Es gibt sie noch, die guten Dinge. Eine Weisheit, die ich kürzlich selbst erfahren durfte. Eine Technik, die seit Jahrzehnten aufrichtig und ohne Murren ihren Dienst tut. Und ich habe sie gefunden.
Ein Aufzug der Gebrüder Klemm von 1967.
Scha-Tonk macht es, wenn ich den Knopf ‚Aufzug Ruf’ unten in der Empfangshalle drücke. Es ist nicht einer dieser Wellness-Touch-Fahrstuhl-Knöpfe, die man nur ansehen muss, um sie zu betätigen. Es ist ein Taster aus echtem Schrot und Korn, einer, bei dem man noch Kraft braucht für den Ruf des Lifts. Früher war das Heranholen des Aufzugs eben nur den körperlich mächtigen gegeben.
Scha-Tonk macht es im Fahrstuhlschacht und ich spüre beinahe körperlich, wie sich die unsichtbare gigantische Maschinerie in Bewegung setzt. Die Zahnräder sind zu hören, das 50 Hertz Brummen des Elektromotors, das Zischen mit dem sich die Aufzug-Gondel in Bewegung setzt. Und der Geruch der mich an die erste elektrische Eisenbahn aus meinen Kindertagen erinnert.
Ich sinniere noch über das Spiel mit der Spur H0, da ist die Kabine bereits im Erdgeschoss angekommen. Ich muss eine stählerne Panzertür öffnen, um in das Telefonzellen-große Innere zu gelangen. Ja, in den 60ern waren die Menschen eben noch klein. Eine Holztäfelung strahlt ein angenehmes wie dezentes Willkommen aus, der rote Teppich zeugt noch von der Größe, das dieses Hotel einmal gehabt haben mag.
Das Tolle bei so einem Transport-Oldtimer ist ja, dass man auf einen Blick Taster und Beschriftung voneinander trennen kann. Wie oft habe ich schon in großen gesichtslosen Hotels auf Schriften rumgedrückt, um endlich auf mein Zimmer zu kommen. In Japan bin ich mit meinem Lift einmal ob absurdester Beschriftung mitten in eine Hochzeitszeremonie gefahren, dabei wollte ich doch nur Schlafen gehen! Zu meinem Glück haben asiatische Aufzüge aber diese Tür-Sofort-Schliessen-Taste >|< , die mich kurz vor dem Eintreffen der feinen Gesellschaft samt Braut erlöste. Glück gehabt! Im Gebrüder Klemm finde ich mich leicht zurecht: Es gibt nur vier Tasten in der massiven Ausführung des für mich schon legendären ‚Aufzug Ruf’ Tasters. Für jede Etage eine. Notglocken sind was für Anfänger, ich habe im Gebrüder Klemm eine Notbremse! Die lässt sich über einen roten Kippschalter aktivieren. Da lasse ich aber besser die Finger von. Die zweite Etage ist mein Ziel. Ich drücke also mit Verve den Taster ‚Etage Zwo’. Die Automatik-Tür vor meinen Augen schießt mit beeindruckender Geschwindigkeit in ihre Verankerung. Scha-Tonk! Nichts für Städter mit albernen Modehunden. Stille. Aber nur einen kurzen Moment. Ich lausche dem bereits erlebten Schauspiel, das ich nun viel intensiver erfahre. Der Elektromotor. Die Zahnräder. Das Zischen. Ich wanke bei der Anfahrt einen Moment, denn ich bin ob des Tempos mit dem ich mich vertikal durch das Haus bewege, begeistert. Gene Roddenberry, Vater von Star Trek und Erfinder des Turbolifts muss vor der Niederschrift seiner Lift-Technik auch einmal hier, im Gautinger Hotel garni Gast gewesen sein. Welche Ehre. Nach gefühlten zwei Sekunden Fahrt ist das Schauspiel vorbei. Ich bin am Ziel. Glücklich und zufrieden kehre ich ein zur Nachtruhe. Dieser Aufzug von 1967. Ein Zeugnis deutschen Erfindergeists und Solidität. Wartungsfrei bis ins Jahr 2013. Beim Einschlafen stelle ich mir einen ölverschmierten Johann wie bei ‚Das Boot’ vor, der mit einem kleinen Ölkännchen ab und an einmal die großen Zahnräder schmiert und nach dem Rechten sieht. Der zufrieden den Elektromotor streichelt, sich durch seine zerzausten Haare fährt und sich dann neben die Maschine für ein Nickerchen legt. Denn der Gebrüder Klemm ist eine gute Maschine, die nichts mit den Aggro-Lifts aus 80er Jahre B-Movies wie ‚Aufzug des Grauens’ gemein hat. Es gibt sie eben noch, die guten Dinge. Man muss sie eben nur erkennen. ein Gastbeitrag von Frank Mischkowski
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