Uwe Keim schreibt in seinem Blog etwas über Tippfehler auf Produktetiketten. Thematisch paßt das zu meinem Eintrag von neulich.
In einem meiner Bücher steht die Geschichte: „Zauber der Lyrik“. Weil in dieser Geschichte auch ein total schlecht übersetzter Text einer Bedienungsanleitung ein Rolle spielt, hier ein Zitat aus der Geschichte:
„…Ich soll einen Leseabend machen. Naja. Wie es sich für einen Humoristen gehört, bin ich eher menschenscheu. Mein Verleger hat viel Verständnis für meine ablehnende Haltung und sagt: „Da gehst du hin!“ Es ist doch lieb von ihm, dass er mich so nett bittet.
Ich habe schon sehr viele Leseabende gemacht, vielleicht zwei oder drei. Da sitzen dann freundliche Menschen in einer Buchhandlung oder dem Saal eines Literaturvereins und ich sitze vorne an einem kleinen Tischlein. Aus einem meiner Bücher lese ich dann ein paar der komischsten Stellen vor und beantworte dann einige Minuten lang die Fragen der Zuhörer. „Gibt es die Scherohnie wirklich?“, „Schreiben sie tagsüber oder nachts?“, „Brauchen sie Ruhe zum Schreiben?“, „Sind sie Links- oder Rechtshänder?“
Danach bringen die Leute mir Bücher, in die ich meinen Namen schreibe. Insgesamt dauert das eine gute Stunde und bislang hat mir noch nie jemand etwas getan. Ich mache es trotzdem nicht gerne.
Deshalb habe ich auch keine Lust diese Lesung zu machen und bin ziemlich missmutig, als ich mich auf den Weg zum Veranstaltungsort mache. Es ist eine große Buchhandlung in Ludwigshafen. Der einzige Lichtblick ist ein kleines Elektronikgeschäft neben dem Buchladen, in dem mich ein singender Taschenrechner zwingt, ihn zu kaufen. Am liebsten hätte ich ihn gleich ausprobiert, aber dafür reicht die Zeit nicht mehr.
Ich komme noch gerade so rechtzeitig in die Buchhandlung. Es ist eine Buchhandlung, die auf Frauenthemen spezialisiert ist. Macht ja nix, Frauen sind schließlich auch Menschen und wenn sie lesen können, warum sollen sie dann nicht auch meine Bücher lesen, denke ich.
Vorne steht wieder so ein kleines Tischlein und das obligatorische Glas Wasser. Na toll! Warum glaubt eigentlich jeder, ich wäre wild auf kaltes Wasser? Bin ich eine Kuh? Viel lieber hätte ich eine Tasse Kaffee. Wenn es schon ein Glas sein muss, dann hätten sie wenigstens Wodka rein tun können oder Martini, oder noch besser beides.
Insgesamt sind etwa zwei Dutzend Frauen jeden Alters gekommen und sie klatschen etwas zurückhaltend, als ich mich an das Tischlein setze und mein neuestes Buch vor mich hinlege.
Die Inhaberin der Buchhandlung, die sich mir als Frau Christiane-Roswitha Bernstetter-Pillermann vorgestellt hat, begrüßt langatmig die Anwesenden und das gibt mir die Zeit, wenigstens einen kleinen Blick in die Gebrauchsanweisung meines singenden Taschenrechners zu werfen. Sie ist ganz miserabel aus dem Koreanischen ins Deutsche übersetzt. Während ich über die Bedeutung des Wortes „Knopfedruckel“ nachdenke, höre ich mit einem Ohr, wie Frau Bernstetter-Pillermann sagt: „…begrüßen wir Sie bei uns in der Buchhandlung ‚Loseblatt’!“
Ich hole tief Luft und begrüße die Frauen freundlich, dann schlage ich mein Buch auf und lese ein besonders witziges Kapitel vor. Beim letzten Mal haben die Leute vor Lachen beinahe unter sich gemacht und an besonders gelungenen Stellen bekam ich Zwischenapplaus. Dieses Mal ist das anders! Als ich über meine Lesebrille hinweg ins spärlich beleuchtete, weibliche Publikum blicke, sehe ich, dass die meisten der Frauen mit geschürzten Lippen und verschränkten Armen ziemlich gereizt in meine Richtung schauen.
