Es ist heiß und meine Zunge klebt am Gaumen. Alles in mir schreit: „Durst!“ und jeder weiß: Durst ist schlimmer als Heimweh! Da drüben gibt es eine Gaststätte, die sich sogar „Schloßgaststätte“ nennt und bunte Schirme auf der Terrasse signalisieren, daß es dort vermutlich etwas zu Trinken gibt.
Kaum sitze ich, nähert sich der Ober, fegt mit einem Bierdeckel kurz über die Wachstuchtischdecke und sagt fragend:
„Der Herr?“
Das soll wohl bedeuten, daß er gerne wissen möchte, nach was mir der Sinn steht und weil ich einerseits Bock auf einen Kaffee habe, aber auch richtig Durst habe, bestelle ich:
„Einen Kaffee bitte und eine große Limo, bitte.“
Da sagt der Ober Worte, die ich schon ewig nicht mehr gehört habe, die aber für Deutschland fast schon stereotyp klassisch sind:
„Draußen gibt’s nur Kännchen.“
Draußen gibt’s nur Kännchen… Wie lange habe ich das schon nicht mehr gehört. Und wie blöd finde ich diesen Satz! Mir ist das sowieso egal, denn ich trinke sehr gerne Kaffee und ein Täßchen wäre mir eh zu wenig. Aber diesen Spruch „Draußen gibt’s nur Kännchen, finde ich sowas von blöd, darauf muß ich eingehen, ich kann gar nicht anders, mir ist nämlich langweilig und ich benötige Stoff für eine weitere Geschichte:
„Einen Kaffee bitte, worin Sie mir den servieren, ob nun in einem Kännchen oder einem Eimer, ist mir eigentlich egal.“
„Sie bestellten einen Kaffee, das wäre bei uns eine Tasse.“
„Also servieren Sie Kaffee doch in Tassen?“
„Selbstverständlich servieren wir Kaffee in Tassen …“
„Na prima, dann bringen Sie mir eine!“
„Mein Herr, wir servieren Kaffee natürlich auch in Tassen, aber draußen gibt’s nur Kännchen.“
„Wie wäre es, wenn Sie mir dann eins bringen?“
„Sehr wohl, der Herr.“
Man kann sich vorstellen, daß der Ober mich mit einer Mischung aus Todesverachtung und gespielter Höflichkeit behandelt. Aber ich muß schließlich Geschichten schreiben und bin als Humorist für jeden dankbar, der sich als Opfer zur Verfügung stellt.
Wenig später kommt der Schwarzkittel und trägt auf einem Tablett meine Bestellung herbei. Nachdem er mir die Sachen auf den Tisch gestellt hat, stehen ein Kännchen mit Kaffee, eine Tasse, meine Limo und zwei Stück Würfelzucker nebst einem Plastikdöschen mit Kondensmilch vor mir. Jetzt sage ich:
„Was ist das denn da?“ und deute auf die Tasse.
„Das, mein Herr, ist eine Tasse.“
„Ach, und ich dachte, hier draußen gäbe es nur Kännchen.“
„Man kann den Kaffee aber doch nicht aus dem Kännchen trinken?“
„Aber warum sagen Sie denn dann, daß es draußen nur Kännchen gibt.“
Er seufzt hörbar, behält aber Fassung und entgegnet:
„Trinken sollen Sie den Kaffee aus der Tasse, man schenkt ihn sich aber aus der Kanne ein.“
„Ja aber, tut man das nicht immer?“, stelle ich mich dumm.
