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Lesen ist wie Folter

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Was mich schier zum Verzweifeln bringt, ist die Tatsache, dass unsere Kinder nicht lesen wollen.

Da schreibe ich ein Buch nach dem anderen, in dem auch meine Kinder vorkommen, denn es handelt sich ja um humoristische Familiengeschichten, und die Blagen wollen nicht lesen.

Die Allerliebste und ich besitzen rund 4.000 Bücher, allein die Kinder haben bestimmt 200, wenn nicht mehr. Aber Bücher sind für sie ein schönes Geschenk, über das man sich sehr freut, es einmal anschaut und dann für immer und für alle Zeiten ins Regal stellt.

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Ich kann mich noch so gut daran erinnern, wie gerne ich schon als Kind gelesen habe. In der Schule tat man uns die Ganzheitsmethode an. Ostern eingeschult, konnten wir Weihnachten schon fließend lesen. Mir hat es nicht geschadet. Mein Bruder ist ja viel älter und war längst ausgezogen, als in ins Lesealter kam. Ich bekam sein Zimmer und ‚erbte‘ alle seine Bücher, die er aus unerfindlichen Gründen nicht mitgenommen hatte. Da war die ganze Bandbreite an Kinder-, Jugend- und Erwachsenenliteratur zu finden. Von Karl May bis Kafka, von Storm bis Heine, eben alles. Und ich habe sie gelesen und geliebt diese Bücher!
Verstanden habe ich damals noch nicht alles, aber ich war fasziniert von Schriftstellern, Verlagen und Büchern an sich.

Auch die Allerliebste ist eine Leseratte, seit jeher. Ein Buch wegzuwerfen ist für uns fast undenkbar und überall stapeln sich Bücher, Manuskripe und Zettel, die wir noch lesen wollen.

Doch bei den Kindern ist das anders. Videos, Computer, Telespiele, das ist ihre Welt. Wie? Von Pipi Langstrumpf gibt’s auch Bücher? Wozu denn das? Sie finden es doof, dass da jemand aus dem tollen Film noch sowas wie ein langweiliges Buch gemacht hat.

Ich arbeite eng mit einem niederländischen Kinderbuchautor zusammen, unter dessen Namen eine Reihe Kinderbücher von mir erschienen ist und deren deutsche Ausgabe ich betreue. Daher haben wir auch immer Nachschub an guten, spannenden Kinderbüchern.
Unsere Kinder freuen sich, wenn sie mal wieder ein neues bekommen, aber sie lesen nicht darin.

In der Schule gibt es eine Lesewerkstatt. Wer sich dort ein Buch ausleiht, es liest und dann am Büchereicomputer einen kleinen Wissenstest zum Buch absolviert, der bekommt eine Leseurkunde.
Um einen kleinen Anreiz zu schaffen, versprach ich den Kindern jeweils ein kleines Festmahl, wenn sie eine solche Urkunde machen.

Was soll ich sagen? Ich kam aus der Küche nicht mehr heraus, die Urkunden schlugen hier ein wie damals die Granaten vor Stalingrad. Die Kinder lasen wie die Weltmeister und machten in manchen Wochen bis zu drei Urkunden.
Hatte ich gewonnen? War die Magie der Literatur auch auf die Kinder übergeschwappt?

Zufällig hörte ich, wie sich die beiden unterhielten.
„Du musst immer a, g und h anklicken, das sind immer die richtigen Antworten. Und wenn das nicht klappt, frage ich den Simon, der kennt die Ergebnisse, der ist nämlich doof und liest die Bücher“, sagte mein Sohn zu meiner Tochter.

Schnell stellte sich heraus, dass die beiden mogelten, wo sie nur konnten. Sie hatten ruckzuck herausgefunden, dass es reicht, die Hauptdarsteller des jeweiligen Buches zu kennen und grob zu wissen, um was es geht. Meistens reichte das Studium des Klappentextes, um die einfachen Testfragen beantworten zu können.
Gelesen haben die beiden vermutlich kein einziges Buch.

Wenn wir mal sagen: „Lest doch mal was!“, dann ist das so, als ob wir die Kinder nackt und mit Ruß beschmiert auf die Straße schicken würden. Vermutlich würden sie sich sogar lieber bei lebendigem Leib alle Fingernägel und Haare ausreißen lassen, bevor sie auch nur einmal freiwillig lesen würden.

Das Mädchen hat sich jetzt zur Mädchenjungschar angemeldet. Da wird gebastelt, gesungen und vorgelesen. Ab und zu bekommen die Mädchen Bücher mit nach Hause. Josie ist da sehr geschickt. Sie lebt ja noch in der irrigen, aber schmeichelhaften Vorstellung, Papa wisse alles.
Deshalb fragt sie mich dies und das und offenbar reicht das zumeist aus, um in der Jungschar den Eindruck zu erwecken, sie habe das betreffende Buch auch gelesen.

Was soll man machen? Wir haben alles versucht. Wir haben vorgelesen, mit den Kindern gemeinsam gelesen, haben sie vorlesen lassen und und und… Nichts will helfen.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 8. Oktober 2006 | Revision: 27. November 2012

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