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Preiswert, Preis wert?

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Bei meinem letzten Besuch auf amerikanischem Boden saßen wir abends so in netter Runde und John erzählte von seinem Country Club in dem er für 200 Dollar im Monat Golf spielt und auf Tontauben schießt. Cliff erzählte von seiner Gehaltserhöhung von 700 auf 1.000 Dollar in der Woche und Polizist Henry erzählte, daß er mit seiner Arbeit 36.000 Dollar im Jahr „macht“. Am gleichen Tisch saßen noch ein Schönheitschirurg und der Inhaber eines Modelabels, die ebenfalls von ihren geschäftlichen Erfolgen in Zahlen berichteten.
Das Ganze geschah völlig unverkrampft und soweit ich das beurteilen kann auch völlig neidlos.

Fragen Sie doch einmal Ihren Nachbarn, was er verdient!

Uuuh, für einen Deutschen undenkbar, daß irgendjemand erfahren könnte, wieviel jeden Monat überwiesen wird. Das wäre ja fast so, als müsse man nackt herumlaufen und jeder könnte einen angucken.

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Dafür sind die Deutschen auf Preise gedrillt. Da kann man jeden auf jeden beliebigen Gegenstand der Unterhaltungselektronik oder des Hausrates ansprechen, er wird sofort wie aus der Pistole geschossen sagen können, was dieser Gegenstand gekostet hat und was er für ein Schnäppchen damit gemacht hat.

Etwas günstig zu kaufen, möglichst günstiger als es der Nachbar getan hat, das ist inzwischen des Deutschen liebster Volkssport.
„Geiz ist geil“ und „Ich bin doch nicht blöd“ tönen die „Mütter aller Schnäppchen“ und verheimlichen, daß bei ihnen bei weitem nicht alles so billig ist, wie sie behaupten und daß oft auf dem Markt als veraltet geltende Ware in großen Mengen zum Schnäppchenpreis losgeschlagen wird. Auch machen minimale Typenabweichungen der Hersteller, extra produziert für diese Läden, den Preisvergleich letztlich unmöglich.

Alle unterhalten sich nur noch über den Preis von Dienstleistungen und Waren und keiner fragt mehr nach dem Wert.

Da kommt der Heizungsmann und wartet unsere Heizung. Ich überweise ihm sein Geld und beide Seiten sind glücklich und zufrieden. Er hat eine gute Arbeit abgeliefert und ich habe ihm dafür gutes Geld bezahlt.

Ein Bekannter hört davon und kann es gar nicht glauben, daß ich so blöd war, hierfür eine so teure Firma kommen zu lassen. Da gäbe es doch andere Firmen, die so etwas viel billiger machen.
Die Frage ist aber doch, was mir die Arbeit meines Heizungsmannes wert ist. Letztlich läßt sich das alles auf die Kurzformel umbrechen und zusammenkürzen, wie ich diesen Menschen und seine Arbeit wertschätze und respektiere.
Dieser Mann hat eine umfangreiche Ausbildung gemacht, trägt ein großes unternehmerisches Risiko und hat neben dem kleinen Teil, der ihm von meinem Geld bleibt, noch einen Haufen steuerlicher und sozialer Verpflichtungen. Dafür liefert er eine ordentliche Arbeit ab, fachmännisch ausgeführt, mit Ersatzteilen, die er bevorraten muß und mit einer Gewährleistung für seine Arbeit.
Er hat mir seine Zeit geopfert, sein Wissen und sein Können eingebracht und dafür zolle ich ihm Respekt und zeige ihm auch meine Wertschätzung.

Klar, ich hätte das alles irgendwie, irgendwo von irgendwem billiger haben können. Diese Teile bekomme ich auch im Baumarkt und irgendwer hätte sie vielleicht sogar „schwarz“ eingebaut. Oder eine Firma, die ich nicht kenne, von der ich nicht weiß, ob sie die erforderliche Qualifikation hat und der ich letztlich nicht vertraue, hätte mir das um 20 % günstiger erledigt…
Aber was hat das mit Respekt und Wertschätzung zu tun?

Erwarte ich nicht auch auf der anderen Seite, daß die Menschen meine Arbeit respektieren, mich respektieren und mein Tun wertschätzen?

