Im Jahr 2025 sind gleich mehrere neue Bücher von Peter Wilhelm erschienen. Drei davon sind bereits veröffentlicht, ein weiteres befindet sich in Vorbereitung. Nach den drei Neuerscheinungen im Jahr 2024 stellt sich die Frage: Wie kommt es zu dieser bemerkenswerten Produktivität?
Das Interview führte Nele Sanddorn:
NS: Herr Wilhelm, nach drei Büchern im letzten Jahr folgen jetzt erneut drei in 2025. Wie schaffen Sie das?
Peter Wilhelm: Ich habe das bereits im vergangenen Jahr in einem Interview erläutert. Die Bücher, wie etwa die beiden Ratgeber „Wenn die Trauer kommt – So geht sie wieder“ und „Nicht senil, nur schwerhörig – und ich will kein Hörgerät“, ebenso wie die Satirensammlung „Du mich auch!“, sind Projekte, die über viele Jahre hinweg entstanden sind. Oft fehlte nur noch der letzte Anstoß zur Fertigstellung.
NS: Aber weshalb erscheinen so viele Werke in so kurzer Zeit?
Peter Wilhelm: Im September 2023 war ich schwer krank und ans Bett gefesselt. Das war für einen kreativen Menschen wie mich schwer zu ertragen. Mein Laptop wurde zur Rettung. Die erzwungene Ruhe ermöglichte es mir, liegengebliebene Projekte endlich zu vollenden. Bei den Büchern, die 2025 erscheinen, war das so.
NS: Sie waren wieder krank?
Peter Wilhelm: Ich werde wohl nie wieder ganz gesund sein. Das zwingt mich dazu, meine Zeit neu zu strukturieren und andere Prioritäten zu setzen. Schreiben steht jetzt an oberster Stelle. Deshalb habe ich zwei nahezu fertiggestellte Manuskripte vollendet: „Digitaler Tatort Internet“ und „Bestatter – Abzocke und Fehler vermeiden“. Zwei Ratgeber, die mir am Herzen lagen und die endlich abgeschlossen werden mussten.
NS: Und was ist mit „Mori“, Ihrem Roman?
Peter Wilhelm: Das ist eine ganz andere Geschichte. Die Figur Maurice Thomas hat mich von Anfang an fasziniert. Diese weitgehend unbekannte, dramatische Begebenheit verdient es, erzählt zu werden. Es sieht so aus, als sollte sie verschwiegen werden, und das hat diese Geschichte nicht verdient. Ich habe über Jahre hinweg recherchiert und die Fakten mit meiner schriftstellerischen Fantasie verwoben. Daraus wurde eine intensive, literarisch durchdrungene Geschichte, die drei Jahre Arbeit gekostet hat.
NS: Ich habe „Mori – Der Teufel von Waibstadt“ gelesen. Das Buch hat mich umgehauen.
Peter Wilhelm: Vielen Dank. In diesem Roman steckt tatsächlich sehr viel Herzblut. Aber noch mehr Arbeit erfordert das Projekt, an dem ich aktuell arbeite: ein weiterer Roman mit dem Titel „Blut – Süße Tropfen des Todes“.
NS: Wow! Noch ein Roman? Der Mori ist ja schon 500 Seiten stark. Wird das wieder so ein dickes Werk? Und um was geht es?
Peter Wilhelm: Als ich mit dem Mori angefangen habe, gab es knapp 30 Sätze Material. Daraus wurden dann 168 Seiten und am Ende 500. Bei „Blut – Süße Tropfen des Todes“ handelt es sich um ein Werk mit einer sehr wechselhaften Geschichte. Das ist der Hammer, echt jetzt.
Den Roman habe ich um das Jahr 2008 erdacht und komplett im Kopf fertiggeschrieben. Das Aufschreiben ist dann die häßliche und langwierige Seite der Arbeit. Ich habe etwa 2 Jahre daran geschrieben und das Buch meinem Verlag vorgestellt. Dort war man begeistert, fand aber, ich solle die Handlung von einer fiktiven Örtlichkeit an einen real existierenden Ort verlegen. Der Verantwortliche, der aus derselben Stadt stammt wie ich und dessen Frau hier aus der Gegend stammt, in der ich heute lebe, schlug vor, die Handlung hier anzusiedeln. Zuerst war ich skeptisch, dachte dann aber an die vielen Lokalromane, wie die Eifel-Krimis, und habe zugestimmt. Es dauerte rund ein Jahr, das Buch komplett auf meinen Wohnort hier anzupassen.