„Im Lokal schenken wir aus großen Kannen ein, hier draußen schenken sich die Gäste aus kleinen Kännchen selbst ein.“
„Ach was? Bedeutet das, daß Sie im Lokal wesentlich mehr Arbeit haben, weil Sie das noch aus der großen Kanne einschenken müssen und hier draußen ist das viel einfacher, weil die Gäste das selbst machen?“
„So könnte man das sehen.“
„Und warum ist dann das Kännchen hier draußen drei Mal so teuer, wie eine einzelne Tasse drinnen?“
„Im Kännchen ist mehr drin.“
„Wieviel denn?“
„Anderthalb Tassen etwa.“
„Anderthalb?“
„Ja genau.“
„Macht das denn Sinn?“
„Wieso?“
„Na, ich meine, wenn ich wenig Kaffee trinken möchte, dann reicht mir eine Tasse, will ich aber mehr, dann möchte ich zwei oder vielleicht sogar drei, aber doch keine anderthalb. Anderthalb ist überhaupt kein Maß.“
„Sehen Sie, mein Herr, ich habe noch eine ganze Reihe andere Gäste, Ist Ihre Bestellung jetzt zur Zufriedenheit ausgeführt oder haben Sie einen Grund sich zu beschweren?“
„Nö, ich frag ja nur, es ist alles in Ordnung.“
Ich meine, mal ganz ehrlich, ich hätte einem Gast schon nach den ersten drei Sätzen seinen Kaffee in den Hosenschritt geschüttet; aber ich bin ja auch kein Kellner und ich werde ja auch nicht von einem Humoristen gepeinigt. Allerdings wedele ich auch nicht mit Bierdeckeln über Wachstuchtischdecken und begrüße Leute mit der Floskel: „Der Herr?“
Außerdem trage ich keinen schwarzen Frack. Sind wir doch mal ehrlich, einen Frack trägt man zu besonderen Anlässen, aber doch nicht um irgendwelchen verschwitzten alten Weibern anderthalb Tassen Kaffee im Kännchen zu servieren.
Kurz darauf schwirrt ein anderer Kellner über die Terrasse, trägt ein Tablett zu einem anderen Tisch und kommt auf dem Rückweg bei mir vorbei. Ich spreche ihn an:
„Entschuldigung, könnten Sie mir eventuell die Eiskarte bringen?“
„Tut mir leid, das ist nicht mein Tisch“, sagt er und will schon wieder enteilen. Au Mann, die machen es einem aber auch leicht! Ich schaue ihn ganz unschuldig an und sage:
„Meiner auch nicht!“
„Wie bitte?“
„Ja, denken Sie mal, ich habe diesen Tisch ja auch nicht von zu Hause mitgebracht und hätte jetzt gerne eine Eiskarte.“
„Ja aber, das ist nicht mein Tisch“, sagt er etwas hilflos und gleichzeitig genervt.
„Wessen Tisch ist es denn dann?“
„Der gehört einem Kollegen, ich schicke ihn sofort vorbei.“
„Bitte nicht nur vorbei! Mir wäre es lieber, er würde kurz stehenbleiben“, gebe ich dem entfliehenden Kellner mit auf den Weg.
Spätestens jetzt ist mir klar, daß ich von allem, was die mir in der nächsten Zeit servieren werden, die oberste Schicht besser nicht essen sollte…
Wie ein Pinguin mit Hämorrhoidalleiden (also Schmerzen am Arsch) stolziert der erste Ober herbei, die Eiskarte unter dem Arm. Das alleine wäre ja noch durchgegangen, aber wie er dann die Karte unter dem Arm hervorzieht, dabei geschickt aufklappt, mir direkt vor die Nase hält und mit nasaler Stimme dazu sagt: „Die Eiskarte, der Herr“, das hat soviel Schmalz und Schwuchtelgetue in sich, daß es mich schon wieder juckt. Deshalb senke ich meine Stimme, blicke mich vorsichtig um und sage im Verschwörerton leise zu ihm:
„Wenn ich gewusst hätte, daß das hier ihr Tisch ist, hätte ich ihren Kollegen natürlich nicht angesprochen. Ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie hier ihren eigenen Tisch von zu Hause mitbringen.“
„Der Tisch gehört selbstverständlich dem Lokal. Ich bediene hier nur an diesem Tisch.“
„Ach, was Sie nicht sagen? Und Ihr Kollege bedient hier nicht an den Tischen?“
