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Claas Relotius – Leni Riefenstahl, Karl May und Luis Trenker

Goldfederchen Claas Relotius hat die Leser des SPIEGELS und den SPIEGEL selbst beschissen.
Frei erfundene Geschichten sollten ihm zu weiteren journalistischen Ehren verhelfen und seinen Ruhm mit noch mehr Journalistenpreisen mehren.
Journalistenpreise: Derer gibt es rund 500 verschiedene in Deutschland. Und manchen davon zu gewinnen, ist ungefähr so wertlos wie das DLG-Gütesiegel auf der groben Leberwurst.
Relotius hatte einige der renommiertesten Preise abgesahnt und zwischenzeitlich wieder zurückgegeben, wohl um einer Aberkennung zuvorzukommen.

Kujau fälschte Hitler-Tagebücher, und der STERN fiel darauf rein. Luis Trenker fälschte die „Tagebücher der Eva Braun“ und die Zeitschrift „Wochenend“ ging ihm damals nach dem Krieg ebenfalls auf den Leim. Leni Riefenstahl fälschte, so glauben manche, ihre ganze Lebensgeschichte. Auch wenn die von ihrem ehemaligen Liebhaber Luis Trenker herbeifabulierten erotischen Nackttänze vor Stummelschnurbart Adolf Hitler auf dem Obersalzberg wohl nie stattgefunden haben, glaubt ihr zurückblickend niemand, dass sie als hochbezahlte Nazi-Regisseurin von „alledem nichts gewusst“ habe.

Karl May beharrte hartnäckig bis an sein Lebensende darauf, auch in unzähligen Prozessen, alle seine Phantastereien selbst erlebt zu haben. Sogar das bei einem Dresdner Büchsenmacher gekaufte Gewehr gab er vor Publikum immer als den absolut originalen Bärentöter aus. Kaum zu glauben, dass ihm das andächtig lauschende Publikum angesichts der geringen Körpergröße des Fabulierers von nur 162 cm abgenommen hat, es handele sich bei dem schmalen Männchen Karl May tatsächlich um den legendären Old Shatterhand, der es vermocht haben soll, jeden Menschen mit nur einem Faustschlag niederzustrecken.

Bei Karl May, so sehr ich ihn wegen seiner Erzählkunst bewundere, und bei Leni Riefenstahl, die mit ihrer Regie- und Schnittkunst Maßstäbe setzte, die nicht zu leugnen sind, ist es aber so, dass heute rückblickend bei beiden ein gewisses G’schmäckle bleibt.

Anders ist das beim Hitler-Fälscher Kujau und bei Luis Trenker. Mit einer großen Portion Selbstironie führten sie den Menschen in ihrem späteren Leben vor Augen, das jeder das glaubt, was er glauben will. Die Menschen wollen, immer auf der Jagd nach Neuigkeiten und Sensationen, doch allzu gerne beschissen werden.
Davon lebt doch schließlich die ganze bunte Blätterwelt der „Yellow Press“ mit ihren nahezu durchweg erfundenen Home-Stories und gefakten Interviews. Der schöne Schein, der kurzfristige Nervenkitzel, das ist es, was die Leute wollen. Wahrscheinlich wohl wissend, dass das alles in Wirklichkeit doch nicht ganz so ist, wie es die Märchenerzähler behaupten.

Und Claas Relotius?
Seine Lügenschmierereien sind aufgeflogen, als er sich auf dem Pfad zu einer noch steileren Karriere wähnte.
Er wird nicht bis an sein Lebensende behaupten, dass ihm großes Unrecht widerfahren sei, wie es Leni und Karl getan haben.
Er wird auch nicht mit ironischem Spott eine Zweitkarriere hinlegen, wie Luis und Konrad.
Nun gut, der Wahrheit zuliebe muss man hinzufügen, dass Luis Trenker später auch schlicht und ergreifend geleugnet hat, etwas mit den „Eva Braun Tagebüchern“ zu tun gehabt zu haben.

Aber auch diese Chance hat Claas Relotius vertan. Es ist gut, dass er alle Vorwürfe eingeräumt und die verliehenen Preise zurückgegeben hat.
Aber mehr als ein fürchterlich bitterer Nachgeschmack bleibt da nicht. Denn unterm Strich hat Relotius einfach nur dem ganzen Berufsstand der Journalisten geschadet.
In einer Welt, die krampfhaft nach Wegen sucht, um der Schwemme der „Fake News“ Herr zu werden, haben Journalisten die wichtige und wertvolle Aufgabe, die Wahrheit zu ergründen. Hofberichterstattung, wunschgemäß verfasste Artikel oder gar Fake-Artikel, die nur den Zweck haben, den eigenen Ruhm zu mehren, haben da nun wirklich keinen Platz.

Denn Relotius hat keine Fabulierromane geschrieben wie Karl May, er hat auch kein dunkles Erbe zu verteidigen/vertuschen gehabt wie Leni Rieffenstahl und Luis Trenker. Und Relotius hat auch nicht mit verbrecherischem Antrieb eine Jahrhundertfälschung hingelegt wie Konrad Kujau.
Claas Relotius hat aus Arroganz, Ignoranz und Eitelkeit einem ganzen Beufsstand schweren Schaden zugefügt.

Foto: Von Невідомо – Leni Riefenstahl S.O.S. Iceberg (Germany) 1933 Universal, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30065549 (Crop)

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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 17. September 2020 | Peter Wilhelm 17. September 2020

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