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Geschichten

Spritzlichter

frau ruckdäschl

Da bin ich gerade dabei, den sich jetzt nun doch etwas höher türmenden Schnee etwas beiseite zu fegen, da kommt Frau Ruckdäschl, die Neugierige vom Parterre, auf ihrem Fahrrad des Weges und ruft mir ein fröhliches „Alla, wie?“ entgegen, dann hüpft sie irgendwie halbschräg nach links vom Rad und bleibt neben mir stehen. „Tue Sie Schnee schippe?“

„Nee, ich mach‘ Radieschensalat.“

„So isses recht, sonscht fällt noch wer hi‘!“

Es zeigt sich mal wieder einmal mehr, daß man die Fragen der Eingeborenen gar nicht wirklich zu beantworten braucht, was man sagt, das interessiert sowieso nicht, sie wollen nur ‚babbeln‘.
Oft schon beantwortete ich die Frage nach meinem Wohlergehen, was hierzulande mit einem einfachen „Wie?“ geschieht, mit den Worten: „Elefantenrüssel“ oder „Sterbenswohl“, man kann auch Worte erfinden, zum Beispiel „Brambulipfopf“, sie nehmen das hin, lächeln oder schauen besorgt, nicken und wollen eben nur das eine: Babbeln!

Also babbelt die Ruckdäschl weiter drauflos:

„Ach, ’s wär‘ ja schee gewese‘, wenn ma an Weihnachte oder Silveschta aach ä bissel Schnee gehabt hätte, gell?“

Ich fege weiter, grunze dieses Mal nur unverständlich (meine Standardantwort auf ihr Gesabbel) und nicke bloß freundlich.
Dann sagt sie: „Manschmal hawwe mir sogar abends Spritzlichter in de‘ Schnee gesteckt.“

Ha! Sie hat es wieder geschafft! Wieder einmal hat sie es geschafft, daß ich doch näher hinhöre und neugierig werde:
„Was sind denn Spritzlichter?“

„Na, Spritzlichter eben. Des sind so spitze Stäbe wo Licht spritze tun.“

Sie macht es mir mit den Händen vor und es dauert aber trotzdem eine kleine Weile, bis ich kapiere, daß sie Wunderkerzen meint.
Spritzlichter! Auch ein interessantes Wort dafür.
Doch die Ruckdäschl babbelt weiter:

„Mer hawwe ja früher Pakete in die Ostzone geschickt. Der Cousin von meinem Schwager war ja in der Ostzone eingesperrt und dem un‘ seiner Familie hawwe mir immer auch ä paar Spritzlichter ins Paket getan, zu Weihnachte‘. Naja, ’s war ja nicht alles schlecht in der Ostzone, kann man wirklich nicht sage‘, alles war nicht schlecht. Jetzt isses ja rum mit der Ostzone, die gibt ja nimmer. Aber so manches hätt‘ man net wegmache müsse, die Mauer zum Beispiel, odda?“

erstmals erschienen 5.1.2009

Geschichten

Der erfolgreiche Buchautor Peter Wilhelm veröffentlicht hier Geschichten, Kurzgeschichten, Gedanken und Aufschreibenswertes.

Lesezeit ca.: 2 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 11. Dezember 2015 | Peter Wilhelm 11. Dezember 2015

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