„Machen Sie mal was Lustiges!“, lautet eine oft vorgetragene Aufforderung, wenn mich irgendwelche Leute erkennen. Gut, ich bin jetzt nicht so prominent, dass sich junge Mädchen nachts unter meinem Fenster die Kleider vom Leib reißen (aber das kommt noch!!!), aber immerhin wissen die Leute hier im Dorf, wer ich bin und was ich so mache.
„Sie schreiben doch Witze auf, erzählen Sie mal einen!“
Man sagt ja Humoristen immer gerne nach, sie seien von Haus aus gar nicht witzig und eher griesgrämig oder nachdenklich. Zumindest in meinem Fall stimmt das aber gar nicht, ich bin nicht griesgrämig oder nachdenklich, ich bin griesgrämig UND nachdenklich.
Deshalb würde ich am liebsten immer ein großes Messer mit mir herumtragen, damit ich jedem, der mich zum Erzählen eines Witzes auffordert, gleich ein Ohr oder sowas abschneiden könnte. Aber ich kann einerseits nicht gut Blut sehen und andererseits würden mich die Schmerzensschreie sicher auch wieder aufregen.
Um allem aus dem Weg zu gehen, schaue ich die Leute meist ganz besonders griesgrämig an und brumme nur etwas Unverständliches. Meistens reicht das. Reicht es aber mal nicht, z.B. wenn der Bürgermeister mich von seinem Rednerpult aus sieht und unvorbereiteterweise zu einer spontanten Einlage „überredet“, erzähle ich oft meinen Lieblingswitz. Der ist deshalb mein Lieblingswitz, weil er so kurz ist.
Den muß man mit langem ‚O‘ erzählen und der geht so:
In Russland haben die jetzt einen operiert, der hatte Moos im Magen.
(kurze Pause)
Das war nämlich ein Moskauer!
Ja, der kommt langsam, ich weiß, aber ich finde ihn immer wieder zum Brüllen komisch.
Das griesgrämige Gucken hilft aber meistens und auch für dem Bürgermeister habe ich mir was einfallen lassen. Als ich einmal neben ihm stand und ihm von oben auf seine beginnende Glatze schaute, habe ich ihn nur mal so am Rande auf den Umstand hingewiesen, dass ich fast zwei Köpfe größer und mindestens doppelt so schwer bin wie er. Ich glaube, er hat das verstanden.
Schlimmer aber finde ich die Leute, die sich einbilden, ein Autor habe zu Hause Tausende seiner Bücher liegen, die nur darauf warten, verschenkt zu werden. Ich bin ja nun nicht von dem inneren Drang erfüllt, alle Welt kostenlos mit meinen geistigen Ergüssen zu versorgen. Wer ein Buch umsonst haben will, soll doch einfach die Mitarbeiter einer christlichen Erweckungsgruppe ansprechen, die schenken einem dann bestimmt eine Bibel oder sowas.
Nee, ich verdiene mein Geld mit den Büchern und bin darauf angewiesen, dass die Leute meine Sachen im Buchladen kaufen. Von jedem Buchverkauf bekomme ich dann irgendwann, im Rahmen einer Tantiemenabrechnung meines Verlages, etwas ab.
Natürlich bekomme ich vom Verlag auch ein paar Exemplare für meinen persönlichen Bedarf. Ich verlange da immer ein paar Exemplare mehr, weil ich guten Freunden, die ein Buch kaufen möchten, gerne eine Widmung hineinschreibe.
Aber wie kommen die Leute bloß alle auf die Idee, ich könne jedem, der mich auch nur flüchtig kennt, ein Buch schenken?
„Sie, Ihr neues Buch soll ja ganz toll sein. Wir haben uns doch letztes Jahr mal auf dem Markt getroffen. Bringen Sie mir doch mal so ein Buch vorbei, oder haben Sie zufällig jetzt welche zur Hand? Wir lesen ja auch manchmal. Sie sind doch bestimmt froh, wenn Sie die Dinger loswerden, oder? Am Besten wird es sein, wenn Sie für meine Schwiegermutter auch noch eins mitbringen. Schreiben Sie rein: Für meine Schwiegermutter Henriette. Aber bitte kein Datum dazuschreiben, wir wollen ihr das erst zu Weihnachten schenken! Oder lassen Sie das mit der Henriette auch weg, dann kann sie’s weiterverschenken.“
Schnell schreibt mir der Kretin noch seine Adresse auf die Rückseite von einem Aldi-Kassenbon und freut sich darauf, daß ich möglichst noch am selben Abend die Bücher persönlich vorbeibringe. Ja, klar!
„Nee“, sage ich, „da vorne ist doch eine Buchhandlung und wenn Sie ganz genau hingucken, dann sehen Sie von hier aus mein Buch sogar im Schaufenster stehen. Da können Sie so viele Bücher kaufen, wie Sie wollen und wenn wir uns das nächste Mal treffen, schreibe ich Ihnen was rein.“
„Bücher sind mir immer viel zu teuer, die lassen wir uns schenken, Wissen Sie was, ich warte, bis Ihr Buch verfilmt wird und nehme es mir dann auf Video auf.“
Okay, dem Burschen kann geholfen werden.
Zu Hause suche ich aus dem Stapel von Büchern, die die Allerliebste und ich als schlecht, miserabel und schrecklich empfinden, den Gedichtband eines Autors aus Lappland heraus, in dem er eine 26 Kapitel umfassende Singode für das Rentier veröffentlicht hat.
Vorne schreibe ich „Für meine Schwiegermutter“ rein und werfe es beim Gassigehen mit dem Hund bei dem Kretin in den Briefkasten.
Eine Woche später treffe ich ich bei der Gemüsefrau und er strahlt mich an. „Wunderbar, ihre aufgeschriebenen Witze. Meine Frau und ich haben alles gelesen. Dann haben wir das Buch meiner Schwiegermutter gebracht, und sie findet aus ganz toll! Sie hat es aber schon weiterverschenkt.“
Also gut, wenn Ihnen mal jemand ein Buch von Määki Härääitinnen schenkt, das „Ode an das Ren“ heißt und in dem vorne „Für meine Schwiegermutter“ drin steht, und dessen erste Zeilen da sind: „O Ren, Du Ren des Tauens, am Morgen bin ich Dir nah. Mein Herz ist voll des Grauens, Dein Haar, Dein Haar, Dein Haar!“, dann sind Sie in der Endloskette der Weiterverschenkbücher gelandet.
Mein Tipp: Einfach weiterverschenken! Ich bin gespannt, wann die Ode an das Ren wieder bei mir landet, unterbrechen Sie die Kette niemals!
Neu überarbeitet 2015, aus 2006
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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