Spitze Feder

MHD

Haesin

Keine Bange, Leute: Ich bin nicht etwa zum Rap konvertiert. Ich bleibe beim Jazz…

bei dem jeder halbwegs intelligente Mensch früher, oder später, landet (sinngemäß nach Joachim E. Berend). Ich konnte dem zornigen Aggro von „Musikschaffenden“ noch nie etwas abgewinnen, bei dem der Zweck ihres Gebrülls einzig darin zu liegen scheint, zwangsgereimte Schimpfwortkaskaden mit übertötenden Beats zu unterlegen, nur, um sich aus den Erlösen ihres sonderbaren Œuvres, einen Bugatti Chiron zu kaufen und darin, mit monströsen Goldketten um den Hals, über die Boulevards der Metropolen zu cruisen, um pubertierende TikTok-Hühner zu beeindrucken. Deshalb meine ich mit MHD auch nicht den französischen Rapper (alias Mohamed Sylla), sondern eine, aus einer endlosen Reihe von EU-Vorschriften, die es durch ihre intellektuelle Stringenz, locker mit dem absonderlichen Umpf-Umpf besagter „Musikschaffenden“ aufnehmen kann:

Das Mindesthaltbarkeitsdatum.

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Im Gegensatz zu jenen Gewalt-Barden, die sich mit einer Glock, einem weiteren Must-Have der Szene, zu einem frühen Zeitpunkt ihres künstlerischen Wirkens, freundlicherweise gegenseitig selbst aus dem Markt nehmen, haben die Beschlüsse der EU-Kreativen in der Regel kein Mindesthaltbarkeitsdatum.

Vor ein paar Tagen habe ich in meinem Kühlschrank einen Becher Joghurt entdeckt, der dort schon längere Zeit ausgeharrt haben muss. Sein, gemäß der europäischen Lebensmittel-Informationsverordnung, aufgedrucktes Mindesthaltbarkeitsdatum, war seit fünf Wochen überschritten…und er schmeckte noch einwandfrei. Will sagen: Mich interessiert es nicht die abgelaufene Bohne, was die Molkereien nach Vorgaben der Brüsseler MHD-Honks auf ihre Joghurt-Becher drucken müssen. Entweder das Zeug ist noch genießbar, oder eben nicht. Punkt!

Blöd nur, dass dieser Pragmatismus Micheline und Michel völlig abgeht, und sie deshalb Jahr für Jahr noch einwandfreie Lebensmittel lieber in die Tonne kloppen…weil sie ja schließlich „verfallen“ sind. Oder sie klauben aus den Kühlregalen der Supermärkte die Joghurt-Becher von ganz hinten heraus, weil das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum bei diesen Exemplaren ein paar Tage später ist. Selbst, wenn sie den Joghurt noch am selben Tag futtern.

Ich bin mir deshalb sicher, dass Micheline und Michel wohl nie beim Jazz landen werden. Ebensowenig wie die Bundesministerinnen und Bundesminister der Finanzen. Wie anders könnte man das Mindesthaltbarkeitsdatum bei explizit begründeten Steuern, bzw. deren dreiste Beibehaltung, nach einem Wegfall der Gründe für deren Erhebung, sonst erklären, als mit mangelnder Intelligenz? Mit Ignoranz? Mit Standesdünkel? Wer weiß?

Die Schaumweinsteuer wurde beispielweise 1902 vom Reichstag eingeführt, um auch die Liebhaberinnen und Liebhaber jenes prickelnden Labsals an der Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte zu beteiligen. Wenngleich die verstrahlten Reichsbürger, oder deren parlamentarisches Pendant, der Abschaum für Deutschland, es auch in Frage stellen: Das Deutsche Kaiserreich endete mit der Weimarer Republik. Ende der Durchsage!

Im Gegensatz zur Schaumweinsteuer, die gibt es nämlich immer noch. Nun, man kann diese Unverfrorenheit ja umgehen, indem man sich einfach keinen Sekt reinpfeift. Aber damit ist das Problem per se ja noch nicht gelöst. Der Output von Politik an suspekten Mindesthaltbarkeitsdaten ist uferlos, und die Schaumweinsteuer ist hier eher ein unbedeutendes Add-On.

