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Geschichten

Milchschmodder am entnervten Kellner

Abends mal eben mit zwei Freunden etwas essen gehen. Eigentlich etwas völlig Normales und Unspektakuläres, dachten die Allerliebste und ich.
Freundin Zausel hatte ein Restaurant in Neckarhausen vorgeschlagen, das erst neulich seinen Besitzer gewechselt hatte. Die Allerliebste und ich trafen gegen 18.15 Uhr ein und saßen dann erst einmal so an die 15 Minuten unbeachtet herum, bis der Kellner erstmals Notiz von uns nahm. „Komme gleich!“ hieß es und es vergingen wieder 10 Minuten bis er unsere Getränkebestellung aufnahm.

Jetzt muß man sich das so vorstellen: Mit gezücktem Bleistift und Wirteblock steht das Männlein mit gereckter Brust am Tisch und schaut einen, mit dem Stift zappelnd erwartungsvoll an. Gut, zwei Getränke sind schnell bestellt und irgendwann etwas später hat dann jemand anders vom Serviceteam auch das Bestellte gebracht.
Von Speisenkarten, obwohl ich darum bat, keine Spur.
Gegen 18.40 kamen dann Zausel und ihre Mutter und sofort, die beiden hatten ihre Jacken noch nicht abgleget und sich noch nicht gesetzt, stand das Männlein mit gezücktem Stifte wieder da und wollte gerne eine Bestellung hören. „Dürfen wir uns erst mal richtig setzen? Und haben Sie eine Karte?“

Jawoll, der Mensch brachte dann auch zwei Karten, für die zuletzt Gekommenen und die Allerliebste und ich hatten immer noch keine.
Das fiel dann einige Minuten später auch dem Kellner auf und immerhin schaffte er es, eine (!) weitere Karte zu bringen. Die hatte ich aber noch nicht einmal aufgeschlagen, da wollte er, wieder mit gezücktem Stift, unverzüglich wissen, was ich denn nun zu essen wünsche.
„Darf ich eben noch gucken, was es alles gibt?“ lautete meine Frage und das Männlein nickte freundlich und verschwand.
Und verschwunden blieb er auch dann. Und zwar für mehr als 45 Minuten, in denen viel später gekommene Gäste ihre Essen serviert bekamen, andere Tische bedient wurden und Geschirr abgeräumt wurde.

Irgendwann, unser Hunger war schon enorm, kam der Stiftzücker dann, nahm die Bestellungen auf und die Allerliebste wagte es Wurstsalat mit Bratkartoffeln zu bestellen.

„Ui, das geht jetzt nicht, wegen der Küche, wegen der Pfanne, wenn Sie Pommes nehmen würden, wäre mir das lieber.“

Ja klar, die Allerliebste will keine Diskussionen und bestellte dann eben Pommes. „Und was möchten Sie?“ wollte der Stiftzücker von mir wissen. Ich? Ich wollte ein Rumpsteak mit Bratkartoffeln und siehe da, ohne mit der Wimper zu zucken, waren Bratkartoffeln bei mir auf einmal überhaupt kein Problem. „Ach, wenn Sie Bratkartoffeln wollen, dann kann ich Ihrer Frau auch welche bringen.“

Häh?

So zwanzig Minuten hat es gedauert bis das Essen serviert wurde, ohne Besteck… Das kam dann etwas später nach. 

Über die Qualität des Essens kann man nichts sagen. Alles war einwandfrei, ein paar Gewürze hätten nicht geschadet, den Kellner bekam man nicht mehr zu fassen, um sich wenigstens Salz und Pfeffer bringen zu lassen. Waum der Küchenchef mitten ins Rindersteak einen Zweig frischen Rosmarin steckt, bleibt mir schleierhaft, ich will solchen Firlefanz nicht.
Aber wie gesagt: Das Essen war okay.