Bestimmte Figuren mussten geändert werden, damit das nicht mit realen Persönlichkeiten kollidiert.
NS: Wie meinen Sie das?
Peter Wilhelm: Na ja, in meiner ausgedachten Stadt konnte ich ja Persönlichkeiten, wie den Bürgermeister, den Pastor und den stadtbekannten Lehrer als Verbrecher, Idioten oder miese Person darstellen. Spielt das Buch aber in einer real existierenden Stadt, kann ich mit Rücksicht auf die tatsächlichen Amts- und Würdenträger keine solche Zuordnungen vornehmen. Das war viel Arbeit.
NS: 2008 erdacht und dann? Das Buch hätte doch längst fertig sein müssen.
Peter Wilhelm: Eigentlich schon. Aber dann wechselte der Lektor beim Verlag. Mein langjähriger Lektor ging in Ruhestand oder widmete sich einer neuen Aufgabe. Es folgte eine sehr sympathische junge Frau. Aber sie fand das Projekt an sich schon nicht gut. Das war nicht hilfreich. Sie hatte viele Änderungswünsche, die es wieder erforderlich gemacht hätten, den kompletten Roman komplett umzuschreiben. Dazu fehlte mir die Lust und deshalb habe ich den Roman einfach ohne weitere Bearbeitung vor mir hergeschoben. Mir ist das schon auf den Keks gegangen, dass viele Freunde und Bekannte mich immer nach dem Fortgang und dem Erscheinungsdatum fragten und ich keine Antwort geben konnte.
NS: Und wie haben Sie sich mit der neuen Lektorin dann geeinigt?
Peter Wilhelm: Gar nicht. Die war schneller wieder weg, als ich es erwartet hätte. Ich bekam eine sehr kompetente Frau mit Doppelnamen als Lektorin. Sie arbeitete sich in das Werk ein und hatte wiederum eigene Ideen. Als ich die hörte, wurde mir klar, dass ich ein bis zwei Jahre umsonst gearbeitet hätte, wäre ich den Vorschlägen der vorherigen Lektorin gefolgt. Denn diese neue wollte es wieder so, wie es vorher war, also so, wie der Roman zu diesem Zeitpunkt auf meiner Festplatte gespeichert war.
NS: Das war wann? Helfen Sie mir mal bei der zeitlichen Einordnung.
Peter Wilhelm: Also 2008 erdacht. Bis 2010 geschrieben. Dann ein bis zwei Jahre umschreiben auf die neue Örtlichkeit. Mit der neuen Lektorin etwa ein Jahr herumgezackert. Dann ein Jahr nix. Da sind wir schon in 2013 bis 2015 etwa.
NS: Und der Roman blieb liegen?
Peter Wilhelm: Nicht ganz. Mein Agent stellte ihn mehreren Verlagen vor – zwei zeigten Interesse, forderten aber mehr Erotik. Das war überraschend für mich. Man sagte mir: Frauen mittleren Alters lesen besonders gerne blutrünstige Thriller mit einer Prise Erotik. Das war nicht mein Stil.
NS: Kein Sex im Buch?
Peter Wilhelm: Ich könnte erotisch schreiben, wenn ich wollte. Aber in diesem Thriller wären solche Szenen Fremdkörper. Ich habe es versucht und schnell wieder verworfen. Aber es ist ja nicht so, dass gar keine Erotik vorkommt. Doch eben nur in dem Maße und an den Stellen, wie es die Geschichte hergibt. Extra noch was reinzufriemeln, das wollte ich nicht.
NS: Warum hat es dann zehn Jahre gedauert?
Peter Wilhelm: Nein. Unmöglich. Und das sage ich Ihnen als jemand, der ein Meister des Kürzens ist. Ehrlich jetzt. Das sage ich nicht ganz ohne stolz. Aber meine erste Aufgabe als Journalist bei einer Tageszeitung bestand darin, Meldungen zu kürzen. Das kann ich wirklich sehr gut. Ich hole immer noch zwei, drei zu löschende Zeilen raus, die sonst alle für nicht machbar halten. Aber das hier ist kein Ratgeberbuch, bei dem man einfach drei, vier Ratschläge weglässt und weitere fünf weniger ausführlich erklärt. Damit lassen sich schnell 50 Seiten einsparen. Aber bei einem Roman, der aus 20 bis 30 eng verwobenen Handlungssträngen besteht, geht das einfach nicht.
