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Ich kann den Scheiß nicht mehr hören: DSGVO und Fotografieren

Dsgvo

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die am 25.5.2018 in Kraft getreten ist, hat die gesamte Netzgemeinde in aufgeschreckten Aktionismus versetzt. Wie kopflose Hühner sprinteten manche los, löschten in vorauseilendem Gehorsam alle YouTube-Videos von ihren Seiten und begannen auf tausenden von Fotos die Gesichter der erkennbaren Personen auszupixeln.
Wann immer ich eine Zeitschrift aufschlug oder Fernsehen schaute oder Radio hörte, überall gaben Experten ihr Fachwissen zum Thema DSGVO zum Besten.

Der Witz: Die sogenannten Experten widersprachen sich häufig. Es war/ist unmöglich, eine verlässliche Meinung zu bekommen, sodaß man hinterher sagen kann: So und so muss es gemacht werden.
Dabei ist es im Grunde genommen überhaupt nichts Neues, was die DSGVO von uns verlangt, wenn Sie es denn überhaupt tut. Der Datenschutz wurde in Deutschland schon immer groß geschrieben. Nur hat sich eben kaum jemand darum gekümmert. Oder genauer gesagt, die Leute haben die Datenschutzbestimmungen mit den Füßen getreten.

Jetzt geht das Schreckgespenst der hohen Strafen und der Abmahnungen um.
Und auf einmal rödeln alle los, wie bekloppt. „Ich mache seit 4 Wochen nichts anderes, als DSGVO umzusetzen.“ Das ist einer der meistgehörten Sätze der letzten Wochen.
Ja, und leider haben die meisten mit ihrem Aktionsimus sogar Recht. Denn die Datenschutzbehörden werden einen Teufel tun, und jetzt herumgehen und tausende von Vereins-, Privat- oder Firmenseiten mit hohen Bußgeldern oder Strafen belegen. Für eine solche umfassende Maßnahme fehlen den Behörden schlichtweg das Personal und die Kapazitäten.

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Aber der böse Abmahnanwalt/-verein, der könnte tatsächlich in den Startlöchern stehen, um sich schnell mal eine goldene Nase zu verdienen.
Ich habe noch keine Abmahnung gesehen, bei der der angeblich Geschädigte überhaupt einen Schaden erlitten hat oder bei der der angebliche Schädiger überhaupt einen Schaden verursacht hat.
Trotzdem lässt sich so ein Schaden nach unserem Recht zumindest virtuell im Konjunktiv herbeireden und vortrefflich geltend machen.

Deshalb ist Vorsicht angeraten und es ist sicherlich nicht verkehrt, mal einen Blick in Richtung der einschlägig bekannten Internet-Law-Anwälte zu werfen und zu schauen, wie die denn die DSGVO beispielsweise in ihrer Datenschutzbestimmung umsetzen.

Im Rahmen der aufgeregt geführten Diskussion wird auch immer wieder ein Gespenst durch unsere Köpfe gejagt, das da heißt:

Ab sofort darfst Du niemals mehr Leute fotografieren, es sei denn, die haben Dir dafür einen Vertrag unterschrieben.

Das ist auch so in allen möglichen Foren und auf fast jeder Fotoseite zu lesen.

Dass das absoluter Quatsch ist, kann sich doch jeder an fünf Fingern abzählen.
Wäre das so, dann gäbe es künftig keine Fotos mehr von Sportereignissen, Kulturveranstaltungen und Dorffesten. Denn es ist schlichtweg unmöglich bei solchen Massenveranstaltungen alle Anwesenden um eine schriftliche Einwilligung zu bitten.
Es gäbe auch keine Fotos vom Reichtstag oder vom Brandenburger Tor mehr, weil immer irgendein Hansel ins Bild stolpert und dann mit auf dem Foto ist.

Hierzu ist Folgendes zu sagen:

1. Die Datenschutz-Grundverordnung führt zu keinen wesentlichen Veränderungen der bisherigen Rechtslage im Umgang mit Fotografien.

2. Die Anfertigung und Veröffentlichung einer personenbezogenen Fotografie unterliegt den allgemeinen Regelungen des Datenschutzrechts. Wie bisher auch dürfen Fotos nur verarbeitet werden, wenn die betroffene Person eingewilligt hat oder eine Rechtsgrundlage dies erlaubt.

3. Erfolgt die Anfertigung auf der Grundlage einer Einwilligung der betroffenen Person(en), ist diese bereits nach geltendem Recht jederzeit widerrufbar. Aufgrund der jederzeitigen Widerruflichkeit und der fehlenden Praktikabilität bei Aufnahmen größerer Menschenmengen ist die datenschutzrechtliche Einwilligung bereits nach geltender Rechtslage vielfach keine praktikable Rechtsgrundlage. Neben der Einwilligung kommen als weitere Rechtsgrundlagen für die Anfertigung und Veröffentlichung zur Durchführung eines Vertrags (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) Datenschutz-Grundverordnung) oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Fotografen (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f) Datenschutz-Grundverordnung) in Betracht.

4. Die grundrechtlich geschützte und garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit stellen berechtigte Interessen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f) der Datenschutz-Grundverordnung dar. Sie fließen somit unmittelbar in die Auslegung und Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung ein. Die Datenschutz-Grundverordnung betont, dass der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss (Erwägungsgrund 4).

5. Für die Veröffentlichung von Fotografien enthält das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) ergänzende Regelungen, die auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung fortbestehen. Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Es steht nicht im Widerspruch zur Datenschutz-Grundverordnung, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der Datenschutz-Grundverordnung ein.

Mit anderen Worten: Alles bleibt, wie es ist, weil es schon immer (lange) so war.

Grundsätzlich kannst Du nicht hingehen und einen wildfremden Menschen einfach ablichten.
Dieser Mensch hat das Recht am eigenen Bild und das gilt nicht etwa nur, wenn Du das Bild veröffentlichen willst.
Keiner muss es sich gefallen lassen, dass ihm eine freche Rotzgöre mit dem Smartphone ins Gesicht knipst.

Hat man sich bisher schon Einwilligungen zur Verarbeitung der Fotos eingeholt, dann war das immer schon so, dass der Betroffene dem auch nach längerer Zeit widersprechen konnte. Das ist jetzt auch nicht anders. Also gibt es hier auch keinen Grund zur Aufregung.

Ja, und es war schon immer nicht möglich, bei großen Menschenansammlungen die Einwilligung aller einzuholen. Und deshalb waren die Menschen Teil einer Masse oder wie im Beispiel des Brandeburger Tors eben Beiwerk. Ich sehe in der DSGVO gar keinen Punkt, der da irgendetwas dran ändern würde. Immer schon stand das berechtigte Interesse des Fotografen hier über dem Datenschutzrecht. Denn Datenschutzrechte sind eben nur Teile des gesamten Rechtsgefüges und stehen jetzt nicht wie ein Zentralgesetz über allen anderen Gesetzen, Regelungen und Rechten.

Außerdem haben wir alles Notwendige im Kunsturhebergesetz geregelt, das auch nach Einführung der DSGVO noch schön brav weiterbesteht.

Viel ist also nicht dran an der aufgeregten Nichtfotografiererei…

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    Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 29. Mai 2018 | Revision: 17. September 2020

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