Die Ruckdäschl bollert an meine Wohnungstür und beinahe wäre mir der Suppentopf aus der Hand gefallen, so habe ich mich erschreckt.
„Sie, sagen Sie mal, könne Sie mir helfe?“
„Was ist denn los?“
„Ah so geht des ja net, so geht das net, das kann so net gehe!“
„Kommen Sie erst mal rein, setzen Sie sich und beruhigen Sie sich“, lade ich die Scherohnie in unser Wohnzimmer ein. Sie stapft an mir vorbei. Hier muß ich einmal einfügen, daß die Ruckdäschl, ganz anders als es meine Leser erwarten, eine sehr elegante Frau ist. Keinesfalls bäuerlich oder gewöhnlich. Immer in Bluse und Rock und immer Schuhe mit hohen Absätzen. Sogar auf die nachgezogenen Augenbrauen und ihren Lippenstift legt sie großen Wert. Und sie läuft im typischen Geisha-Schritt, kleine tippelnde Schritte und dabei hält sie sie Arme sehr vornehm angewinkelt.
Aber dieses Mal stapft sie, wie ein Bauernweib und setzt sich an den großen Tisch im Wohnzimmer. Man sieht es ihr an, sie ist aufgeregt und wütend, hoffentlich nicht auf mich!
„Was ist denn jetzt los, Frau Ruckdäschl? Erzählen Sie mal!“
„Ei Sie, da war isch doch auf derre Kaffeefahrt im Odenwald. Schön isses ja gewese, awwa des Esse war ganz schlecht und zwölf sind es auch nicht!“
„Frau Ruckdäschl, beruhigen Sie sich mal und erzählen Sie der Reihe nach!“
„Hajo, der hat gesagt, isch bekäm für mei Geld ein zwölfteiliges Topfset und heut is des gekumme und was sage ich Ihnen, es sind bloß sechs Töpp.“
„Ach was.“
„Ja und isch hebb gleisch do angerufe und misch beschwert. Und wisse Sie, was die sage?“
„Nein.“
„Wisse Sie, was die sage?“
„Ja was denn?“
„Die sage, isch soll ämol ganz genau gugge, das wären nämlisch doch zwölf Teile, sechs Töpp und sechs Deckel!“
„Hm, ich verstehe. Aber das ist eigentlich ganz normal, daß man das so rechnet. Wir haben mal ein 104-teiliges chinesisches Set gekauft. Das waren 4 Chinaschälchen und 100 Holzstäbchen.“
„Des is Betruuuug, des is Betruuuuuug, wisse Sie was, des is Betruuuuug!“, wettert die Ruckdäschl und ich kann ihren Zorn ganz gut verstehen. Aber so machen die das eben auf solchen Kaffeefahrten und Leute wie die Ruckdäschl sind da willkommene Opfer. Mir persönlich stellt sich allerdings die Frage, was diese alleinstehende Frau mit zwölf Töpfen überhaupt anfangen will, sechs sind doch schon viel zu viel. Doch die Ruckdäschl hat genaue Vorstellungen, wie es jetzt weitergeht:
„Isch nehm jetzt den Richter und dann verklag isch die.“
„Sie meinen einen Rechtsanwalt?“ frage ich zurück, doch die Ruckdäschl schüttelt energisch den Kopf und meint:
„Nee, der Rischter den wo sie da kenne!“
„Ich kenne aber gar keinen Richter“, sage ich, nicht ganz wahrheitsgemäß. Ich kenne jemanden sehr gut, der war früher einmal Richter, ist heute aber Oberbürgermeister einer deutsche Großstadt. Den kann die Ruckdäschl aber nicht kennen.
„Doch, doch, Sie kennen einen Richter, des weiß isch gonz genau!“
Ich zermartere mir das Hirn und überlege hin und her, mir will aber niemand einfallen. Deshalb sage ich:
„Also, Frau Ruckdsächl, glauben Sie mir, ich kenne wirklich keinen Richter.“
„Ach höre Sie doch auf, isch weiß doch genau, daß des ä Rischter is, der wo da immer zu Ihne kommt. Der kleine Dicke mit der komischen Brille.“
Diese Beschreibung passt auf Rudi. Rudi ist wirklich nicht besonders groß, relativ korpulent und irgendein lomoexueller Optiker hatte ihm vor zwei Jahren zu einem äußerst albernen Brillengestell geraten, bei dem zwischen den Gläsern, über den Nasenbügel eine kleine grüne Kugel auf einem Drahtsteg hin und her wackelt. So etwas Albernes würde ich selbst an Karneval nicht aufsetzen, Rudi glaubt aber, er habe mehr Erfolg bei Frauen, seit er diese Wackelkugel an der Brille hat.
Doch das alles kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß Rudi keinesfalls Richter von Beruf ist, er ist Dekorateur im Raumausstattungsstudio Wilhelm Zirbeldrüs & Söhne. Und genau das sage ich zu Frau Ruckdäschl:
„Sie meinen Rudi! Der ist doch aber Dekorateur von Beruf.“
„Ah, dann hat der Ihnen aber was Falsches gesagt! Isch hab den im Treppenhaus gefragt und mir hat er gesagt, er sei Richter.“
„Also, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, das ist ein grundehrlicher Mann.“
Und so ist es wirklich. Rudi ist gerne Dekorateur und macht da auch keinen Hehl draus, allerdings fällt mir in diesem Moment ein, was die Ruckdäschl meinen könnte:
„Kann es sein, daß der zu Ihnen gesagt hat, dass er Einrichter ist?“
„Ja genau, des hot er gesagt: Einrichter, genau!“
„Das ist doch aber ganz etwas anderes!“
„Des is mir doch egal, wieviele Richter das sitzen, ob einer oder mehrere, isch will mei fehlende sechs Töpp!“
„Ein Einrichter ist ein Dekorateur…“
„Isch kann kä Fremdwörter, isch will mei Rescht“, sagt die Ruckdäschl und klopft mit der Faust auf den Tisch.
Mir bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich lasse mich jetzt auf ein zweistündiges Gespäch mit der Ruckdäschl ein oder ich finde einen Ausweg. Da mir der dicke Rudi immer noch 50 Euro schuldet, kann er mir ruhig diesen Gefallen tun und sich selbst mit der Scherohnie auseinandersetzen, finde ich. Also schreibe ich ihr schnell die Telefonnummer von Wilhelm Zirbeldrüs & Söhne auf einen Zettel und sage:
„Am besten rufen Sie den selbst mal an, ja?“
Damit ist unsere selbsternannte Concierge zufrieden und freudestrahlend verlässt sie unsere Wohnung.
Eine Woche später hält sie mich im Treppenhaus auf:
„Sie sagen Sie mal, Sie kennen Ihre Freunde aber auch nicht gut, oder?“
„Wieso?“
„Ah ja, den Rudi kennen Sie gar nicht richtig. Der ist ja Richter, wie sie wissen. Aber wissen Sie was?“
„Ach was, hat der Ihnen helfen können?“
„Ja und wie! Wussten Sie, daß der auch noch Gardinen aufhängen und Wandbespannungen machen kann? Mein Wohnzimmer ist jetzt wie neu!“
Da sieht man mal wieder, wie wichtig es ist, einen Juristen zu kennen!
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