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Satire

Peter Grohmüller und der Rutilus

Rotaugenlecken

Die Lösung weltweiter Energieprobleme hat sich ein Erfinder aus der Kurpfalz auf die Fahnen geschrieben. Wir von der Wissenschaftskolumne des Dreibeinblogs durften Zeuge sein.

Wir trauen unseren Augen kaum. Mit einer geübten Handbewegung durchtrennt Elektromeister Peter Grohmüller (64) das Anschlusskabel eines handelsüblichen Küchenmixers. Was uns der Erfinder aus Edingen-Neckarhausen an diesem Mittwochabend zeigen will, ist schlicht und ergreifend nichts Geringeres als seine neueste Entwicklung, die er elektrische Luft nennt.

Einen durchsichtigen Schlauch aus PVC (wegen der Energiedichte des Kunststoffes) aus dem örtlichen Gartencenter, den er mit Wasser gefüllt hat, hat der 64-Jährige vorher schon mit Schlauchschellen versehen. Man merkt Grohmüller an, dass er lange Jahre seines Lebens mit dem Löten zugebracht hat. Das ausgedünnte Haupthaar, aufgrund der säurehaltigen Flussmittel und der etwas wirre Blick wegen des langjährigen Umgangs mit quecksilberhaltigen Lötmitteln, künden ebenso von seiner Erfahrung, wie die Schnelligkeit seiner Handbewegungen, mit denen er die entstandenen Kabelenden abisoliert und an die beiden Enden des zehn Meter langen Schlauchs lötet. An einem Ende des Schlauchs befindet sich ein Stück Schnur mit dem Stecker und am anderen der Küchenmixer.

„Feddisch!“, ruft der Meister, als die Lötstellen abgekühlt sind: „Jetzat zeig isch Eusch, wie mir des mache!“

Der Erfinder bittet uns, in seinem Wohnzimmer Platz zunehmen, das zugleich seine Werkstatt ist. Der Raum ist geschmackvoll mediterran eingerichtet, dazu passt auch die aus Italien stammende Ehefrau auf dem kleinen Ecksofa. Mehrere kleine Tischlampen mit Füßen aus Terrakotta beleuchten den hübsch gestalteten Raum.

Wohnzimmer

Wir sind noch skeptisch, ob seine Vorführung gelingen wird, denn schließlich will uns der Ruheständler mit seinem Versuchsaufbau nichts Geringeres zeigen, als die Lösung des Weltenergieproblems. Herzstück seiner Erfindung ist ein kleiner gebratener Fisch, den der Rentner an einem Dienstag im September frühmorgens mit bloßen Händen aus einem Teilstück des Neckars bei Neckarhausen gezogen hat. Nach dem Ausnehmen und Braten wurde der Fisch (Ein Rotauge Rutilus rutilus) eingefroren und wird seitdem nur für die energietechnischen Versuche kurz aus der Kühlung genommen.
„Vegan ist des alles also net“, sagt der Elektriker schmunzelnd, fügt aber hinzu: „Man braucht awwa nur einen Fisch pro Haushalt und der hält ewig.“

Eine gewisse Abnutzung erfährt der Fisch, weil der Anwender, so wie wir es beobachten können, mehrmals an dem Fisch lecken muss. „Immer gegen die Schuppung!“, rät der Hobbyerfinder. Dann leckt er mehrmals, lässt die Zunge heraushängen und steckt den Stecker des Küchenmixers in die Steckdose. Etwa in der Mitte des Schlauchs hat Grohmüller ein Fahrradventil angebracht, in das er nun hineinpustet. „Man muss schon gut blasen können“, sagt er und macht dann eine ausladende Handbewegung: „Uffpasse!“

Wir sind gespannt, als der Nordbadenser seinen Finger auf den Schalter des Küchenmixers legt. „Alles für Inge!“, ruft er und drückt den Schalter nieder.

Es knistert, dann knallt es kurz und es wird dunkel in der Grohmüllerschen Wohnung. Freudestrahlend zieht der Erfinder den Stecker aus der Dose, Inge steht auf, geht in den Flur und knipst die Sicherung wieder ein.
Wir sind atemlos vor Überraschung. Auch nach 25 Jahren Wissenschaftsjournalismus gibt es diese Momente, die einen sprachlos machen. Waren wir doch Zeuge des ersten gelungenen Bratfischatemluft-Kurzschlusses.

Es käme allein auf die Rotaugenluft an, erklärt der immer noch etwas euphorisch wirkende Erfinder, dessen Wangen sich während des Experiments gerötet haben. Über 2.000 Versuche habe er unternommen, mit Stickstoff, Helium und Lachgas. Aber erst das gegen den Schuppenwuchs des Rotauges erzeugte Atemluftgemisch habe die richtige Stickstoffkonzentration von 78,6 %, erklärt der Elektromeister.
„Wenn das erstmal in Serie gebaut wird, kann man das auch noch viel kleiner bauen“, blickt der 64-Jährige in die Zukunft und träumt schon davon, dass seine Erfindung dann so günstig sein wird, dass sie auch in Afrika, Südamerika und selbst den entferntesten Regionen in Nepal oder in technisch rückständigen Regionen, wie in Sachsen und im Saarland Anwendung finden kann. „Das können selbst kleine Kinder!“, freut sich der Rentner: „Dann können die Leute auch ohne teure elektrische Apparate überall auf der Welt Kurzschlüsse herstellen.“

schlauch

Fernziel der Entwicklung aber noch Zukunftsmusik: Die schlauchlose Kurzschlussübertragung

Beeindruckt verlassen wir nach zwei Stunden die Wirkungsstätte des Genies und sind uns sicher, Zeugen einer bahnbrechenden Erfindung geworden zu sein, die erst ganz am Anfang steht, aber die Welt langanhaltend verändern wird. Leonardo da Vinci und Peter Grohmüller, zwei Namen, die fortan in einem Atemzug genannt werden können.

Was bleibt, das ist der Fischgeschmack im Mund, auch wir mussten mehrmals den Rutilus rutilus gegen den Strich lecken.

Bildquellen:
  • ziel: Peter Wilhelm ki
  • wohnzimmer: Peter Wilhelm ki
  • fischlecken: Peter Wilhelm ki

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Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde.

Üblicherweise ist Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht), vorzugsweise in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 29. März 2024 | Peter Wilhelm 29. März 2024

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