Heute, am 8. Mai 2023, jährt sich, mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, zum 78. Mal das Ende des zweiten Weltkrieges. Bei den obligaten Kranzniederlegungen wird dann wieder von der Befreiung der Welt von der Nazi-Barbarei deliriert, vom Sieg des Rechts über die Tyrannei, und dass so etwas niemals nie wieder…et cetera pp.

Womit ich den Bogen wieder zum titelgebenden Mindesthaltbarkeitsdaten spannen möchte: 1949, also 4 Jahre nach besagter Zäsur, sagte Franz-Josef Strauß, vormals Leutnant d. R. der Heeresflak in der Ukraine, auf der Krim, sowie vor Stalingrad und Lehroffizier einer Flakschule: „Wer noch einmal das Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen.“ Das Mindesthaltbarkeitsdaten seiner unpatriotisch traumatischen Verblendung, war, Gottlob, nicht wirklich lange.

Denn bereits 7 Jahre später ward Franz-Josef Strauß von ihr geläutert und bekleidete 1956 bis 1962 das Amt des Verteidigungsministers in der ideologisch nun runderneuerten Wehrmacht (vulgo: Bundeswehr). In dieser Zeit soll er angeblich auch ein immenses Privatvermögen, durch die Versorgung der Luftwaffe mit Ersatzteilen für die Kampfflugzeuge Lockheed F-104 (vulgo: Starfighter), angehäuft haben. Das war jedoch nachweislich eine unverfrorene Verschwörungstheorie linksradikaler Langhaariger im Dunstkreis des linksradikalen Verlegers Rudolf Augstein. Denn trotz umfangreicher Untersuchungen, konnten die Vorwürfe der Bestechlichkeit, oder der Vorteilsnahme im Amt, gegen den honorigen Herrn Franz-Josef Strauß, nie bewiesen werden. Gleichwohl ist das Mindesthaltbarkeitsdatum dieser Anschuldigungen zäh, wie Leder, hart, wie Kruppstahl…Oh je, das war wohl ein Freudianischer, oder so. Eigentlich wollte ich sagen, dass sich jene Anschuldigungen deutlich länger halten, als die anfänglich naive Friedfertigkeit der noch jungen Bundesrepublik Deutschland, die ja spätestens seit 1999 wieder zum globalen Friedens-Bulldozer aufgestiegen ist.

Denn 78 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wird das Thema „nie wieder Krieg“, von einer Orwellsche Beweislastumkehr beherrscht, auch und gerade beim Krieg in der Ukraine. Die Lesart sämtlicher Akteure der politischen Mitte besagt, unabhängig vom historischen Kontext, dass dieser Krieg seitens der Ukraine gewonnen werden muss, damit Friede einkehrt, und jeder der meint, dass dass dieser Krieg beendet werden müsse, damit Friede einkehre, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dem „Feind“ das Wort zu reden.

Um das Weltgeschehen 2023 in einer modifizierten Sichtweise adäquat abzubilden, und um die Belange von Millionen Kriegsflüchtlingen darin gebührend einzubinden, präsentieren die Ampel-Parteien passenderweise heute, am 8. Mai 2023, über das unabhängige und überparteiliche Friedens-Journal der Axel Springer SE, ihre ambitionierte Agenda für den anstehenden Flüchtlingsgipfel am kommenden Mittwoch. Darin finden sich nachstehende, vermutlich alternativlose Eckpunkte:

· Die FDP will Asylbewerbern Sachleistungen, statt Geld geben
· Die Grünen fordern einen härteren Grenzschutz
· Die SPD fordert eine Asyl-Entscheidung vor der Einreise

Die Ampel-Parteien erklären weiterhin, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum des Art. 1 GG, aus Gründen nachhaltiger Wahlkämpfe, dauerhaft überschritten sei. In diesem Zusammenhang drücken sie Micheline und Michel auch ihr tiefes Bedauern darüber aus, dass es selbst in den hinteren Regalbereichen der Supermärkte hierzu leider keine Alternative…oder so ähnlich.

Ich bin mir sicher, dass SPD, FDP und Grüne mit ihrem HK416-A8-Aggro-Rap nie beim Jazz landen werden.


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Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 11. Mai 2023

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