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Satire

Idiotische Kettenbriefe für Leichtgläubige: Bürgermeister von Dorval

Der Bürgermeister der kanadischen Gemeinde Dorval hat einen Brief geschrieben. In diesem erteilt er einer Petition muslimischer Eltern eine Absage. In Dorval wird nun den Schülern auch weiterhin Schweinefleisch vorgesetzt. Die Muslime sollten bitte die traditionellen Gepflogenheiten ihres Gastlandes akzeptieren.
Im weiteren ist der Brief mit fremdenfeindlichen Äußerungen nur so gespickt. Islam mit gleichgesetzt mit Sharia und es folgt gleich der Aufruf: Wenn es euch hier nicht paßt, dann geht doch weg!

Edgar Rouleau

Edgar Rouleau, der Bürgermeister von Dorval hat nichts gegen Muslime

Das stößt mir, als Kenner des Landes Kanada, schon auf den ersten Blick sauer auf.
Es stellt sich mir die Frage, wo so etwas nun wieder her kommt.
Und es erinnert mich fatal an so ulfkotterische Schmunzelgeschichten, Muslime würden in deutschen Metzgereien aufs Schweinefleisch spucken, und an den „Offenen Brief einer Lehrerin„, den wir schon 2010 kritisch unter die Lupe genommen haben.

Schon auf den ersten Blick ist dieses angebliche Schreiben eines kanadischen Bürgermeisters als simpler Kettenbrief zu entlarven.
Vermutlich in den Umlauf gebracht von fremdenfeindlich gesinnten Kreaturen, die sich nun klammheimlich ins Fäustchen lachen, weil ihr Schmähfug von den Dümmsten der Dummen in fröhlicher Unbedarfheit geistigen Seins überallhin gepostet wird.
Da hinterfragt man nicht, da schickt man die Scheiße schenkelklopfend weiter.
Man glaubt halt gerne, was man glauben will.

Wer sich die Mühe machen möchte, kann hier im Stadtarchiv von Dorval die Sitzungsprotokolle des Gemeinderates nachlesen.
Und – er wird dort nichts finden!

Solche Kettenbriefe kommen selten als Textdokument daher, sondern immer als Fotodokument, da muß man nichts abtippen und kann es schön schnell, ohne nachdenken zu müssen, einfach in die Welt hinaustreten.
Es ist ja alles so einfach, da kann man seiner latent-restbraunen Gesinnung in schönster Stammtischmanier Ausdruck verleihen, ohne sich selbst die Finger schmutzig zu machen, denn das hat ja der Bürgermeister von Dorval gesagt.
Doch der Bürgermeister von Dorval wußte bis zur weiten Verbreitung dieses eindeutig gefälschten Schreibens gar nichts von seinem Glück. Denn er hat diesen Brief nie geschrieben, so wie sich der Gemeinderat von Dorval niemals zu einer dementsprechenden Aussage hinreißen ließ.
Es hätte da aber auch einfach „der Bürgermeister von Wesel“ stehen können, aber auf dessen Namen reimt sich ja bekanntlich das Wort Esel. Und Esel sind alle, die diesen Brief für bare Münze nehmen und weiterschicken.

Aber natürlich läßt sich die Quelle des Textes im Internet schnell ermitteln. Es ist die Seite von Staseve, eine nach meinem Empfinden durchaus als rechts einzustufende Seite, die, wenn ich das richtig verstehe, Weltverschwörungstheorien verbreitet und an den Fortbestand des Deutschen Reichs zu glauben scheint.
In einem Video auf YouTube wollen die Urheber dieser seltsamen Seite sogar Filmbeweise für eine -uns vorenthaltene- Akzeptanz der Deutsch-Reich-Theorie durch die UNO gefunden haben. Neben der US-amerikanischen Flagge finden sie dort eine schwarz-weiß-rote Fahne, die sie für die Flagge des Deutschen Reichs halten. Bedauerlicherweise, so steht zu vermuten, handelt es sich allerdings nur um die verkehrt herum aufgehängte Flagge Jemens oder die richtig herum aufgehängte von Obervolta.

Aber so ist das eben. Wenn man schon mit seinen kruden Ideen kein Gehör findet, weil sich jeder klar Denkende nur an die Stirn tippt, wenn er sie hört, dann greift man natürlich nach jedem Strohhalm.
Oder aber man setzt Dinge in die Welt die haltlos sind, so wie eben dieser Brief des Bürgermeisters von Dorval.

Auch bei den „lachenden Konservativen“ (laughingconservative) finden sich Auszüge aus diesem angeblichen Brief, diesmal in Englisch.
Wenigstens haben die lachenden Konservativen öffentlich zugegeben, daß ihre Meldung ein Fake, eine Falschmeldung ist und entschuldigen sich bei ihren Lesern:

UPDATE: Snopes. com, the rumor-checking site identifies this as false and originating in Belgium. Our sincere apologies to readers.

Das wird man bei staseve sicher so schnell nicht finden, denn so schönes Wasser auf die Mühlen der nazibraunen Gesinnung wird man sich nicht abgraben (lassen).

Und wenn sich dann einmal Journalisten mit diesem Thema auseinandersetzen, so wie wir es getan haben, dann zeigt sich schnell, daß der arme Bürgermeister von Dorval nur herhalten muß, weil der gleiche Brief schon im vergangenen Jahr vom Bürgermeister von Auth in Belgien versandt worden sein soll.

Ja und der Brief war auch schon als Hoax von uns enttarnt worden.

Tja, es ist ein Jammer für die Idioten und Leichtgläubigen, daß wir ihnen immer wieder den Spiegel vorhalten müssen, an dem dann der geifernde Atem des rechtsbraunen als schmierige Jauche kondensiert!

Auch eine deutsche Seite setzt sich sehr seriös mit dem Thema auseinander. Mehr dazu auf terra-gallus.de.

Dort heißt es:

Ein bisschen Skepsis – mehr will ich doch gar nicht! Ist das so schwer?
Statt das Gehirn einzuschalten und zehn Minuten einer Meldung nachzugehen, wird lieber daher gegangen und so ein Blödsinn geteilt, über die Politiker geschimpft und sich über die Lügenpresse aufgeregt. Man kann gar nicht so viel essen wie man kotzen möchte. Und das will bei mir und meinem Appetit schon was heißen. Abschließend, wie ich es auch unter diesen Post geschrieben habe: Ganz ehrlich – mir sind die Extremisten unter den Muslimen ziemlich zuwider. Aber die Idioten, die uns mit solch einem Krams versuchen aufzuhetzen, genauso.

Satire

Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde.

Üblicherweise ist Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht), vorzugsweise in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 3. Februar 2020 | Peter Wilhelm 3. Februar 2020

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