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Nichts Neues im Westen

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In einem Kommentar zu einem anderen Beitrag äußerte sich Benutzer „Janitor“ mit folgendem Text. Mir und Wilhelm von Schoggo-TV liegt es am Herzen, dass diese Einlassung nicht einfach untergeht. Deshalb habe ich ihn einmal als Gastbeitrag hier nachfolgend einkopiert:

Janitor schrieb:

Okay, ich habe mir das hier seit Wochen immer mal wieder angeschaut und mitgelesen. Ich gebe zu, das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Komik und wohl auch Tragik.

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Die Kernfrage wird niemals beantwortet werden, weil diese Webcambetreiber gar nicht über die Fähigkeit verfügen, ihr Tun zu reflektieren. Sie machen das, weil sie eine Kamera haben, für das Schreiben zu dumm sind und das eben ihre persönliche Methode ist, um am WWW teilzunehmen.


Die Befindlichkeiten auf beiden Seiten scheinen mir doch aber auf einer ganz anderen Ebene zu liegen. Es ist ja sehr schnell gegangen und die Diskussion ist von dem eigentlichen Thema zu einer Art Ost-West-Konflikt geworden.

Ich stelle fest, dass sich Peter tatsächlich gar nicht in das Ossi-Thema eingemischt hat, außer um eventuell mal auf einen besonders komischen Kommentar einzugehen. Ich unterstelle außerdem, dass er wirklich nicht vor hatte, Ossis im Speziellen vorzuführen. Das haben die dann selbst auf vortreffliche Weise gemacht.

Diese Ost-West Diskussion ist von einigen wenigen Ostdeutschen losgetreten worden, die sofort lautstark zu jammern anfingen und in der üblichen Manier hinter jedem bisschen Ordnung gleich Stasi-Methoden witterten.

Ich selbst bin in der DDR geboren und lebe noch heute hier. Beruflich habe ich viel im Westen zu tun, kenne also die Verhältnisse hüben, wie drüben.

Das Dümmste, was ich hier gelesen habe sind die Worte dieses arbeitslosen Stümpers, der bewusst in den Osten gegangen ist, um dort dann arbeitslos zu sein. Auch eine Form der Solidarität möchte ich mal behaupten.
Er stellt das so dar, als habe die DDR-Bevölkerung 40 Jahre lang die Zeche für den verlorenen Weltkrieg bezahlt. Vielleicht ist da etwas dran, wenn man über ein nur sehr schwach ausgebildetes politisches Denken verfügt. Aber die Fakten, die sich hier in der DDR boten, sahen doch zunächst einmal anders aus.

Wir lebten in einem Aufbauland. Einen sozialistischen Staat in dieser Form gab es nirgendwo sonst. Wir wurden in dem Gefühl erzogen, alle Pioniere zu sein, die etwas Besonderes leisten, die auf ein höheres Ziel hin arbeiten. Und dieses Ziel war doch nun wirklich erstrebenswert: Dass es allen Menschen gut gehen sollte.
Auf dem Weg dorthin nahmen wir mehr oder weniger bereitwillig etliche Einschränkungen in Kauf.

Aber was hatten wir? Wir hatten Arbeit, wir hatten gute Schulen und eine durchweg beschäftigte und fleißige Bevölkerung. Die Freizeitangebote waren ausgewogen und breit gefächert. Unsere Wohnungen waren bezahlbar, kurzum unser tägliches Leben war gesichert. Jeder der wollte, konnte arbeiten gehen, seine Kinder wurden betreut und versorgt. Die heute so gescholtenen Plattenbauten waren für uns damals ein Segen. Moderner, bezahlbarer Wohnraum in einer guten Nachbarschaft. Und gerade diese gute Nachbarschaft war es, die die DDR auszeichnete. Wir hatten alle die gleichen Probleme. Das waren einmal gewisse Versorgungsprobleme und später zunehmend auch Probleme mit staatlichen Stellen. Aber das hat uns zusammenrücken lassen und eine gewisse Gemeinschaft und Solidarität erzeugt.
Ich sage euch, mit anderen Parteien und weniger selbstverliebten Köpfen an der Spitze hätte die DDR noch viele Jahrzehnte bestehen können und man hätte die Mauer allmählich öffnen können.

