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Was ist Satire?

satire

Ich bin Berufssatiriker.
Ein Schriftsteller, der sich so bezeichnet, lebt von der Satire und in den meisten Fällen wird er das was er tut ernst nehmen, ohne ernst zu sein.

Man sagt Satirikern und Humoristen gerne nach, sie seien im wirklichen Leben oft eher ernst und brummig.
Das ist aber ein weitverbreitetes Vorurteil, ich persönlich bin nicht oft ernst und brummig, ich bin es immer.

Schon in diesem letzten Satz wird für mich das Wesen der Satire offenbar.
Die Vorstellungen der Menschen werden benannt, eine darauf basierende Erwartungshaltung wird genährt und dann locker ins Gegenteil verkehrt und somit nicht erfüllt.

Satire darf alles, meint Tucholsky und er hat Recht.

Satire darf alles, meint Tucholsky und er hat Recht. In der Satire kann ich ein Interview mit Gott führen und Mohammed als Karikatur darstellen. Als ich Gott neulich fragte, hatte er nichts dagegen, und Mohammed war nicht zu erreichen, ich glaube der ist tot.

Satire darf nicht nur, sie muß in einem freien Land alles dürfen. Aber nicht jeder der glaubt, daß er alles darf, ist ein Satiriker und noch weniger ist es Satire, wenn man alles dürfen will, Herr Böhmermann.

Ich persönlich bezeichne mit Satire eine Kunstform, die sich an meinen Wertvorstellungen orientiert und auf indirekt-ästhetische Weise Mißstände, Ereignisse und Personen verspottet.

Dazu bediene ich mich der Mittel der Überzeichnung, Verkehrung, Verdrehung und Überspitzung. Die Satire entsteht aus der Diskrepanz zwischen den sich aus meinen Wertvorstellungen ableitenden Idealen und der sich mir darstellenden und erlebten Wirklichkeit.

Sie ist also mein gestalteter Versuch der Kritik an den Wertvorstellungen der Menschen und insbesondere an den unzulänglichen Versuchen derselben, die oft selbst aufgestellten Normen erfüllen zu wollen.

Die Gratwanderung zwischen Humorist und Satiriker ist eine schwierige Angelegenheit. Ephraim Kishon, der große Meister aus Israel und wohl der bekannteste Satiriker unserer Zeit, kämpfte lange einen Don-Quichotte-Kampf um seine Anerkennung als Satiriker. Längst schon wurde er als solcher wahrgenommen, beklagte er sich wiederholt darüber, daß seine feinsinnigen und durchaus lustigen Familiengeschichten von manchem Kritiker als nicht bissig und weltverbessernd genug empfunden und als reine humoristische Geschichten abgetan wurden.

Merke: Nicht alles was lustig ist, ist auch eine Satire. Aber eine Satire sollte immer lustig sein, nein sie sollte es nicht nur, sie muß!

Merke: Nicht alles was lustig ist, ist auch eine Satire. Aber eine Satire sollte immer lustig sein, nein sie sollte es nicht nur, sie muß! Wenn es die Aufgabe der Satire sein soll, Normen und Wertvorstellungen, die des Satirikers und die der Menschen ringsherum, vergleichend darzustellen, damit den Menschen ein Spiegel vorgehalten wird und sie sich ihres Tuns und der Diskrepanz zu den Vorstellungen des Satirikers bewusst werden, dann muß die Aufnahmefähigkeit der Menschen für diese Botschaft zu allererst durch eine Lockerung des Zwerchfells oder doch zumindest der Mundwinkel gefördert werden.

Merke: Die Botschaft des Satirikers findet durch ein gelockertes Zwerchfell Aufnahme im Gehirn des Lesers/Betrachters. Aber wiederum: Nicht alles, was uns zum Lachen bringt, ist auch Satire. Darin liegt einer der großen Irrtümer unserer Zeit: Nur Lachen, ohne zu denken, das ist Comedy.

Wir wissen mittlerweile daß Satire zwar alles darf, aber nicht jeder der alles dürfen will ein Satiriker ist. Außerdem wissen wir, daß die Kanüle zur Injektion der Botschaft der Humor ist, aber nicht alles was lustig ist als Serum geeignet ist.

Satire darf alles, also darf sie auch frech sein, sie darf spitz, spöttisch, bissig, laut, leise, zahm, sanft und grob sein. Ja, grob!

