html
  • Polizei Mannheim tötet 37-Jährigen (2011): https://www.welt.de/37-Jaehriger-stirbt-bei-Polizeieinsatz…
  • Polizei Mannheim tötet mit Schüssen in die Brust (1993): https://polizeischuesse.cilip.de/
  • Mannheimer Polizei erschießt 39-Jährigen (1989): https://polizeischuesse.cilip.de
  • 1 https://yenihayat.de/polizei-erschiesst-mann-in-mannheim-schoenau/

    Bildquellen:
    • polizei-mannheim-symbolfoto-pixabay: Bild von Max auf Pixabay


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    Lesezeit ca.: 13 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 1. Januar 2024 | Revision: 7. Mai 2024

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