Während des Essens und danach, man hatte mindestens eine Stunde Zeit, bis sich der Kellner mal wieder kümmerte, konnte man wunderschön beobachten, wie dieser Mann absolut überfordert, mit den nur rund 15 Gästen überhaupt nicht zurecht kam. Da flogen vor Zorn auch schon mal die Bestellblöcke an die Wand, ein Tablett wurde zornig auf den Boden geworfen und man merkte, daß die Stimmung im dreiköpfigen Serviceteam immer angespannter wurde. Das völlig entnervte Gesicht des Kellners, ein schimpfender Koch und eine stoisch einschenkende Thekendame waren dem „Ansturm“ einfach nicht gewachsen; und dabei war es ein ganz normaler Freitagabend mit wirklich nicht überragend vielen Gästen.

Einen Nachtisch hätte ich so gerne noch gehabt, einen Kaffee hätte ich noch gewollt, Getränke hätten sich die anderen gerne noch bestellt. Man traute sich aber gar nicht und außerdem kam der Kellner sowieso nicht mehr.

Aber doch! Da war er auf einmal, nahm endlich, nach über einer Stunde, mal den ersten Teil des leeren Geschirrs mit. Ich will ihm noch den Salatteller geben, auf dem sich noch die ganzen Salatblätter tummeln. Ich kann es nicht verstehen, daß man es in manchen Restaurants nicht begreuft, daß die Gäste nicht die halbe Feldvegetation am Stück essen wollen. Salat macht man in gabeltauglicher Größe und legt keine ackergroßen Blätter auf den Teller. Was soll das denn? Und außerdem muß ich mal sagen, daß ich es Scheiße finde, wenn ein Kellner einen ewig lange auf den Salat warten lässt und dann hektisch den Salat vorbeibringt, weil sofort danach auch schon das Hauptgericht serviert wird.

Da stehen die dann mit den heißen Tellern am Tisch und gucken Dich regelrecht vorwurfsvoll an, weil Du noch mit dem eben erst gebrachten Salatteller den ganzen Platz auf dem schmalen Tischlein belegst, wo doch jetzt schon das Hauptgericht da ist…

Diese Hektik, dieser entnervte und überforderte, aber durchaus nicht unfreundliche Kellner, die Beschwerden von anderen Tischen ringsherum…
„Ich wollte eine Apfelsaftschorle und keine Apfelweinschorle, ich trinke keinen Alkohol.“
„Ich wollte eine süße Weinschrole, keine saure.“
„Wir wollten Pommes, warum kriegen wir Bratkartoffeln?“
„Wie lange dauert das noch mit dem Eis?“

…das nimmt einem schon die Ruhe und Gemütlichkeit.

Was uns  alle aber am meisten gestört hat, ist die Tatsache, daß die Küchentür die ganze Zeit offen stand. Da der Gastraum etwas höher auf einer Empore liegt und der Raum bis zum Giebel offen ist, zog permanent ein Duft nach Frittenöl und Schnitzel durch den Raum, sodaß anschließend unsere Kleidung, die Haare und die Haut nach Fett und Küche gerochen haben. Eklig.
Entweder hat der Lüftungsabzug völlig versagt oder war nicht in Betrieb.

Von dieser Empore hat man einen wirklich guten Blick auf die Theke und in Teile der Küche. So hatte man wenigstens sein Comedy-Programm…
Was mir sehr negativ aufgefallen ist: Zum Aufschäumen der Milch für Kaffeegetränke, wird H-Milch in ein Gefäß gegeben und mittels einer Milchaufschäumerdüse dann aufgeschäumt. Leider wird dieses Düsenrohr vor und nach der Benutzung nicht abgewischt. Weißer Milchschmodder hängt an der Düse und die kommt dann wieder in die frische Milch und auch der neue Schmodder bleibt einfach dran. Das ist ein Herd für Bakterien…

Nee, ich glaube, da gehen wir nicht mehr hin. 

Geschichten

Der erfolgreiche Buchautor Peter Wilhelm veröffentlicht hier Geschichten, Kurzgeschichten, Gedanken und Aufschreibenswertes.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 8. März 2018 | Peter Wilhelm 8. März 2018

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