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Dann kam die Polizei und schon lag ich am Boden

Die Gaststätte „Pfälzer Fritz“ ist eine Traditionsgaststätte in Mannheim-Friedrichsfeld. Im Pub-Stil renoviert erlebt sie nun innerhalb kürzerer Zeit den dritten Pächter. Nachdem es mit dem ersten nicht so gelaufen ist, hatte die Hausbesitzerin und Verpächterin für einige Zeit das Ruder selbst in die Hand genommen und in mühseliger Arbeit den „Pfälzer“, wie die Kneipe in der Bevölkerung heißt, mit regelmäßigen Live-Veranstaltungen wieder auf Vordermann gebracht. Wissend, daß sie ein gut bestelltes Feld übergibt, kam dann Pächter Siggi Hach, Gastronom aus dem Kraichgau und bemüht sich seit etlichen Monaten um eine Fortsetzung.
Das gelingt ihm nur zum Teil, zu dünn und zauderlich ist die Umsetzung des Konzepts. Abgesagte Musikveranstaltungen, im Winter zu kalte Räume und die zahlreichen Parallelveranstaltungen gerade in der Weihnachtszeit, die branchenweite Faulheit der Gäste zum Jahresanfang, alles das machten ihm zu schaffen.

So etwa geht es im „Pfälzer ab“, wenn ein Musikevent stattfindet. (ältere Aufnahme):

http://youtu.be/X6vCri7WNi4

Mit so einem Musik-Event, so wie man es von Verpächterin und Vorgängerin Hertha kannte, wollte er nun gestern wieder einmal richtig auftrumpfen.
Und siehe da: Die Kneipe war ab 20 Uhr voll. Ein Zustand, den Wirt und Personal lange nicht so erlebt hatten, ja zum eingeteilten Personal kamen noch der Wirt selbst und seine Frau als Verstärkung hinzu.
Eigentlich müßte es immer so sein, daß der Pfälzer Fritz voll ist. Es ist urgemütlich, es gibt alles Mögliche zu trinken, immer wieder Aktionspreise und einen Raucherraum für die Hartnäckigen. Außerdem kann man kostenlos Billard spielen und ein Dart-Automat steht auch zur Verfügung. Unter der Woche läuft tolle Musik aus der Anlage der Kneipe oder aus den überall hängenden Flachbildfernsehern, gemütlich zu verfolgen aus den üppig bequemen Ledersesseln in der Billard-Lounge.
Ja, die Gäste dürfen sogar ihre eigenen CDs mitbringen.

Es wäre also dem Pfälzer und Siggi Hach und Verpächterin Hertha nur zu wünschen, daß endlich mal der Knoten platzt und wieder das gut gemischte Publikum aus Jung und Alt seinen Weg in den „Pfälzer“ findet.
Gestern war es also soweit und eine junge Band aus der Saarpfalz-Region angereist und hat ganz erstaunlich gut gespielt und gesungen. Okay, der Schlagzeuger hatte sich auf so eine Apfelsinenkiste gesetzt, wie das neuerdings so Mode ist und von seinem gekonnten Rhythmusgekloppe war drei Meter weiter nichts mehr zu hören, schade; aber sonst: Hochachtung! Tolle Sängerin, klasse Gitarristen!

Ich trink ja nix, bloß Kaffee, Bitter Lemmon und Saft und so’n Zeug. Ob ich der einzige richtige Klare war, weiß ich nicht, jedoch habe ich einen wunderschönen, sehr erholsamen Abend mit guten Freunden bei Billard und blödem Gequatsche auf hohem Niveau verbracht.
Bahndirektoren, Polizisten, Fernfahrer, Lehrer, Maler, Autoschlosser und auch Schriftsteller gehören zum Publikum des „Pfälzers“, es ist also keine verruchte Kneipe, in der sich -wie man hier so sagt- Gesocks herumtreibt.

Kurz nach Mitternacht muß es wohl gewesen sein, da fiel die Polizei in der Kneipe ein. Na gut, einfallen ist etwas zu viel gesagt, zwei Mann tauchten auf und waren wohl von irgendwem aufgestachelt und gezielt informiert worden, denn anders ist es nicht zu erklären, daß ganz gezielt nur die etwas jünger aussehenden Gäste kontrolliert wurden. Blöderweise war auch ein junger Mann darunter, der erst in ein paar Wochen 18 wird und deshalb nach Meinung der Polizisten da nichts mehr zu suchen hatte, obwohl er in Begleitung eines Erwachsenen war.

Im Jugendschutzgesetzt BW heißt es dazu:

Der Aufenthalt in Gaststätten darf Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren nur gestattet werden, wenn eine personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person sie begleitet oder wenn sie in der Zeit zwischen 5 Uhr und 23 Uhr eine Mahlzeit oder ein Getränk einnehmen. Jugendlichen ab 16 Jahren darf der Aufenthalt in Gaststätten ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person in der Zeit von 24 Uhr und 5 Uhr morgens nicht gestattet werden.

Ich bin kein Jurist und verstehe die Feinheiten solcher Verordnungen sowieso nicht, aber nach dem Gesetzestext wäre doch eigentlich gegen die Anwesenheit eines 17jährigen gar nichts einzuwenden. Aber wahrscheinlich richtete sich der Unmut der Ordnungshut gegen die Tatsache, daß der Junge am Billardspiel beteiligt war und der Billardtisch ausgerechnet in dem Teil der Gaststätte steht, in dem geraucht werden darf und wahrscheinlich dürfen da unter 18jährige nicht rein. Keine Ahnung. Jedenfalls wurden dann Vater und Sohn aufgeschrieben und der Gaststätte verwiesen.
Ärgerlich. Ärgerlich vor allem, weil der geschiedene Papa ausgerechnet an diesem Wochenende seinen beinahe volljährigen Sohn dabei hatte und es an sich ein schöner Abend war, bei dem man einfach etwas die Zeit aus den Augen verloren hatte.