„Doch, doch….“
„Und warum dann nicht an meinem? Bin ich ihm als Gast nicht fein genug?“
„Mein Herr, wo denken Sie hin? Das ist nur nicht sein Tisch.“
„Ach, DER hat seinen eigenen Tisch mitgebracht?“
„Nein, ALLE Tische hier gehören dem Lokal.“
„Na, wenn das so ist, hätte er mich ja auch bedienen können.“
„Sie verstehen das falsch, hier hat jeder sein Revier.“
„Ach, Jäger sind Sie auch? Das ist ja praktisch. Dann könnten Sie mir vielleicht sagen, ob jetzt gerade Schonzeit für Rebhühner ist.“
In diesem Moment nähert sich ein dicker Mann in einem roten Anzug. Auf der Jackentasche seines Jacketts prangt das Wappen der Schloßgaststätte und er stellt sich sogleich vor:
„Mein Name ist Grüpel, ich bin hier der Geschäftsführer, gibt es irgendein Problem?“
Na, aber Hallo! Warum denn nicht gleich so? Ich muß mich hier die ganze Zeit mit den Knallchargen aus der untersten Schublade amüsieren und dabei haben die einen eigenen Herrn Grüpel! Na, denn mal los:
„Das ist aber nett, Herr Rüpel, daß sie fragen. Aber es gibt keine Probleme, ich fragte nur nach den Rebhühnern.“
„Grüpel, mein Name ist Grüpel! Es tut mir außerordentlich leid, Rebhühner haben wir heute nicht auf der Karte.“
So leicht kriegt der mich aber nicht: „Das wäre ja auch äußerst unpraktisch, wenn Sie die Rebhühner auf der Karte hätten, auf einem Teller wären sie ja wohl doch besser untergebracht, finden Sie nicht?“
Jetzt wird er förmlich! Au ja, bitte! Er reibt die Hände ineinander und sagt, sogar auf Hochdeutsch:
„Ist es richtig, daß Sie nach Rebhühnern gefragt haben?“
Ich nicke heftig und er fährt zufrieden fort:
„Sehen Sie, und wie haben keine Rebhühner, deshalb können Sie auch keins essen.“
Ich wehre mich und sage mit weit aufgerissenen Augen:
„Aber ich wollte doch auch gar kein Rebhuhn essen, ich mag nämlich gar keine Rebhühner.“
„Ja, was wollten Sie denn dann?“
„Wenn überhaupt, dann hätte ich gerne eins geschossen, der Herr Ober war so freundlich, mir zu offenbaren, daß er Jäger ist und ein eigenes Revier hat.“
Herr Grüpel schaut seinen Untergebenen erstaunt an und dem fällt nichts Besseres ein, als zu sagen:
„Der Herr wollte schon seinen Kaffee nicht im Kännchen.“
Damit ist ja alles klar, diese Aussage stempelt mich als schwierigen Gast ab.
„Wie, der Herr wollte seinen Kaffee nicht im Kännchen“, will Herr Grüpel wissen, doch ich komme dem Ober zuvor:
„Das stimmt ja gar nicht. Habe ich nicht zu Ihnen gesagt, daß es mir sogar vollkommen egal ist, wie sie mir den Kaffee servieren, ob in einem Kännchen oder in einem Eimer?“
Dem Frackträger bleibt nichts anderes übrig, als zu nicken.
„Na also!“, sage ich triumphierend.
„Wo liegt denn dann das Problem?“ will Herr Grüpel jetzt wissen.
Ich sage zu ihm: „Ich habe gar kein Problem. Ich möchte nur hier sitzen und meinen Kaffee und meine Limo genießen. Was kann ich dafür, daß mir Ihr Personal dauernd irgendwelche Gespräche aufnötigt?“
„So sollte es ja auch nicht sein“, meint Herr Grüpel, überlegt kurz und sagt dann: „Selbstverständlich gehen die Getränke aufs Haus und wenn Sie vielleicht noch gerne ein Eis hätten…“
Ich halte ihm die Eiskarte hin und tippe auf den großen Schwarzwaldbecher.
Kaum fünf Minuten später steht der Schwarzwaldbecher vor mir. Eigentlich mag ich keinen Schwarzwaldbecher, weil da immer so Schokoladenraspeln drüber sind. Aber die oberste Schicht kratze ich sowieso vorsichtshalber ab und entsorge sie in der leeren Kaffeetasse.
Ich finde, der Nachmittag war sehr unterhaltsam.
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