Spitze Feder

Tic-Tac-Toe

War Games Tic Tac Toe

In dem brillant inszenierten, spannenden Thriller „WarGames“ aus dem Jahre 1983, war das Internet noch so etwas, wie ein holpriger Trampelpfad, zu dessen Benutzung man einen Akustikkoppler benötigte.

Man wählte auf seinem Tastentelefon (!) eine Nummer (heute würde man dazu wohl „eine URL“ sagen) und legte dann den Hörer in die beiden Öffnungen dieses unförmigen Klotzes, der dann mit den angewählten Rechnern mittels kryptischer Piepstöne Daten austauschte.

Den Film sollten sich die Instagram-TikTok-Snapchat-Kids unbedingt reinziehen. Dann werden sie verwundert feststellen, dass das Internet ursprünglich nicht dazu gedacht war, sich bei idiotischen Hot-Chip-Challenges die Eingeweide abzufackeln, oder gar sich selbst zu strangulieren. Von den hirnamputierten Influencer- und Verschwörungs-Idioten, die in einer Sekunde mehr Bullshit posten, als ein gesunder Hundearsch in seinem ganzen Leben auf den Gehweg kacken kann, mal ganz abgesehen.

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In dem superspannenden Showdown spielt der jugendliche Hauptdarsteller, David Lightman (Matthew Broderick), mit einem Rechner der strategischen Luftstreitkräfte der USA, Tic-Tac-Toe, um ihm möglichst viele Ressourcen abzuziehen.

War Games

Er hatte diesen nämlich vorher von zu Hause aus, gehackt, ohne zu wissen, dass es sich um eben jener Rechner handelte, und völlig unbekümmert mit ihm „Thermo-Nuclear-War“ gespielt, worauf bei NORAD komplette Panik ausbrach, da der dritte Weltkrieg anscheinend unmittelbar bevorstand. Da wussten die Herren Generäle nämlich noch nicht, dass auf ihren riesigen Bildschirmen lediglich eine täuschend echte Simulation lief, in der der Rechner „Joshua“, alle möglichen Variationen eines weltweiten Atomkrieges durchspielte.

Als dieser jedoch urplötzlich damit begann, nach den Abschuss-Codes der amerikanischen Interkontinentalraketen zu suchen, ging den anwesenden Uniformträgern der Arsch erst richtig auf Grundeis. Währen „Joshua“ dann parallel mit David Lightman Tic-Tac-Toe spielte und feststellte, dass dieses bei zwei ebenbürtigen Gegnern, immer mit einem Patt endet, dass also niemand das Spiel per se gewinnen kann, und als er diese Erkenntnis auf den gerade simulierten Thermo-Nuclear-War übertrug, brach er das völlig sinnlose Testosteron-Serve-and-Volley ab. Die Welt war gerettet!

Nachstehend die wirklich spektakuläre Schlussszene:

War die Welt damit gerettet? Echt jetzt?

Möglicherweise in Hollywood. Es bedarf nur eines kurzen Blickes in die Leitartikel und die Kommentarspalten unserer Qualitätsmedien, oder sich fünf Minuten des kriegsbesoffenen Geschwafels in den „Formaten“ wie Markus Lanz, Caren Miosga, Maischberger & Co anzutun, in dem sich wildgewordene Parteisoldaten ernsthaft darüber streiten, ob man es der Ukraine gestatten solle, mit NATO-Waffen russisches Gebiet zu bombardieren, um zu erkennen, dass 2024 die Welt eben nicht gerettet ist. Ganz im Gegenteil!

Im NORAD Command Center in Cheyenne Mountain Colorado, arbeiten heute nämlich keine prähistorischen „Joshuas“ mehr, sondern diabolische High-End-KI-Maschinen, die in Sekundenbruchteilen zigtausende Partien Go und Schach gleichzeitig spielen, und man kann getrost davon ausgehen, dass die Counterparts in Russland und China auf dem gleichen, perfiden Level zocken. Mit Tic-Tac-Toe würde David Lightman gegen diese Monster also sang- und klanglos untergehen, und der Irrsinn nähme seinen Lauf.

Nähme? Am 26. September 1983, also im selben Jahr, in dem der spannende Thriller „WarGames“ in die Kinos kam, stufte Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow, der leitende Offizier der Kommandozentrale der sowjetischen Satellitenüberwachung, einen Angriff amerikanischer Raketen als Fehlalarm des sowjetischen Frühwarnsystems ein und verhinderte durch seine einsame Entscheidung, den sowjetischen „Gegenschlag“ nicht auszuführen, den dritten Weltkrieg.

Darüber redet heute allerdings kein Mensch mehr. Weder in den Leitartikeln, oder in den Kommentarspalten unserer Qualitätsmedien, noch bei Markus Lanz, Caren Miosga, Maischberger & Co. Es ziemt sich 2024 einfach nicht, einen Russen zu loben – noch nicht einmal posthum. Aber am 29. November 2023, zum Dahinscheiden des Kriegsverbrechers und Friedensnobelpreisträges, Henry Kissinger, ein widerwärtiges Kondolenzfass aufzumachen, das ziemte sich…das war auf Linie.

Und so delirieren sie in dem Kaderschmieden-Seminar „Young Leader Program“ und in weiteren rechten Denkfabriken der westlichen Wertegemeinschaft munter darüber, die „Verteidigungsausgaben“ der NATO-Verbündeten von 1,3 Billionen (!) US-$ im Jahr 2023, massiv anzuheben…um die drohende Gefahr eines weltweiten Thermo-Nuclear-War zu bannen.

Angesichts des Umstands, dass es heutzutage weder in Russland noch in den USA anscheinend noch Menschen mit der Integrität und des Rückgrats eines Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow gibt, sollten wir uns warm anziehen. Denn man hat strategische Entscheidungen einer solchen Tragweite, wie die, in Dubio auf den „roten Knopf“ zu drücken, vermutlich längst an eine KI übertragen. Denn die zieht ihr Ding stringent durch und lässt sich nicht durch sozialromantischen Kitsch beeinflussen.

Pssst! Hört Ihr das auch? Wenn Ihr ganz still lausch? Tic, tac, tic, tac, tic…tot

Bildquellen:
  • war-games-tic-tac-toe: KI generiert
  • war-games: KI generiert


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Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 28. Mai 2024

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