Vielleicht war die Geschichte, die ich ausgewählt habe, doch nicht die richtige. Aber ich habe da noch eine, die besonders lustig ist. Sie handelt von der Schwerhörigkeit meines Schwiegervaters. Über die hat sogar meine Schwiegermutter Tränen gelacht!
Doch auch die Geschichte kommt nicht an. Peinlich berührt bedankt sich Frau Bernstetter-Pillermann für meinen Vortrag und bittet die anwesenden Hyänen, mir nun ein paar Fragen zu stellen.
Eine etwa 30-jährige in Norwegerpulli und nackten Füßen in Jesus-Latschen macht den Anfang: „Wie erklären sie sich die Tatsache, dass sie mit frauenfeindlichen Äußerungen Geld verdienen?“
„Meine Geschichten sind keineswegs frauenfeindlich, im Gegenteil, ich liebe die Frauen.“
„Findet ihre Frau das auch?“, fragt eine Grauhaarige mit Hornbrille.
„Ja, meine Frau und ich führen eine gute Ehe.“
„Finden sie es korrekt, ihre Frau in eine Ehe zu pressen und finanziell auszubeuten?“
„Ich beute meine Frau nicht aus, ich schreibe nur Geschichten über sie.“
„Wie viel zahlen sie ihr denn dafür, dass sie dermaßen ausbeuten?“
„Nichts, wir sind doch verheiratet!“
Die Meute vor mir schnaubt und einige Frauen schütteln den Kopf. Ich lese aus ihren Gesichtern, dass sie mich nicht mögen und schlagartig wird mir klar, dass die nicht gekommen sind, um sich ein Buch signieren zu lassen, sondern um mich stellvertretend für alle Männer (=Dreibeine) zu schlachten.
Eine der Frauen fragt mich: „Haben sie überhaupt schon mal was geschrieben, was nicht gegen uns Frauen geht?“
„Ja sicher!“
„Ach? Was denn?“
„Ich schreibe eigentlich ständig irgendwas, was nichts mit Frauen zu tun hat. Die Geschichte von eben zum Beispiel, die ging um meinen Schwiegervater.“
„Und ihnen ist natürlich nicht bewusst, dass sie ihren Schwiegervater überhaupt nur wegen ihrer Frau haben?“
„Doch schon!“
„Haben sie schon mal Lyrik verfasst?“, will eine andere wissen.
Eben will ich verneinen, denn für einen besonders begnadeten Lyriker halte ich mich weiß Gott nicht, da fällt mein Blick auf die Bedienungsanleitung meines neuen singenden Taschenrechners.
Ich überlege kurz und dann… Was soll’s? Ich beginne langsam, mit sonorer Stimme vorzutragen:
„Drucke Knopfedruckel!
Zirbel Kastentaste,
legen Zahl auf Stimme.
Datum eine bringen
Stimme klingen
Nehme Batterie
des Glaubens Strom.
Stecke Zirbeltaste
Rückwärtig ablesen.“
Nach diesen Zeilen lehne ich mich zurück und schaue wieder über die Lesebrille in die Runde. Zunächst herrscht atemloses Schweigen, dann brandet, nicht enden wollender, Applaus auf und die Frauen sind entzückt! Eine wirft mir ihren selbst gehäkelten Slip nach vorne, eine andere ruft: „Ich will ein Kind von dir!“
„Das ist wahre Kunst!“
„Lyrik!“, schreit eine andere.
Frau Bernstetter-Pillermann hat Mühe, die tobende Menge zu beruhigen. Als es endlich leiser wird, sagt sie: „Das waren wohl die schönsten Zeilen, die je in deutscher Sprache geschrieben wurden. Einem Künstler der die Gefühle einer Frau in so wohlklingende Worte fassen kann, verzeihen wir gerne auch einmal, wenn er über seine Frau schreibt.“
Man sieht, die beste deutsche Lyrik wird heute auch schon in Korea geschrieben. Die haben uns was voraus, die Koreaner, ehrlich!
(C) 2006 by Peter Wilhelm
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