Ich habe immer nur zwei Arten von Türmen besessen: Die kleinen hölzernen, die als Figuren beim Schach dabei sind und die aus Kunststoff, die auf meiner Modelleisenbahn an manchen Gebäuden dran sind. Was ich jedoch nie besessen habe, ist ein Turm in Form einer Stereoanlage.
In meiner Jugend war er das Statussysmbol unter Jugendlichen aber auch Erwachsenen: Der Turm. Die großen HiFi-Türme mit fetten Verstärkern, Receivern, Plattenspielern, Kassettendecks und CD-Playern und vielleicht sogar noch einem Tonband waren das Herzstück in der Einrichtung eines jeden anspruchsvollen Musikliebhabers.
Statussymbol: Turm
Wer etwas auf sich hielt, investierte in hochwertige Lautsprecher, schwere Verstärker mit silbernen Drehreglern und ein sorgfältig aufeinander abgestimmtes Ensemble aus edlen Komponenten. Das Streben nach dem perfekten Klang, nach dem reinen, unverfälschten Hörerlebnis war ein echtes Hobby, ja fast eine Lebensphilosophie. Später wurden die Türme, also jene schmalen Holzmöbel, in denen die Stereo-Komponenten übereinander gestapelt waren, von Kompaktanlagen verdrängt. Die große Masse kaufte lieber Multifunktionsgeräte, bei denen Radio, Verstärker und CD-Spieler in einem Gehäuse untergebracht waren. Das begann ungefähr gleichzeitig mit der Verbreitung der CD. Denn bis dahin war der Plattenspieler im wahrsten Wortsinn das Maß aller Dinge und gab die Größe vor. Eine CD-Schublade ließ sich hingegen auf kleinstem Raum verbauen.
Die HiFi-Anlage ist tot
Heute jedoch scheinen diese beeindruckenden Anlagen und auch ihre kompakteren Vertreter fast verschwunden zu sein. Stattdessen dominieren kleine, kompakte und oft smarte Lautsprecher, kabelloses Streaming und Multiroom-Systeme das moderne Wohnerlebnis. Was ist geschehen? Warum hat das klassische HiFi, das einst als die höchste Form des Musikgenusses galt, seinen Platz in den Wohnzimmern verloren?
Der Musikkonsum hat sich verändert
Ein wesentlicher Grund liegt in der veränderten Art und Weise, wie Musik konsumiert wird.
Einst war Musikhören ein bewusstes Erlebnis, das mit einem gewissen Ritual verbunden war. Man wählte eine Schallplatte oder eine CD aus, setzte sich hin, drehte vorsichtig die Lautstärkeregler und tauchte in den Klang ein. Die Musik war das Zentrum der Aufmerksamkeit, ein Genussmoment, der Raum und Zeit verlangte. Heute hingegen ist Musik allgegenwärtig, stets verfügbar und in unzähligen Playlists zusammengefügt, die oft nur nebenbei laufen. Sie begleitet den Alltag, wird beim Arbeiten, beim Sport oder beim Kochen gehört, statt bewusst erlebt zu werden. In dieser neuen Realität scheint die Notwendigkeit für kompromisslose Klangqualität weniger relevant zu sein. Bequemlichkeit hat den Perfektionismus ersetzt.
Platten musste man richtig kaufen
Früher war der Erwerb von Musik ein kostspieliges Vergnügen. Eine Schallplatte oder CD kostete richtig was, und man musste überlegen, welche Songs oder Alben man sich anschaffte. Das waren dann wertvolle Schätze. Wer eine umfangreiche Sammlung aufbauen wollte, musste tief in die Tasche greifen. Jedes neue Album war eine Investition, sorgsam ausgewählt und geschätzt. Heute hingegen stehen Millionen von Songs jederzeit über Streaming-Dienste zur Verfügung – für einen monatlichen Betrag, der nicht einmal den Preis einer einzigen CD übersteigt. Musik ist von einem wertvollen Besitz zu einem unbegrenzten Konsumgut geworden, das jederzeit und überall abrufbar ist. Der emotionale Wert eines Albums, das man physisch in den Händen hielt, scheint in einer Welt der endlosen Playlists zu verblassen.
Ich erinnere mich daran, dass ich meine Platten sehr sorgsam behandelte und auch den Wunsch hatte, sie auf einem guten Equipment abzuspielen. Während die Scheibe sich auf dem Plattenteller drehte, betrachtete ich das Cover oder das liebevoll gestaltete Album. Es gab welche, bei denen ich jedes Wort auf der Hülle gelesen habe, bis hin zur Auflistung des Presswerks.