Aber heute werden Bücher nicht nur nach ihrem künstlerischen oder sagen wir erzählerischen Wert beurteilt, sondern auch nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ein Buch mit 400 Seiten zu drucken, ist eben einfach billiger als ein fast doppelt so dickes.
Aber ich habe mich mindestens mal ein kleines Stück darauf eingelassen: Ich habe einen bestimmten Handlungsstrang rausgeschrieben. Das war ohnehin eine Idee von mir, die mir nachher nicht mehr wirklich gefallen hatte. Weil das aber so schwer ist, sowas wieder rauszumachen, habe ich mich da nie rangewagt. Jetzt, mit dem Druck der Verlage, habe ich es aber in Angriff genommen. Und wie ich sagte: Es ist nicht leicht. Die Arbeit hat einige Zeit gedauert. Zwischendurch wurde ich mutlos und lustlos und noch ein Jahr verging.
Ja, und dann kam Corona. Alles hat sich irgendwie verändert. Die Verlage ordneten ihre Prioritäten neu und auf einmal hieß es, dass ein Roman gar nicht lang genug sein kann… Und da hatte ich die Schnauze voll.
NS: Sie haben aber nicht aufgegeben?
Peter Wilhelm: Nein. Es lag da, wartete auf den richtigen Moment. Der ist jetzt gekommen. Ich überarbeite den Text, streiche vorsichtig, füge hinzu, forme neu. Das Buch wird etwa 600 Seiten haben und hoffentlich zur Jahresmitte erscheinen.
NS: Buch Nummer vier in einem Jahr?
Peter Wilhelm: Ja. Aber das sind nur Erscheinungsdaten. Geschrieben wurden die Bücher über viele Jahre hinweg. Und: Ich habe so etwas wie Torschlusspanik.
NS: Haben Sie Angst, ihre Popularität zu verlieren?
Peter Wilhelm: Nein. Popularität ist mir egal. Ich bin sowas von uneitel. Natürlich freue ich mich, dass ich Erfolg mit meinem Werk habe und dass ich als das anerkannt bin, was ich von Kindesbeinen an werden wollte: Ein Schriftsteller. Ich war auch froh, dass ich in Fernsehsendungen, im Radio und auf über 200 Lesereisen meine Bücher vorstellen durfte. Aber dabei ist es mir niemals um die reine Selbstdarstellung oder Selbstvermarktung gegangen, es ging mir immer nur darum, dass meine Geschichten erzählt werden. Mir ist es immer nur darum gegangen, Menschen zu unterhalten und zu verzaubern. Wenn irgendwo jemand eine Geschichte von mir liest und gut unterhalten wurde, dann ist das mein größtes Glück.
NS: Wenn es aber nicht um die Popularität geht, was bewegt Sie dann zur Aussage ‚Torschlusspanik‘?
Peter Wilhelm: Ich bin nicht gesund und ich habe Angst, dass ich eines Tages nicht mehr schreiben kann; dass diese ganzen angefangenen und fast fertigen Bücher dann für immer irgendwo in der Cloud oder auf einer längst vergessenen Festplatte bleiben. Ich haue raus, was geht.
NS: Dieses Jahr kommt also noch ‚Süßes Blut‘. Um was geht es da?
Peter Wilhelm: Das Ding heißt „Blut – Süße Tropfen des Todes“. Es ist ein spannender Thriller über einen Serienmörder. Der Kommissar, der die Hauptfigur dieses Buches ist, steht vor den Fragen, weshalb in einer verschlafenen 14.000-Seelen-Gemeinde nun etliche Morde passieren, wie sie in Zusammenhang stehen und wer der Täter ist. Ich verspreche mindestens zehn Leichen, mehr erzähle ich aber nicht.
NS: Und nach „Blut“?
Peter Wilhelm: Ach Gott! Ein Herzensprojekt! Ich will unbedingt noch ein Kinderbuch machen. Da möchte ich eines meiner großen Interessensgebiete, das gesunde Hören, in einem Buch für Kinder verarbeiten. Auch diese Geschichte habe ich im Kopf schon fertig. Das mache ich auf jeden Fall, wenn man mich lässt und wenn ich das noch schaffe.
NS: Jetzt mal nicht so fatalistisch!
Peter Wilhelm: Will ich ja gar nicht sein. Nur habe ich jetzt die Kraft und die Zeit, mich um zig angefangene Bücher zu kümmern. Da kommt also noch was.
NS: Dann wünsche ich Ihnen Schaffenskraft, gute Gesundheit und viel Erfolg.
Peter Wilhelm: Vielen Dank, ich tu mein Bestes.
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