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Spitze Feder

The IGEL has landed

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Das allerbeste Deutschland aller Zeiten ist ein wahres Paradies für gesetzlich Versicherte.

Seit 1961 haben nämlich insgesamt 17 Bundesgesundheitsministerinnen und Bundesgesundheitsminister ihre profunde Ahnungslosigkeit und ihre geballte Kraft dem Wohle des deutschen Volkes gewidmet, seinen Nutzen vermehrt, Schaden von ihm gewendet…et cetera pp.

Deshalb haben Micheline und Michel heutzutage die Auswahl unter 96 gesetzlichen Versicherungen, an die sie die Kosten zur Behandlung ihrer Malaisen outsourcen können…also zumindest einige der Kosten. Hierzu später mehr. 96 Krankenkassen mögen, auf den ersten Blick, gegenüber 1970 zwar dramatisch wenig erscheinen; damals gab es nämlich noch sage und schreibe 1815 Anbieter, und 2005 konnten man immerhin noch aus 202 Marktteilnehmern das Beste für sich auswählen, aber bei derart immens wichtigen Einrichtungen gilt der eherne Grundsatz: Klasse, statt Masse!

Und das lässt sich anhand splitterfasernackten Zahlen heute knallhart belegen. 1970 mussten die lohnabhängig Beschäftigten schwindelerregende 8,2% ihres Bruttolohns an die besagten 1815 gesetzlichen Versicherungen abführen. Es sei denn, deren Einkommen lag oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Aber das ist eine andere Baustelle, zu der IGEL ohnehin keinen Zutritt haben. Auch hierzu später mehr.

Heutzutage müssen die Versicherten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, bei den 96 verbliebenen gesetzlichen Krankenkassen, hingegen leicht überschaubare 14,6% ihres Bruttolohns einzahlen. OK, dazu kommen noch 1,6% an Zusatzbeiträgen und 3,05% für die Pflegeversicherung…

Was es 1970, gegenüber 2023, jedoch definitiv noch nicht gab, ist eine phantastische Auswahl an sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (IGEL), die Micheline und Michel aus den Portfolios von Kliniken und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten frei auswählen können…und natürlich aus ihrer Privatschatulle bezahlen dürfen. Aber das kennen die beiden ja aus ihrem All-Inclusive-Paket in Antalya. Da sind individuelle Sonderwünsche ebenfalls kostenpflichtig. So what?

Denn, mal im Ernst: Soll etwa die Gemeinschaft der gesetzlich Versicherten dafür bezahlen, wenn jemand beim Zahnersatz mit dem bewährten Basis-Modell „Plaste und Elaste aus Schkopau“ nicht zufrieden ist und partout auf eine Tripple-A Ersatzkauleiste aus Meissener Porzellan besteht? Oder, muss es bei Muskelverspannungen im Kreuz unbedingt gleich eine sauteure NASA-Stoßwellentherapie sein, wenn eine stinknormale Diclofenac-Spritze die Schmerzen für einen schlappen Zehner ebenfalls beseitigt? Nicht wirklich, oder? Man sollte seine Ansprüche, aus Rücksicht auf die Allgemeinheit, doch etwas zurückschrauben.

Will man diese Rücksicht jedoch keinesfalls üben und besteht darauf, individuelle Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen, kommt nämlich Einiges an Kosten zusammen, wie man sich denken kann. Die mitunter horrenden Summen werden hernach aus den Portemonnaies der gesetzlich Versicherten, in die der Ärzte transformiert…oder heißt es transferiert? Wie dem auch sein: In den Vorständen der exquisiten Golf-Clubs, soll es mittlerweile das geflügelte Wort geben: „The IGEL has landed“, wenn Interessenten aus der gehobenen Medizinerschaft dort eine Mitgliedschaft anstreben.

Die meisten von ihnen dürften allerdings bei der privaten Krankenversicherung für Ärzte und somit bei Kosten für individuelle Gesundheitsleistungen ohnehin aussen vor sein. Denn deren Services bieten ihrer erlesenen Klientel natürlich ein Rundumsorglos-Paket in Vollausstattung.

Apropos NASA: Ich gehe der Einfachheit halber davon aus, dass Neil Armstrong ebenfalls privatversichert war, als er am 20. Juli 1969 den ikonischen Satz „The IGEL has landed“ vom Mond zu Erde funkte und damit dem Iwan ein für alle Mal zeigte, wo der Bartel den Most holt…jedenfalls nicht bei der AOK.

Bildquellen

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Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Grohmüller 3. Mai 2023

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