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Spitze Feder

Ja – Nein – Abbrechen

Ich bin non-binärer User von IT-Endgeräten. Ich besitze ein Smartphone mit dem Logo eines angeknabberten Individuums der Malus Domestica

und ein Notebook mit einem Betriebssystem, dessen Logo durch ein stilisiertes Fenster dargestellt wird. Tagtäglich erfreue ich mich der legendären Inkompatibilität beider Betriebssysteme aufs Neue, ohne jedoch daran zu verzweifeln. Ob ich nun ein fauler Stoiker, oder einfach nur grob fahrlässig in der Auswahl meiner Hardware bin, überlasse ich den Leserinnen und Leser dieses Beitrages.

Was ich an der Arbeit mit dem Notebook schätze, ist ein ab und zu aufpoppendes Fenster mit der freundlichen, diplomatischen Frage, ob ich das, was ich gerade tue, auch ganz, ganz sicher möchte. Wie Milliarden User weltweit, habe ich in dem Fenster dann die Wahl, entweder „Ja“, „Nein“, oder „Abbrechen“ anzuklicken. Ich habe keine Ahnung, vor wie vielen Katastrophen mich dieses hilfreiche Gimmick schon bewahrt hat, und ich möchte es daher auch nicht missen.

Woran ich jedoch tatsächlich verzweifeln könnte, ist die Inkompatibilität des Outputs unserer Mandatsträgerinnen und Mandatsträger mit Stringenz und Logik. Das mag an meiner säkularen Erziehung liegen, an meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung, oder einfach daran, dass ich mit der Logik von Isaac Newtons Aussagen über Aktionen und Reaktionen, bisher gut gefahren bin.

In Zeiten, wie diesen, wünschte ich mir, es gäbe besagtes Ja-Nein-Abbrechen-Tool in der Politik. Denn das Feuer, das seit beinahe einem Jahr in der Ukraine wütet, ist meines Erachtens kurz davor, sich zu einem unkontrollierbaren Flächenbrand auszuweiten. Hauptsächlich, weil besagte Mandatsträgerinnen und Mandatsträger anscheinend noch nie von dem berühmten Aphorismus des Alī ibn Abī Tālib gehört haben, oder, noch schlimmer, ihn aus Ignoranz und/oder Eitelkeit nicht beachten, wenn sie auf Podien, in Interviews, oder in Polit-Talkrunden meinen, aus Prestigegründen, ihr Ego über die Sache stellen zu müssen. Um den Leserinnen und Leser dieses Beitrages das lästige Googeln zu ersparen, nachstehend besagter Aphorismus:

Drei Dinge sind unwiederbringlich:

· Der vom Bogen abgeschossene Pfeil
· Das in Eile gesprochene Wort
· Die verpaßte Gelegenheit

Ich gestehe, ich möchte nicht in der Haut unserer Bundesaußenministerin stecken, wobei … mit ihrem Grundgehalt von 16.440 € pro Monat, ihrer steuerfreie Pauschale von rund 3.700 € jährlich und ihren Pensionsansprüchen in Höhe von 4.560 €, so sie die Legislaturperiode als Ministerin durchhält … damit könnte ich mich anfreunden. Zumal ich nach 45 Beitragsjahren in die gesetzliche Rentenkasse, nicht mal die Hälfte bekommen werde.

Aber der Anlass dieses Beitrages ist kein Aufruf zur Neiddebatte. Worum es mir geht, sind die Implikationen des Amtseides, den sämtliche Regierungsmitglieder geleistet haben. Ob mit dem archaischen Zusatz „so wahr mir Gott helfe“, oder ohne, ist Jacke, wie Hose.

Um den Leserinnen und Leser dieses Beitrages noch einmal das lästige Googeln zu ersparen, nachstehend auch der Wortlaut besagten Amtseides:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Ob die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger diesen aus Ignoranz und/oder Eitelkeit missachten, wenn sie auf Podien, in Interviews, oder in Polit-Talkrunden meinen, aus welchen Gründen auch immer, ihr Ego über die Sache stellen zu müssen und Adjektive, wie „alternativlos“, aus der Hüfte ballern, maße ich mir nicht an, zu beurteilen.

Wenn ich jedoch bedenke, dass Annalena Baerbock gestern in einer Rede in Straßburg als Bundesaußenministerin sagte: „Das Wichtigste und Entscheidende ist, dass wir es zusammen tun – und nicht Schuldzuweisungen machen in Europa. Denn wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“, denke ich, dass es dringend geboten wäre, ihr, neben einen Crashkurs in Rhetorik, auch einen solchen, in Sachen Alī ibn Abī Tālib zu spendieren.

Dass Jesko zu Dohna, der stellvertretende Chefredakteur der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung, heute sogleich die attraktive Annalena Baerbock für „ihr Rückgrat“ über den grünen Klee … oder so ähnlich, sollte man ihm nachsehen. Vermutlich hatte er beim Anblick des Objekts seiner lüsternen Begierde, das Denken reflexartig von der Großhirnrinde in die Region unterhalb seines Bauchnabels outgesourced. Keine Panik, Jesko! Mach Dick locker! Kann vorkommen, wenn der Hafer sticht.

In Anbetracht des Umstandes, dass die Unkenntnis über den Aphorismus des Alī ibn Abī Tālib, oder das Ignorieren der Folgen bei dessen Nichtbeachtung, in letzter Konsequenz in der Lage sind, den kompletten Globus zu pulverisieren, sollte man im Interesse von Milliarden Menschen, die diese Folgen ausbaden müssen, den Amtseid unserer Regierungsmitglieder modifizieren … um den Zusatz: Ja – Nein – Abbrechen!

Bildquellen

  • 2021-12-07_Unterzeichnung_des_Koalitionsvertrages_der_20._Wahlperiode_des_Bundestages_by_Sandro_Halank–076: Von Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=113153497

Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Grohmüller 27. Januar 2023

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