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Spitze Feder

Die da oben

Boerlki

Gäbe es sie nicht, die von der Leyens, die Söders, die Spahns, die Lindners, die Noripours, die Giffeys, die Weidels und wie sie alle heißen,…

… müsste man sie erfinden. Nichts eignet sich nämlich besser als Projektionsfläche für das eigene Unvermögen und als wohlfeile Ausrede für das eigene geistige Phlegma, als „Die da oben“.

Wer jemals in einer basisdemokratischen Soziologiestudent*:innen-WG ganz bewusst sündhaft teuren Kaffee aus nachhaltig-fairem Dingenskirchen geschlürft und sich dabei an völlig verkopften Diskussionen über die Implikationen von Rudi Dutschkes kryptisch verklausulierten Schachtelsätzen beteiligt hat, kennt den Klassiker unter den Revoluzzer-Sprüchen der linken Szene:

„Der Staat ist das Machtinstrument der jeweils herrschenden Klasse“.

Damit war doch eigentlich schon alles gesagt, und die männlichen Diskussionsteilnehmer hofften deshalb insgeheim, nach dem endlosen, ermüdenden Gelaber, möglichst bald zum originären Grund ihres sozio-intellektuellen Engagements übergehen zu können, nämlich ihr Pfauenrad zu schlagen und eine der zuckersüßen, Henna-roten Revoluzzerinnen in die Kiste zu kriegen. Ich weiß zwar nicht, ob sich Uschi Obermaier und Rainer Langhans vor, oder erst nach dem Vögeln, einen GEPA-Crema zur Gitanes genehmigten, aber die unseligen Zeiten der wilden 68er, sind ja seit 55 Jahren ohnehin Gechichte, wie Helmut selig sagen würde.

OK, heutzutage wird, nachdem die Fragen des Geschlechts und der persönlichen Neigungen via App final geklärt sind, zwar immer noch gevögelt, aber es wird vorher nicht mehr so viel herumgelabert. Denn die Millennials lieben nichts so sehr, wie Effizienz. Ein übler, stinkender Nachhall aus Zeiten, in der ein Soziopath namens José Ignacio López, das erste ökonomische Prinzip in den Rang eines Über-Evangeliums erhob und als Einkaufsvorstand von OPEL und VW, reihenweise Zulieferer erdrosselte, weil sie seinem abartigen Preisdiktat nicht gewachsen waren.

Plötzlich trugen die glühenden Excel-Zombies ihre Uhren am rechten Handgelenk, weil López in seinen harschen Bergpredigten befahl, mit sämtlichen überkommenen Gewohnheiten radikal zu brechen, vor allem, mit dem Respekt vor anderen Unternehmen. Im Krieg könne es schließlich auch keine Rücksicht geben. López bezeichnete nämlich seine, mir Gier und Doofheit vollgestopften Jünger, wie Henning Venske es wohl formulieren würde, als Krieger in einer globalen Schlacht um maximale Profite. Das ganze rotz-arrogante Eliten-Geschwätz eben.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ausser vielleicht, dass auf den Hauptversammlungen 2023 dezidiert gegendert wird. Wenn der Vorstandsvorsitzende den Aktionären die Gewinnziele des Unternehmens präsentiert und deshalb schmerzliche Einschnitte beim Personal als unvermeidlich, oder so ähnlich, muss er heutzutage nämlich penibel darauf achten, den basisdemokratischen Soziologiestudent*:innen von einst, keine Angriffsfläche zu bieten.

Könnte nämlich durchaus sein, dass einige von ihnen, nach dem langen Marsch durch die Institutionen, nun MdB sind, also quasi selbst zu denen da oben gehören und in den sozialen Netzwerken verbale Breitseiten abfeuerten, sollte ein Christian Sewing, ein Ola Källenius, ein Oliver Bäte, oder, oder, es wagen, das althergebrachte generische Maskulinum zu verwenden und lediglich von Mitarbeitern zu sprechen. Geht in Zwanzigdreiundzwanzig gar nicht!

Welchen Geschlechts diejenigen sind, die nach besagten schmerzlichen Einschnitten aufs Arbeitsamt schlurfen und am Ende de jure ihre private Altersvorsorge, oder sogar ihr Häuschen verfrühstücken müssen, spielt keine Rolle. Die GEPA-Heiligen können sich schließlich nicht um jeden Scheiß kümmern.

Die da oben … hört man vielerorts in wütenden Kommentaren. Die da oben machen doch, was sie wollen. Die da oben sind doch alle karrieregeil und machtbesessen. Die da oben denken nur ans eigene Portemonnaie und interessieren sich einen Dreck für die Sorgen der kleinen Leute.

Nur mal so ´ne Überlegung … ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

· Wer wählt denn die von der Leyens, die Söders, die Spahns, die Lindners, die Noripours, die Giffeys, die Weidels und wie sie alle heißen, immer und immer wieder in die Parlamente?

· Wer hat denn Jeff Bezos, Dieter Schwarz, Karl Albrecht, Theo Albrecht & Co zu Multimilliardären werden lassen und beklagt mit Krokodilstränen das Sterben der kleinen, vertrauten Tante-Emma-Läden um die Ecke?

· Wer ist denn nicht blöd, kauft seinen Fernseher bei den Elektronikriesen und heult herum, dass es heute keine Fachgeschäfte mit profunder Beratung mehr gibt?

· Wer sind denn die Prospekt-Junkies, die meinen, man könne tatsächlich amtliche Möbel zu Schnäppchenpreisen und 70 % Rabatt kaufen, bekäme dazu noch die Mehrwertsteuer geschenkt, und der Presspappen-Dreck sei sogar sein Geld wert?

· Wer regt sich denn via Facebook und WhatsApp über Mark Zuckerberg, dessen widerliche Datendeals und den Verlust seiner Privatsphäre auf?

Kleiner Tipp: Die da oben sind es nicht.

Bildquellen

  • boerlki: pixabay

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Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Grohmüller 6. März 2023

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