Wie ist es vor diesem Hintergrund zu beurteilen, wenn mir jemand stolz erzählt, er sei doch ein besonders cleverer Sparfuchs, weil er sich stets im örtlichen Fachhandel beraten lasse, um die Artikel dann aber im Billigmarkt einzukaufen?
Das ist in meinen Augen nicht clever, sondern einfach nur frech und gemein.

Ich bin nicht so realitätsfern, und ich habe auch nicht so viel Geld, als daß ich mich nicht auch nach dem Preis orientieren müsste, wenn es um Neuanschaffungen geht. Auch bei Handwerkern und Dienstleistern muss ich schauen, wer das günstig macht.
Aber in erster Linie entscheide ich nicht allein nach dem Preis, sondern danach, wie bequem das Ganze für mich ist, wie hochwertig der Service ist und nach dem Motto „Jede Mühe verdient ihren Lohn“.

Es gibt Dinge, die sehe ich einfach nicht ein und es gibt Dinge, bei denen ich gerne noch was drauflege.
Mein Brötchenlieferdienst zum Beispiel… Ich mag es, daß Freitag bis Sonntag morgens die frischen Brötchen an meiner Türklinke baumeln. Das tun sie in einer Papiertüte und in einem dünnen Plastiktütchen. So hängen sie da, bis wir sie reinholen und so wollen wir das haben.
Der Betrag für die Brötchen wird bequem abgebucht und gut ist es. Mehr will ich mit dem Thema Brötchen nicht zu tun haben. Das ist bequem, das ist eine schöne Dienstleistung und ab und zu nutze ich die Möglichkeit, auf der Homepage des Lieferdienstes „meinem“ Brötchenmann ein Trinkgeld zukommen zu lassen.

Jetzt ist es aber draußen kalt und in regelmäßigen Abständen nervt mich die Brötchenfirma mit Zetteln, Mails und Hinweisen, ich solle doch bitte eine Thermotasche, eine Kühlbox oder einen Isoliereimer rausstellen, damit die Brötchen schön frisch bleiben und der Liefermann nicht mit kalten Fingern die Papiertüte noch in eine Plastiktüte stecken muss.

Das ist aber so eine Sache… Ich habe diesen Dienst bestellt, weil ich es bequem haben möchte, ich zahle also quasi für meine Faulheit. Mit anderen Worten: Ich nehme es hin, daß ich einen bestimmten Betrag mehr bezahle, damit ich nicht frühmorgens zum Bäcker laufen muss. Für diese gute Dienstleistung zahle ich gerne, respektvoll und wertschätzend.
Jetzt aber an verschiedenen Wochentagen abends immer daran denken zu müssen, eine Isolierbox rauszustellen, diese an den anderen Tagen wieder wegzuräumen und deshalb auch permanent vom Dienstleister angenervt zu werden, daß ist mir einfach zu viel. Das bringt mich fast dazu, diesen Dienst wieder abzubestellen…

Die Frage ist immer auch, ob dieser Dienst, diese Dienstleistung ihren Preis auch wert ist. Es ist manchmal einfach permanent auf der Kippe. Bei aller Wertschätzung und bei allem Respekt ist es manchmal so, daß die Art und Weise und der Umfang der Dienstleistung auch mal gerade so ihren Preis wert ist. Ganz subjektiv und ganz persönlich nach meinem Empfinden. Und wenn dann die Dienstleistung auch nur etwas an Qualität verliert, dann war es das für mich, dann nutze ich das lieber nicht mehr und das hat dann nichts damit zu tun, daß ich auf einmal Geiz geil finde.

Mir braucht beispielsweise keiner kommen und erzählen, das Essen in den Restaurants sei viel zu teuer. Einmal abgesehen von Spitzenlokalen mit Spitzenpreisen…
Wenn ich in die METRO fahre und mir die Preise für die Waren anschaue, die Gastwirte so kaufen, dann frage ich mich, wie die überhaupt ein Schnitzel mit Beilage und Salat für unter 10 Euro auf den Teller bringen können. Ich weiß nämlich, was Pacht, Löhne und Nebenkosten so verschlingen.
Nein, das zahle ich gerne, wenn der Teller ausreichend voll ist, das Essen gut schmeckt und ich anständig behandelt werde.
Ich kann das weder mit dem Essen zu Hause vergleichen, noch mit dem Preis für irgendwelche Fertigprodukte aus der Tiefkühltruhe. Im Restaurant zahle ich letztlich auch wieder dafür, daß ich zu faul bin, mir zu Hause selbst was zu machen. Ich bezahle also für die Bequemlichkeit und anerkenne durch meine Bezahlung auch die Leistung des Wirtes/Koches.

