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Spitze Feder

Jetzt muss Schluss sein: Wir finanzieren den pompösen Kirchenstaat

dom koeln

Ende Legende

Die komplette Finanzierung des deutschen „Kirchenstaates“ läuft über die allgemeinen Steuereinnahmen, mit der kruden Begründung, dass die Fürstbistümer und Fürstabteien schließlich vor ca. 200 Jahren enteignet wurden und deshalb (heute?) noch Entschädigungen bezahlt werden müssten.

merkbefreit mit dem Schlabberlatz um den Hals

Es gibt ja viele Legenden. Manche sollen sogar richtig fromm sein – fromme Legenden eben. Beispielsweise die Legende von dem exorbitanten Eisengehalt im Spinat. Sie ist zwar jetzt weniger fromm, hält sich aber dennoch hartnäckig, und dies seit Äonen. Jede neue Generation wächst damit auf und leidet still darunter, eingepfercht in einen Hochstuhl mit Schlabberlatz um den Hals.

Aber sie ist schlicht weg falsch, denn bei der Katalogisierung von Nährwerten, ist einer Assistentin beim Diktat ein profaner Kommafehler unterlaufen. Die grüne Pampe mit dem Feldbusch-Geblubber enthält nur 10% der ursprünglich notierten Eisenmenge. Aber Spinat ist nun mal gesund, da ist nämlich unheimlich viel Eisen drin, musst Du wissen. Also: Schwamm drüber.

Noch ein Ammenmärchen

Dann gibt es unter den Myriaden von Legenden noch jene über die mathematische Dysfunktionalität bei Milchmädchen und über den prekären materiellen Status der Nager-Spezies Mus Musculus Ecclesia (vulgo Kirchenmaus).

Ich habe zugegebenermaßen mit einem Milchmädchen noch nie über den Logarithmus Naturalis diskutiert; ich kenne nicht einmal ein Milchmädchen. Insofern muss ich die Aussage, Milchmädchen könnten nicht rechnen, unkommentiert stehen lassen.

Aber die Geschichte mit der legendären Armut der Kirchenmäuse ist definitiv falsch, denn der unermessliche Reichtum der Kirchen hierzulande ist zwar alles andere als fromm, aber wiederum legendär, und da wird sich der eine oder andre nahrhafte Krümel hinter dem Altar, oder in der hochwürdigen Dienstwohnung schon finden.

Nein, ich möchte mit diesem Beitrag keine Neiddebatte auslösen. Ich möchte lediglich auf die Legende, die die notwendige Finanzierung der Kirchen via Kirchensteuer in der Bundesrepublik umrankt, in ein differenziertes Licht werfen.

Von meinen Steuern werden Milliarden zweckentfremdet

Ich zahle für meinen Wagen Kfz-Steuer und Versicherungssteuer, quasi von Haus aus. Wenn ich die Kiste bewege, zahle ich über den Spritpreis auch noch Mineralölsteuer und als saures Sahnehäubchen Mehrwertsteuer. Damit habe ich ja vorab (noch) kein Problem. Denn die Straßen die ich benutze, die Ampeln, vor denen ich warten muss, das ganze Brimborium, das man allgemein als Infrastruktur bezeichnet, kostet ja nicht zu knapp. Dass von den genannten Steuern Milliarden zweckentfremdend werden, ist zwar eine Sauerei, steht aber auf einem anderen Blatt.

Die Mär von der Wohltätigkeit

Bei der Kirchensteuer und deren zweckdienlicher Entrichtung sieht die Sache völlig anders aus. Nun ja, denkt der unbedarfte Bürger, schließlich unterhalten die Kirchen Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Missionen. Dann gibt es noch die kirchlichen Hilfsorganisationen und, und, und. Das kostet alles immens viel Geld. Das muss man doch verstehen, wenn man über die Kirchensteuer diskutiert. Muss man das? Die kausale Verbindung von Kirchensteuern mit Wohltaten ist die frommste aller Lügen, pardon, ich wollte natürlich sagen: Legenden. Das Ganze hat einen derart seidigen Touch von Seelenheil und Nächstenliebe, ist aber alles Bullshit.