Was aber geschah stattdessen? Die Mauer fiel über Nacht, die Menschen zogen schon wegen dem Begrüßungsgeld in den Westen und allmählich floss alles, was Hand und Hirn hat in Richtung Westen.

Schaut Euch doch einmal um! Überall da, wo gute Arbeit geleistet wird im Westen sitzen heute Ossis. Diejenigen die hier geblieben sind, das ist doch der Bodensatz!

Das was wir hatten, das was wir auch erreicht hatten, war für uns wertvoll! Wir waren stolz auf unsere Produkte, auch wenn die selten den Vergleich mit Westprodukten aushalten konnten.
Aber diesen Vergleich gibt es nunmal seit 17 Jahren und da können viele Dinge hier nicht mehr mithalten.

Der Trabant zum Beispiel war ein sehr gutes Auto. Preiswert herzustellen, leicht zu reparieren, zuverlässig und er erfüllte die Bedingungen, die ein normaler Mensch an ein Auto stellt: Er transportiert 4-5 Personen plus Gepäck von A nach B.
Er war für uns DAS Auto und wir waren zufrieden damit, weil wir damit zufrieden sein mussten.
Einen Vergleich selbst zu einem 20 Jahre alten VW-Polo hielt er aber nicht aus. Fakt!

Was ist denn heute? Alles muss sich dem Vergleich mit dem Westen stellen. Da sind die Plattenbauten auf einmal ebensowenig zeitgemäß, wir unser gesamtes ehemaliges Beschäftigungs- und Wirtschaftssystem.

Helmut Kohl hat es richtig angefangen. Unter ihm wurden Milliarden in den Osten gepumpt. Deshalb haben wir die guten Autobahnen, auf die ihr heute so neidisch seid. Bedenkt aber, dass wir in den 40 Jahren davor auch oft neidisch auf Euch waren. Nur sind dann im Gefolge der Westmilliarden eben diese Wessies nach hier gekommen, die gemeinhin als Besserwessies bezeichnet werden. Mit den Geldkoffern und unvorteilhaften Verträgen in der Tasche haben diese Glücksritter hier das Land ausgeplündert. Die Folge war der komplette Abbau der Industrie, steigende Mieten und eine Freizeitkultur auf Mc-Donalds und Mc-Fit Niveau, die sich hier kaum einer leisten kann.

Den Menschen ist die komplette Lebensgrundlage entzogen worden und sie wurden von heute auf morgen unvorbereitet haltlos in die Konsumgesellschaft entlassen, mit der sie nicht umgehen können.

Und in vielen Fällen bietet sich tatsächlich ein erschreckendes Bild. Ärgerlicherweise hat der ominöse Erich, der im Ausgangsartikel zu diesem Diskussionsfaden einen Kommentar hinterlies Recht: Die Menschen saufen sich von Freitag bis Sonntag den Kopf voll, um das Elend ertragen zu können.

So sind nicht alle, sicher nicht, aber so sind viel zu viele. Diejenigen, die noch über einen Funken Verstand verfügen, sind doch längst alle im Westen oder haben hier im Osten ihre Nische gefunden. Damit es aber tatsächlich ein einig deutsches Vaterland wird, müsste auch eine Ost-West-Bewegung in Gang kommen. Es müssten wenigstens 1-2 Millionen Wessies hierher in den Osten kommen, um eine Durchmischung zu erzeugen. Dann gäbe es Nachfrage und Konsum und dann wäre hier auch der geeignete Standort für Industrie und Wirtschaft.
Der Staat müsste das großzügig fördern, quasi ein Siedlerprogramm aufstellen.
Hier kann man nämlich vortrefflich leben. Schöne Landschaften und weitestgehend nette Leute.
So gesehen hat der arbeitslose Studierte ja fast schon Pioniergeist bewiesen.
Denkt mal drüber nach!


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 15. November 2006 | Revision: 26. November 2012

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