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Spitze Feder

Wolfgang hat fertig

„Kohl bläht, aber er ernährt den Mann“. Diese kulinarisch einfache Weisheit verdankt die Aphorismen-Sammlung der Deutschen Leitkultur einem Mann, dessen politisches Œuvre, dessen Name, dessen massige Physis und dessen Lieblingsgericht geradezu bildlich repräsentieren, was man, vornehm ausgedrückt, mit Flatulenz bezeichnen könnte. Ganz zu schweigen von den unzähligen skurrilen Verbalübungen, mit denen der Oggersheimer über vier endlos erscheinende Legislaturperioden als Bundekanzler die Republik wie die Journaille in Atem hielt, oder auch verwirrt zurücklies.

Seit Kohl im Ruhestand weilt und von seiner misanthropischen Gouvernante Maike aufs Heftigste von der Aussemwelt abgeschirmt wird und man somit nichts mehr hört von dem begnadeten Amokschwafler, haben sich seine ehemaligen christdemokratischen Mitstreiter redlich bemüht, die schmerzhafte Heißluft-Lücke zu füllen.

Allen voran das Bergisch Gladbacher Urgestein Wolfgang Walter Wilhelm Bosbach. Wer sich mit fragwürdigen „Formaten“ wie Sabine Christiansen, Anne Will, Frank Plasberg und Maybrit Illner regelmäßig einer Magenübersäuerung ausgesetzt hat, wird den Mann kennen. Im Gegensatz zu Kohl, der den Pfälzer Saumagen am liebsten zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben sehen würde und seine mundsprachliche Heimat stets glücklos bis peinlich zu verbergen suchte, spricht Wolfgang von Haus aus zumindest so gut Deutsch, dass man seinen typisch Singsang aus dem Bergischen Land als nettes Lokalkolorit immer wieder gerne hört.

Was ihn am Altkanzler jedoch spielend vorbeiziehen lässt, ist seine Eloquenz bei der Formulierung von…nichts. Bosbach kann in einer politischen Talk-Show stundenlang fabulieren, ohne auch nur ansatzweise etwas zu sagen, und dies völlig unabhängig von jedem Thema. Sein Repertoire und seine traumwandlerische Sicherheit, mit professioneller Gestik und schelmischer Mimik jegliche konkrete Aussage elegant zu umschiffen, sind beinahe schon legendär. Deshalb ist Bosbach auch unverzichtbarer Dauergast in den bereits erwähnten einschlägigen Schwafelrunden. Zum einen, weil er eben ein Studio in kürzester Zeit mit Unmengen an Worthülsen füllen kann, dabei aber, zum zweiten, nie in Gefahr läuft, die Kanzlerin oder den Fernsehrat der jeweiligen Sender mit Statements jenseits des Mainstreams zu kompromittieren.

Seine verbalen Nichtigkeiten waren stets feinsinnig und liebenswürdig formuliert. Seine gelegentlich harmlos in Szene gesetzte Rebellion gegenüber der Kanzleien, wie beispielsweise bei der Diskussion um die Griechenlandhilfe, erlebten wir als wohldosiertes, aber völlig ungefährliches laues Lüftchen, niemals beleidigen; und so konnte Merkel das Werk des feinen Querdenkers auch öffentlichkeitswirksam als erfrischende und lebendige Diskussion innerhalb der Union darstellen.

Jetzt hat Wolfgang Walter Wilhelm Bosbach angekündigt, dass er 2017 nicht mehr zur Bundestagswahl antreten wird. Das muss jetzt nicht unbedingt heißen, dass man bei den ganzen Politiksimulationen nach den Tagesthemen nun zwangsläufig auf seine geschätzten Beiträge verzichten muss. Das hat er so nicht gesagt. Aber was Merkel und ihre Lakaien betrifft, da hat er sich festgelegt. Er mag nicht mehr. Er ist sich jetzt sicher, dass er auf der Leiter nach oben die letzte Sprosse schon lange erreicht hat. Nix mit Brüssel, als Kommissar für egal was, aber für über 20 Riesen im Monat. Ohne dass er konkret etwas zu diesem Thema gesagt hätte, tut er ja nie, wissen wir trotzdem: Wolfgang hat fertig.

Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 3. Februar 2020 | Peter Grohmüller 3. Februar 2020

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