So wie es bei einem Freistilboxkampf unter russischen Zuhältern heißt „alles ist erlaubt“ und nur ein Ziel als erstrebenswert gilt, daß hinterher nämlich einer auf dem Boden liegt, ist auch in der Satire alles erlaubt, nur ist die Zielsetzung eine andere, nämlich daß die Botschaft dort ankommt, wo sie hin soll, im Gehirn.

Dennoch bedienen sich zunehmend alle möglichen Leute des Begriffes der Satire, um jegliches Tun von möglichen Folgen freizusprechen. Die Beleidigung, Verunglimpfung oder Herabwürdigung anderer ist das, was sie sich auf ihre Fahnen geschrieben haben und glauben, sie dürften ebenfalls alles, nur weil sie ihr Tun als satirisch bezeichnen.

Allenthalben stößt man in den Printmedien und nun auch zunehmend im Internet auf Publikationen die sich das Mäntelchen der Satire umhängen, in Wirklichkeit aber ein ganz anderes Ziel verfolgen. Man möchte möglichst laut schreien können, andere beleidigen können, vom Ruhm anderer partizipieren können, ohne für die Folgen seines Handelns einstehen zu wollen. Selbst wenn das Ganze lustig gestaltet wird ist das noch lange keine Satire.

Wenn ich die unsägliche Frau Ruckdäschl im Treppenhaus treffe und zu ihr sage: „Achtung, jetzt kommt eine Satire! Sie sind eine blöde Sau!“ dann ist das sicherlich für alle Beteiligten, außer der besagten Frau Ruckdäschl sehr lustig, aber es bleibt schlicht und ergreifend eine Beleidgung, auch wenn man vorher keck „Achtung Satire“ gesagt hat.

Satire muß nicht notwendigerweise jeden zum Lachen bringen, wenigstens aber der Satiriker sollte darüber lachen können. Lacht allerdings nur er, ist dies stets ein Indiz dafür, daß der Transport seiner Botschaft fehlgeschlagen ist.

Ist Satire Kunst?

Nach der allgemeinen Definition (s.u.) muß Satire nicht zwangsläufig Kunst sein, nach meiner Definition hingegen schon.

  • Fehlt der Satire der künstlerische Ansatz, ist sie nichts weiter als Kritik.
  • Fehlt ihr selbst die Kritik, ist sie nichts weiter als Spott.
  • Fehlt ihr gar der Spott, ist sie nur noch eine Ehrverletzung.

Satiriker können den Spiegel ihren Mitmenschen vorhalten, indem sie über fiktive Personen schreiben; sie können über real existierende Personen schreiben oder gar beides vermischen.
Besonders die Berühmten und Bekannten stehen oft im Visier des Satirikers.

Wer sich auf den Stuhl stellt, darf sich nicht wundern, wenn er als erster eine Ohrfeige bekommt.“

Hier gilt mein Spruch: „Wer sich auf den Stuhl stellt, darf sich nicht wundern, wenn er als erster eine Ohrfeige bekommt.“ Wer also aus der Masse der Menschen herausragen will, ist stets im Besonderen als Ziel für Satire willkommen.

Wenn aber solche Personen, Unternehmen, Parteien usw. herangezogen werden und dann unter dem Deckmantel der Satire verballhornt, verspottet und veralbert werden, ist das oft allein schon deshalb keine Satire, weil das Bestreben des angeblichen oder vermeintlichen Satirikers allein darin begründet ist, nunmehr selbst vom Ruhm oder Erfolg des Angegriffenen profitieren zu wollen.

Ich persönlich scheue mich nicht, konkret über Personen zu schreiben. Wenn ich das tue, dann tue ich das, weil ich meine, derjenige habe das so verdient. In der Regel habe ich aber nichts davon, wenn ich jemanden verletze oder persönlich herabwürdige.

Seit Jahren habe ich beispielsweise eine ganz bestimmte Person im Visier, schreibe immer mal wieder, ohne ihren Namen zu nennen, über sie, habe sie so genau beschrieben und teilweise ihre Äußerungen wortwörtlich wiedergegeben. Es ist mir aber jedes Mal eine diebische Freude, wenn ausgerechnet dieser Mensch meine Satiren liest, über die Beschreibung seiner Person am meisten lacht und dennoch meint, so einen Menschen gäbe es doch gar nicht oder aber das sei ein ganz anderer. Ich nehme dies als Beweis, daß man die Mittel der Satire auch einsetzen kann, ohne ehrverletzend sein zu müssen.

Satire darf alles, aber sie MUSS nicht alles!

©2011

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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 12. April 2016 | Peter Wilhelm 12. April 2016

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