Aus dem Radio mitgeschnitten
Lieder, die man sich nicht leisten konnte, schnitt man mit dem Kassettenrekorder aus dem laufenden Radioprogramm mit. Da ärgerte man sich dann, wenn der Verkehrsfunk mitten im langersehnten Stück eine Meldung reinpiepste oder der übereifrige Moderator vor dem Ende des Titels reinquatschte. Nebenbei bemerkt: Ich habe damals ein kleines „Vermögen“ verdient, weil ich löten konnte. Ich konnte aus DIN-Steckern und etwas Kabel die heißbegehrten Überspielkabel herstellen, die man benötigte, um mit einem Kassettenrekorder vom Radio aufnehmen zu können. Mit rund 10 DM waren diese Kabel im Handel recht teuer und ich konnte sie bei Einstandskosten von 2 DM für 5 DM in der Schule und später an der Uni verticken. Der Bedarf war riesig.
Die Technik ist heute eine andere
Auch die Technik hat sich verändert. Während früher ein hochwertiges HiFi-System aus verschiedenen spezialisierten Komponenten bestand, sind moderne Lautsprecher kompakte Alleskönner geworden. Smarte Speaker und Streaming-Geräte können Musik in beachtlicher Qualität wiedergeben, ohne dass Verstärker, Kabel und aufwendige Aufstellungen nötig sind. Fortschritte in der digitalen Signalverarbeitung haben es ermöglicht, dass auch kleine Lautsprecher einen erstaunlich vollen Klang erzeugen. Gleichzeitig hat sich die Quelle der Musik grundlegend gewandelt: Statt physischer Medien wie Vinyl und CDs wird heute hauptsächlich digital gestreamt. Selbst audiophile Dienste, die mit hochauflösendem Audio werben, sind nicht mehr an große Anlagen gebunden, sondern liefern ihre Klänge kabellos an kleine, vernetzte Lautsprecher.
Wohnraum und Flexibilität
Nicht zuletzt hat sich auch der Wohnraum verändert. Die riesigen Stereoanlagen der Vergangenheit hatten ihren Platz in Wohnzimmern, die oft um sie herum arrangiert wurden. Heute spielen Einrichtungstrends eine andere Rolle – minimalistische, offene Wohnkonzepte lassen keinen Raum mehr für sperrige Boxen und raumfüllende Verstärker. Stattdessen müssen sich Audiogeräte unauffällig integrieren lassen, sie sollen praktisch, kabellos und intuitiv sein. Ästhetik hat sich der Funktion übergeordnet, und so passt der moderne Smart-Speaker mit seiner schlichten Form eher ins stilvolle Heim als ein massiver HiFi-Turm mit unzähligen Kabeln und blinkenden Anzeigen.
Vor allem lieben die Menschen die Flexibilität. Sie möchten heute nicht nur auf dem optimal im Stereofokus stehenden Sessel im Wohnzimmer einen 1a Klang haben, sondern überall in der Wohnung. Ob im Schlafzimmer, der Küche oder sogar unter der Dusche, die Musik soll am besten überall sein. Multiroom-Lösungen machen das möglich, Lautsprecher, die sogar erkennen, in welchen Raum die Person geht und nahtlos dort die gewünschte Musik weiterspielt.
Trend, Allgemeinheit und Individualisten
Doch bei all diesen Entwicklungen bleibt ein Hauch von Nostalgie. Wer einmal den warmen, analogen Klang einer Schallplatte auf einer hochwertigen Anlage erlebt hat, wer die Dynamik und Tiefe eines echten Stereobilds durch zwei sorgfältig positionierte Lautsprecher gehört hat, der weiß, dass moderner Komfort nicht dasselbe ist wie echter Klanggenuss. Vielleicht ist HiFi nicht wirklich tot – vielleicht ist es nur in den Untergrund gewandert, in die Räume derjenigen, die sich dem schnellen Wandel widersetzen und die Magie der Musik in ihrer reinsten Form bewahren wollen. Vielleicht werden die großen Anlagen eines Tages wieder eine Renaissance erleben, wenn Menschen erkennen, dass es mehr gibt als Komfort und Kompaktheit: den echten, unverfälschten Klang.
Im Schaufenster dieses HiFi_Ladens in Venlo/NL sah ich einen Stereoverstärker für 18.000 Euro.
Ich beschreibe hier auch nur den derzeitigen Trend und was die Allgemeinheit so macht. Und auch, wenn die vielen Stereo-Komponenten aus den Elektronikmärkten fast komplett verschwunden sind, gibt es sie auch weiterhin.
Denn es gibt auch einen gegenläufigen Trend. Liebhaber kehren zu Vinyl-Platten zurück und in Fachgeschäften sind die tollsten HiFi-Komponenten zu bekommen. Für manche kann/muss man richtig tief in die Tasche greifen.
Ich habe auch noch eine Anlage, bestehend aus Digitalradio, CD-Player und Verstärker. Zwei schöne Boxen, ergänzt um ein weiteres nostalgisches Boxenpaar von Bose, geben den Klang aus. Und am liebsten höre ich Musik von der guten alten Schallplatte.
Da kann man mir sagen, was man will: Das klingt einfach besser als der ganze digitale Plömps.
- venlo: Peter Wilhelm
- audiophil-heute: Peter Wilhelm KI
- audiophil: Peter Wilhelm KI
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: HiFi, Platten, Schallplatten, Stereo, Streaming, Streaming-Dienste, WLAN