Wenn ich aber beispielsweise in einer Kneipe ganz deutlich schlecht behandelt werde, oder mich auch nur schlecht behandelt fühle, weil der Gastwirt ein unhöflicher Pfropf ist, dann muss er einfach auf meinen Besuch verzichten. Das wird ihm, wenn man ihn fragte, nichts ausmachen, er habe ja noch so viele andere Gäste… Aber so wie ich, so denkt letztlich jeder, auch wenn er es vielleicht nicht so formuliert. Aber tatsächlich stimmen die Leute mit den Füßen ab und auf lange Sicht wird diesem Gastwirt im Verlaufe der Zeit sein Geschäft wegbröckeln.
Das fängt schon damit an, wenn der Wirt oder die Wirtin ganz offensichtlich seine/ihre Gäste nicht wertschätzt. Das kann man beispielsweise daran erkennen, daß nur wenige anwesende Gäste mit einem lautstarken Fernsehprogramm berieselt werden, das offensichtlich nur der Gastwirt genießen will. Oder daß er die Gäste von der einen Seite mit TV-Lärm und von der anderen Seite mit Musik berieselt. Hier ist doch erkennbar, daß dem Wirt seine Gäste im Grunde vollkommen egal sind, es geht ihm gar nicht darum, ihnen eine schöne Zeit zu bescheren, sondern er will, daß sie trinken und essen und vor allem bezahlen.
Wenn der Wirt nur eine Sorte Knackwürstchen auf der Karte hat und ein Gast sich, wie hier üblich „Wienerle“ bestellt, dann ist es genauso unnötig, wie unhöflich, als Wirt nun darauf herumzureiten, daß man nur Bockwurst im Angebot habe, vor allem dann, wenn dieser Gast schon dutzendmal eben genau diese Bockwürste gegessen und stets als Knackwurst oder Wienerle bestellt hat.
Wenn man eine Cola bestellt, dann will man eine Cola. Wollte man irgendetwas Spezielles, also zum Beispiel eine Cola-light, dann würde man das sagen. Es ist also völlig unangebracht, daß der Wirt sich bei der Bestellung einer Cola mit absolut gespielt verständnislosem Gesicht hinstellet und fragt: „Cola, Cola-light oder Cola-zero?“
Fakt ist, daß der Wirt bzw. die Wirtin diese Kneipe betreibt, um damit Geld zu verdienen. In allerletzter Konsequenz bleibt also wirklich nichts anderes übrig, als sein Wunsch, daß die Gäste essen und trinken und bezahlen.
Damit sie aber zu ihm kommen und ausgerechnet bei ihm essen und trinken, muss der Wirt auch etwas tun. Er muss den Gästen einfach eine schöne Zeit bieten. Genau das ist der Grund, warum Gäste das alles wertschätzen und bei ihm mehr für die Getränke bezahlen, als beim Getränkehändler.
Und selbst wenn der Wirt ein misanthropischer Stinkstiefel ist, der nur dann gute Laune zeigt, wenn ihm persönlich ausnahmsweise mal danach ist, wäre es sein Job, IMMER freundlich und nett zu sein, um den Gästen eben die schöne Zeit zu schenken. Es ist seine Wertschätzung und sein Respekt den Gästen gegenüber; und dazu gehört mehr, als nur exakt, korrekt und nicht unhöflich zu sein. Letztlich zahlen die Gäste seinen Lebensunterhalt.

 

 


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Deshalb stehen rund 2.000 Artikel in dieser Rubrik hier. Nach und nach, so wie ich die Zeit finde, räume ich hier auf.

Lesezeit ca.: 12 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 6. Februar 2012 | Revision: 26. November 2012

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