„Schnee-Chaos“ und „Horror-Winter“: Die zunehmende Dramatisierung der Wetterbericht-Erstattung durch die Digitalisierung des Journalismus
Ich verstehe ja vieles, was sich heute so abspielt, schon lange nicht mehr. Man mag das meinem vorgerückten Alter zuschreiben und man mag mir auch eine gewisse mangelnde Bereitschaft unterstellen, mich auf jeden Dünnpfiff noch einzulassen.
Auf der anderen Seite habe ich aber die Erfahrungen aus vielen Jahrzehnten auf der Habenseite und konnte eben auch aufgrund des Alters viel lernen, miterleben und daraus meine Schlüsse ziehen.
Hammer: Wetter hat eine Überraschungskomponente
Ich will es mal so sagen: Wetter gab es schon immer. Und Wetter hat sich schon immer geändert. Mal hat es geregnet, mal war es sonnig. Ich kann mich auch an Schnee erinnern. Sogar windige Tage, stürmische Tage und Nächte und Unwetter sind in meiner Erinnerung verhaftet.
Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es beim Wetter für nichts eine Garantie gibt. Keine Bauernregel, kein Mondkalender und auch keine Wettervorhersage kann uns davor schützen, dass es dann doch ganz anders kommt, als wir es erwarten, als uns erzählt wurde und als wir es gerne hätten.
Ja und weil das so ist, kann man vom Wetter ganz schön überrascht werden. Ja, ich versteige mich sogar in die Behauptung: Wetter hat eine Überraschungskomponente.
Journalisten ohne Wetter-Erfahrung?
Doch wenn ich mir die Berichterstattung über das Wetter der vergangenen Monate und Wochen anschaue, dann wundere ich mich. Denn diese Erkenntnisse, dass es a) so etwas wie Wetter überhaupt gibt, dass es b) auch ’schlechtes‘ Wetter gibt und c) dass Wetter per se Überraschungen in sich birgt, scheinen nicht bei allen Berichterstattern in ausreichendem Maße vorhanden zu sein.
Die Wetterberichterstattung, die uns tagtäglich mit Informationen über bevorstehende Wetterphänomene versorgte, scheint in einem neuen Extrem angekommen zu sein. Von „Schnee-Chaos“ bis zu einem „Horror-Winter“ reichten die Schlagzeilen, die durchaus mehr Angst als Aufklärung verbreiteten. Doch was steckt hinter dieser zunehmenden Dramatisierung?
Dabei ist es so einfach: Frühling, Sommer, Herbst und Winter
Also, wir haben vier Jahreszeiten, wenn man nicht gendert. Da gibt es den Frühling. Dieser ist durch das Aufblühen der Natur, langsam steigende Temperaturen und eine gewisse Heiterkeit geprägt. Jeder weiß, dass der Frühling aber keinesfalls nur schöne, sondern immer auch noch viele kühlre und feuchte Tage hat.
Dann kommt der Sommer. Das ist die Jahreszeit, in der wir viel Sonnenschein, heiße Tage und auch lange Tage erwarten, und in der wir für gewöhnlich auch in Urlaub fahren. Aber auch hier wieder muss jedem, der sein Gehirn in Betrieb hat, durchaus klar sein, dass wir es hier mit einer Beschreibung zu tun haben, die sich auf eine Mehrzahl der Tage, aber keineswegs auf alle Tage beziehen kann. Denn auch im Sommer kann es durchaus viele regnerische, windige und mitunter kühle Tage haben.
Der Herbst ist vom Rückzug der Natur geprägt, die sich auf den saftlosen Winterbetrieb einstellt. Meist ist der Herbst wettermäßig viel besser, als es ihm nachgesagt wird. Dennoch erwarten wir insgesamt ein eher durchwachsenes Wetter. Im Winter hingegen dürfen wir mit Niederschlägen, Schnee, Glatteis und Kälte rechnen.
Also ist der Winter die kälteste der vier Jahreszeiten und bringt naturgemäß niedrige Temperaturen, Schnee und Eis mit sich. Doch die Wetterbericht-Erstattung der letzten Zeit suggeriert, dass dies ein ganz besonders außergewöhnliches Ereignis sei. Um dieses Phänomen zu verstehen, ist ein Blick auf die Entwicklung der Wetterbericht-Erstattung und die Rolle der Digitalisierung im Journalismus erforderlich.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) führte eine Untersuchung durch, die den Rückgang der Schneetage in den letzten 60 Jahren dokumentiert. Insbesondere in niedrigeren Höhenlagen wurde ein drastischer Rückgang um 65 Prozent im Jahr 2021 im Vergleich zu 1961 festgestellt. In höheren Lagen über 700 Metern war der Rückgang mit 30 Prozent weniger ausgeprägt. Der DWD resümiert, dass es, mit wenigen Ausnahmen, tatsächlich früher mehr Schnee gab.
Chaos, Horror – Das Drama zielt auf Klicks ab
Die Berichterstatter scheinen jedoch dieses Wissen zu ignorieren und stattdessen auf dramatische Schlagzeilen zu setzen. Dieser dramatische Tonfall hat seinen Ursprung in den Herausforderungen, vor denen die Verlage im Zeitalter der Digitalisierung stehen. Die Suche nach einer finanziellen Grundlage für den digitalen Journalismus gestaltet sich schwierig. Paywalls schrecken viele Leser ab, also bleibt die Werbefinanzierung als Alternative. Ja und damit möglichst viele Leute die Online-Publikationen lesen, müssen die Journalisten alles tun, um viele Leser neugierig zu machen. Hier setzt die Dramatisierung an.
Eine Schlagzeile wie „5 Zentimeter Neuschnee erwartet“ erzeugt keine Aufmerksamkeit, sondern beschreibt das, was normal und zu erwarten ist; es ist ja schließlich nunmal Winter.
Aber eine Überschrift wie „Horror-Winter: Schnee gefährdet Pendler“ verspricht deutlich mehr Klicks. Diese Entwicklung, getrieben von der Notwendigkeit, in einem überfüllten Online-Journalismus-Terrain zu überleben, führt dazu, dass die Wahrheit im Namen der Sensation oft verzerrt wird.
Die Glaubwürdigkeit des Journalismus steht auf dem Spiel
Meiner Meinung nach ist das nur ein Beispiel für schlechten Journalismus. Das einstige Alleinstellungsmerkmal der Boulevardmedien wie der BILD-Zeitung ist nun auch bei renommierten Tageszeitungen und überregionalen Medien zu beobachten. Doch die Glaubwürdigkeit der Medien ist in Zeiten politischer Radikalisierung essenziell. Die „vierte Gewalt“ in Form des Journalismus spielt eine Schlüsselrolle in der Aufdeckung von Missständen und der Informationsvermittlung.
In einer funktionierenden Gesellschaft ist eine zuverlässige Berichterstattung das Rückgrat. Journalisten haben die Aufgabe, Missstände aufzudecken und die Öffentlichkeit sachlich zu informieren. Dies gilt auch für die Wetterbericht-Erstattung. Wenn jedoch Medien ihre Leserinnen und Leser in die Irre führen, nur um Klicks zu generieren, geht dies auf Kosten der Glaubwürdigkeit.
- horror-schnee: KI generiert, Peter Wilhelm
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