Ich bin zuweilen ja etwas begriffsstutzig. Das liegt wohl daran, dass ich so konditioniert bin, aus den Begriffen abzuleiten, was sie bedeuten könnten, was dummerweise nicht immer zutrifft. Nehmen wir beispielsweise das Wort „Müllentsorgung“. Darin enthalten sind die Begriffe „Müll“ und „Sorgen“. Bei mir läuft die Assoziationskette dann so ab, dass ich mir unter „Müllentsorgung“ vorstelle: Irgend jemand holt meinen Müll ab, und ich bin diese Sorge schon mal los.
Wir haben ja ein wahres Sammelsurium an zig verschiedenen Tonnen, ein unfassbar durchdachtes, quasi metaphysisches System zur Müllentsorgung, um das uns die ganze zivilisierte Welt beneidet. Vorausgesetzt, man hat sich das nötigen Fachwissen angeeignet, was angesichts der vielen Farben und Xillionen verschiedener Stoffe nicht so einfach ist, kann man seinen Müll – ich korrigiere, seine Wertstoffe – in diese Tonnen werfen; natürlich fein sauber nach Sorten getrennt. Und diese Tonnen werden dann in einem streng getaktetem Rhythmus von wieselflinken Männern in dicke Lastwagen entleert. Also da muss man sich hierzulande wegen des Mülls wirklich keine Sorgen mehr machen. Müllentsorgung, der Begriff leuchtet mir so was von ein, er passt zu meiner erwähnten Konditionierung…dachte ich zumindest. Denn irgendwann habe ich in einer TV-Reportage gestehen, dass mein Müll – also nicht nur meiner, aber meiner eben auch – in gelben Säcken verpackt, irgendwo in Afrika auf einem Freigelände vor sich hin gammelt. OK, mein Müll ist zwar weg, aber so ist das auch irgendwie scheiße.
Unter der wohlklingenden Adresse UN-Plaza, New York, NY 10017 USA, erhebt sich ein beeindruckendes rundum verglastes Hochhaus von schlichter, zeitloser Eleganz. Man könnte natürlich auch sagen: ein monströser Beton-Klotzt von architektonischer Einfallslosigkeit. Der städtebauliche Aspekt jenes Gebäudes ist jedoch zweitrangig, denn hier befindet der Sitz der vereinten Nationen. Alleine schon der Name suggeriert, dass sich hier das ganz große weltpolitische Rad dreht, oder, je nach Ansicht, gedreht wird. Und bei mir klickt es wieder im präfrontalen Cortex: bei den vereinten Nationen sind alle Nationen der Welt vereint. Eine beruhigende Vorstellung: Wenn irgendwo auf dem Planeten etwas aus den Fugen gerät, dann Treffen sich die Damen und Herren der vereinten Nationen und bringen das alles wieder in Ordnung. Das Dumme ist bei der Sache nur, dass die Vertreter dieser vereinten Nationen grundsätzlich etwas anderes unter „in Ordnung“ verstehen, als ich. Sie sind sich untereinander nicht mal selbst richtig grün, was OK ist, und was nicht.
Meist verabschieden sie dann eine Resolution zu den Streitigkeiten. Das klingt nämlich extrem würdevoll in den Nachrichten. Dann hört man in Interviews mit den Damen und Herren Ministern, Präsidenten und Regierungschefs immer wieder diese kryptischen Zahlen, nach denen die Resolutionen durchnumeriert sind und weiß am Ende definitiv nich mehr, um was es darin überhaupt geht. Oder weiß noch irgend jemand etwas über die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates? Eben.
Im Prinzip ist das auch Jacke wie Hose. Spätestens nach ein paar Wochen kräht kein Hahn mehr danach – wenn es gut läuft. Wenn es dumm läuft, hagelt es irgendwo auf dem Planeten eben Bomben nach Resolution bla, bla, bla. Das ist dann gemäß den Statuten der vereinten Nationen aber auch OK so. Und wenn jemand Bock hat, ohne Resolution irgendwo auf dem Planeten Bomben zu werfen? Mein Gott, dann tut er das eben. Das ist doch aber auch irgendwie auch scheiße, oder? Wozu die vereinten Nationen dafür ein rundum verglastes potthässliches Hochhaus brauchen, oder wozu man die vereinten Nationen überhaupt braucht? Keine Ahnung. Jedenfalls passt der Begriff „vereinten Nationen“ ebenfalls nicht in mein Schema.
Am besten, ich gewöhne mir diese neurotische Kiste ab. Zumindest, wenn es sich um Begriffe aus der Politik handelt. Und dem geneigten Leser empfehle ich, erst garnicht damit anzufangen. Sonst kommt er auch noch in Teufels Küche, wenn er Dinge hört wie: Friedenstruppe, humanitärer Einsatz, Strukturreform, Rentenanpassung…
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