Heute Morgen, es war kurz vor Acht, begann unter unserem Schlafzimmerfenster jemand zu brüllen, wie am Spieß.
Sekunden später gesellte sich eine zweite Stimme hinzu. In dem für diese Gegend tyischen Kauderwelsch brüllten sich zwei Männer an.
So ähnlich stelle ich es mir vor, wenn sich zwei Menschen treffen, die einen großen Groll gegeneinander hegen und sich voller Wut und in voller Lautstärke ihre Meinung sagen, sich also streiten.
Nicht so in diesem Fall.
Hier unterhielten sich zwei Leute ganz normal.
Der eine war mit dem Fahrrad unterwegs, um in der kühlen Luft des Morgens seine täglichen Besorgungen auf dem Friedhof zu erledigen und der andere saß, wie es sich für einen ordentlichen badischen Rentner gehört, schon mit seiner Frau beim Frühstück.
Der Radfahrer hatte dann beschlossen, zu gucken, ob der Franz schon wach ist, kam hierher geradelt und blökte dann vom Gehweg nach oben in Richtung Küchenfenster:
„Fronz, bischu do?“
Das soll soviel heißen wie: „Franz, bist Du da?“
Diese Frage an sich beinhaltet ja zwei Optionen. Im Falle der ersten Option wäre Franz nicht da, würde also folgerichtig auch keine Antwort geben können, das würde dann den Radler dazu bringen, noch zwei bis drei Mal zu rufen und dann möglicherweise noch zu pfeifen. Es bestünde aber durchaus die Möglichkeit, daß irgendein anderer Rentner, das wohlgemeinte Gesprächsangebot annimmt und aus einem völlig anderen Fenster seinen Morgengruß hinunterbrüllt.
Im Falle der zweiten Option ist Franz da, kommt ans Fenster und brüllt hinunter:
„Hajo bin isch do. Wäscht doch, mer stehe frih uff! Warsch uffem Friedhof?“
Der tatsächliche Inhalt der obigen Zeile und des nun folgenden etwa zwanzigminütigen Dialogs ist vollkommen ohne Belang. Er dient nicht dazu, wirklich Informationen auszutauschen, sondern erfüllt allenfalls den Zweck des gegenseitigen Beschnüffelns oder von wildem Tiergebrüll, das besagen soll: „Wir leben noch!“
Ich hab mir jedenfalls mal eine Wasserpistole von den Kindern ausgeborgt und auf die Fensterbank im Schlafzimmer gelegt.
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