Beginnen wir mal mit dem Spital der barmherzigen Schwestern in Bad Trallala. Wenn ein Kranker dort eingeliefert wird, zahlt die Kosten der Behandlung, wie bei jeder beliebigen Klinik, die Krankenkasse – ohne Wenn und Aber. Von der Kirchensteuer fließt da kein Cent. Für einen Platz in der Krippe der kleinen Christenmenschen zahlen die Eltern. Je nach deren pekuniärer Verfassung erhalten diese zu den Kita-Gebühren eventuell einen Zuschuss von der Stadtverwaltung. Von der Kirchensteuer – richtig – fließt auch hier kein Cent. Nun ja, schließlich müssen die Kirchen aber einen immensen Stab an Personal unterhalten, damit sie ihren Aufgaben gerecht werden können. Das fängt bei der Administration an, und hört bei der Putzhilfe in besagtem Spital der barmherzigen Schwestern in Bad Trallala auf. Das kostet doch schließlich ein Heidengeld, oder? Klar, nur wird die ganze Chose nicht über die Kirchensteuern, sondern von der Allgemeinheit finanziert.

Die komplette Finanzierung des deutschen „Kirchenstaates“ läuft über Steuereinnahmen

Beispielsweise streicht Reinhard Marx, seines Zeichens Kardinal von München und Freising, ein monatliches Salär von 12.000 € ein – aus dem Steueraufkommen des Freistaates Bayern. Von der Kirchensteuer fließt auch hier wiederum kein müder Cent. Genausowenig wie für den Sekretär seiner Niedertracht, pardon: seiner Eminenz, den Chefarzt im Spital der barmherzigen Schwestern in Bad Trallala, oder der Putzhilfe in selbigem Etablissement. Die komplette Finanzierung des deutschen „Kirchenstaates“ läuft über die allgemeinen Steuereinnahmen, mit der kruden Begründung, dass die Fürstbistümer und Fürstabteien schließlich vor ca. 200 Jahren enteignet wurden und deshalb (heute?) noch Entschädigungen bezahlt werden müssten.

Echt? Weshalb eigentlich? Wenn man die Milliarden an Entschädigungen, die bereits gezahlt wurden, addiert, könnten die deutschen Kirchen (ob römisch-katholisch oder protestantisch ist übrigens Jacke wie Hose) als Hedge-Fond auftreten und Goldman Sachs locker aus der Portokasse übernehmen. Dazu gesellen sich ganz nebenbei noch weitere fette Einnahmen aus kirchlichen Unternehmen wie Brauereien, Verlagen, Versicherungen, Gastronomiebetrieben, Devotionalienhandel, Pilgerreisebüros etc., und zu guter Letzt millionenschwere Mieteinnahmen aus einem Immobilienbesitz im dreistelligen Milliardenwert.

Achtung, nur damit keine Missverständnisse entstehen: die Einnahmen der heiligem Holdings über die Kirchensteuer sind hier nicht eingerechnet, die muss man bei allen Zahlen immer noch dazu addieren, gelle?

Auch der Buddhist zahlt für die Kardinäle

Richtig abstrus wird die ärgerliche Sache mit den völlig unbegründeten Kirchensteuern aber erst durch den Umstand, dass diese auch von Muslimen, Hindus, Buddhisten und Atheisten bezahlt werden – indirekt. Und das geht so: in der Steuererklärung können die Kosten für die Kirchensteuer gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG voll umfänglich als Sonderausgaben eingesetzt werden. Der treue Kirchensteuerzahler mindert somit also seine Steuerlast und erhält eine Erstattung aus – richtig – dem Portemonnaie der Allgemeinheit.

Das mit den Muslimen und der Kirchensteuer ist ein „Ding über Bande“. Lässt sich der brave Christ, seine Kirchensteuer als Sonderausgaben bei der Steuererklärung anrechnen und erhält davon bei der Rückerstattung etwas zurück, so wird das aus dem großen Topf bezahlt, in den auch Muslime und Buddhisten eingezahlt haben.

Vielleicht sollte man in einem Nebensatz festhalten, dass bereits in der Verfassung der Weimarer Republik festgelegt wurde, eine einheitliche rechtliche Grundlage für die Beendigung der Entschädigungen zu schaffen. Dieser Passus wurde übrigens 1949 en passant in das Grundgesetz der Bundesrepublik übernommen. Alleine geschehen ist nix. Der augenblickliche Zustand ist somit andauernder Verfassungsbruch, die Bürger blechen weiter Milliardenbeträge, und dies Jahr für Jahr, ad Infinitum. Scheint aber irgendwie niemanden zu interessieren, oder?

Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 3. Februar 2020 | Peter Grohmüller 3. Februar 2020

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