Gut, es ist die Aufgabe der Polizei, für Ordnung und die Einhaltung der Gesetze zu sorgen. Muß sein, muß einer machen und das muß man hinnehmen.
Mich stört ein wenig, wie unfreundlich die Beamten waren, wie gering ihre Bereitschaft war, es bei einer mündlichen Verwarnung zu belassen. Ein „Jetzt aber flott nach Hause!“ hätte doch auch gereicht.

Das war es auch, was einen der anderen Gäste, den ich nicht kannte, zu der Bemerkung veranlasste, die Polizisten würden sich benehmen wie Tamagochis.

Und das wiederum führte dazu, daß nachdem Vater und Sohn und die Polizei den „Pfälzer“ verlassen hatten, kurz darauf ein erneuter Polizeieinsatz stattfand. Diesmal mit Verstärkung und unter Einsatz eines Polizeihundes.
Die Polizei wollte nun den Mann, der das böse Wort „Tamagochi“ gesagt hatte, „verhaften“.
Ich habe genau gehört, daß sie sagten „Sie da, Sie sind verhaftet, Sie haben Beamten beleidigt“ und beim Niederringen des „Täters“ auf einen Tisch wurde dann noch einmal der Begriff „Beamtenbeleidigung“ gerufen.
Eigentlich sollten gerade Polizisten wissen, daß es den Tatbestand der Beamtenbeleidigung nicht gibt. Man kann nur beleidigen aber das ist auch schon alles, einen Beamten zu beleidigen, wiegt nicht schwerer.

Und ist „Tamagochi“ eine Beleidigung?

Nun stand ich etwas abseits, wollte natürlich auch aus journalistischer Neugier den Vorgang der Festnahme, und darum handelte es sich und nicht etwa um eine „Verhaftung“ beobachten. Als der Festgenommene sich wehrte weil die Beamten im ganz augenscheinlich beim Verdrehen des Armes und dem Anlegen der Handschellen weh getan haben, gab es ein Gerangel, bei dem die ganze Gruppe sich rückwärts bewegt und bei dem einer der Polizisten ausholte und dabei versehentlich mich traf und zu Boden stieß.
Ein „Hau ab Du!“ und „Geh da weg Du!“ war alles was dem betreffenden Polizisten dazu einfiel.
Ich, am Boden liegend, fragte ihn nur noch, was ihm denn einfalle, mich zu duzen.

Wie gesagt, wir waren in einer gemütlichen Dorfkneipe, nicht auf der Reeperbahn oder in einem Nachtclub des Rotlichtmilieus oder in einem Laden, in dem die Hells Angels verkehren!

Dann ging alles sehr schnell, der Festgenommene wurde abgeführt, wobei er natürlich, etwas alkoholisiert und von Adrenalin aufgeputscht, die Polizisten als Wichser bezeichnete. Nicht schön.

Nachdem sich alles etwas beruhigt hatte, sind der Wirt und ich vorne an die Tür der Kneipe gegangen, um den Fortgang draußen beobachten zu können.
Direkt gegenüber der Gaststätte hatte sich die Hundeführerin mit ihrem Wauwau postiert und brüllte zu uns herüber: „Wir haben noch Platz genug, Euch können wir auch noch mitnehmen, wenn ihr weiter so glotzt!“

Wow! Es ist also in Mannheim erklärtermaßen ein Grund, jemanden festzunehmen und mit auf die Polizeiwache zu nehmen, wenn man nur zuschaut, wenn man als freier Bürger einfach da steht, niemanden behindert, niemandem etwas tut und nur das tut, was Menschen eben in solchen Situationen tun: gucken.

Und wie gesagt, man muß es sich mal auf der Zunge zergehen lassen: So wie es sich für uns andere darstellt, fand der Einsatz statt, um jemanden festzunehmen, der „Tamagochi“ zu einem Polizisten gesagt hat. Okay, ich kenne den Mann nicht, weiß nicht, ob der nicht sowieso ein stadtbekannter Krimineller, Bankräuber oder Drogendealer ist. Vielleicht war diese zweite Aktion nur vorgeschoben, um dieses Mannes endlich habhaft zu werden. Alles gut.
Aber warum mich ein Polizist einfach duzen und zu Boden stoßen darf, ohne sich dann anschließend um meine Schulterprellung und die Folgen zu kümmern… das verstehe ich nicht, wir waren ja nicht in der Schlägerbar von Soho.

So ein Aufritt, so ein Theater… alles nur Machtdemonstration einer überreizten Polizei, meiner Meinung nach.
Es hätte durchaus auch gereicht einfach vor der Gaststätte zu warten, der Mann wäre ja über kurz oder lang sowieso herausgekommen. Nach dem ersten Einsatz war die Stimmung sowieso im Keller und die Gäste hatten die Lust am schönen Abend verloren.

Aber es war noch nicht zu Ende: Die Polizisten kamen nochmals, ein drittes Mal, in die Gaststätte. Nun suchten sie nach irgendwelchen Gegenständen, leuchteten mit Lampen unter den Tischen herum, zogen dann aber schnell wieder ab.

Prima! So kann man eine harmlose Kneipe am Stadtrand auch zu einer polizeibekannten Kneipe von schlechtem Ruf machen. Prima gemacht, liebe Polizei.

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Lesezeit ca.: 10 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 27. Januar 2013

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