Spitze Feder

Hier öffnen

Unverpackt Pixabay

Schon mal in einem Unverpackt-Laden gewesen? Das Konzept ist gleichermaßen bestechend, wie altbacken, wenn man ehrlich ist.

Die Waren werden, wie auf dem Wochenmarkt, in Großgebinden präsentiert. Im Unverpackt-Laden werden sie jedoch von den Kundinnen und Kunden selbst, in mitgebrachte Flaschen, Dosen, Tüten, oder ähnliche Behältnisse, bedarfsgerecht abgefüllt. Somit werden Berge von Verpackungsmüll vermieden. Ich habe zwar schon viel darüber gehört, gesehen und gelesen, eine Bekannte betreibt sogar ein solches Geschäft, aber zu meiner Schande muss ich gestehen, noch nie in einem Unverpackt-Laden gewesen zu sein. Kommt aber noch. Großes Indianer-Ehrenwort!

Im Gegensatz zu dem durchdachten und ressourcenschonenden Modus Operandi eines Unverpackt-Ladens, ist unsere geläufige Art, Produkte an den Mann und an die Frau zu bringen, reichlich bescheuert. Ein global agierender Industriekomplex aus tausenden einzelnen Unternehmen, lebt davon, Verpackungsmittel jedweder Art, wie Papier, Folien, Wellpappe, Styropor-Chips, Holzwolle, Puffmais, Klebefilme, Schnüre, Bänder, und, und, und, herzustellen und in Form individueller Verpackungslösungen an die Hersteller von all jenem Zeug zu liefern, das hernach in einem Tetrapack, einer Dose, einer PET-Flasche, einer Tüte, einem Blister, etc. pp, in unseren Einkaufswagen ladet. Ein Milliardengeschäft!

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Im Grunde genommen, allerdings ein ziemlich bescheuertes Milliardengeschäft, aber das sagte ich ja bereits. Schlauchfolien um Salatgurken sind mittlerweile weitestgehend aus den Supermärkten verschwunden. Das muss man lobend erwähnen und auch gutheißen. Ob man seitens der Handelsgiganten und/oder der Verbraucherinnen und Verbraucher ein Einsehen hatte, wie durch und durch idiotisch es ist, eine perfekte und natürliche Verpackung, die durch die Jahrtausende währende Evolution entstanden ist, zu verpacken, weiß ich nicht wirklich.

Solchen Blödsinn gibt es aber immer noch zuhauf. Ich sag nur: Broccoli! Am Ende landen dieser Verpackungen nämlich als nicht abbaubarer Plastikmüll in Millionen gelben Säcken der globalen Entsorger im Nirwana rumänischer Scheunen, in der afrikanischen Einöde und im Mariannen Graben. Die Politik schiebt derweil sämtlichen Versuchen, dem ganzen Irrsinn einen Riegel vorzuschieben, einen Riegel vor. Denn schließlich geht es ja um Abertausende von Arbeitsplätzen in einem global agierenden…bla, bla, Rhabarber.

OK, kennt man. Insofern: Knicken, lochen, abheften. Kein zusätzlicher Grund, sich die Krätze an den Hals zu ärgern, lediglich ein weiterer. Manchmal habe ich den Eindruck, Angela Merkels staatstragender Duktus aus dem Jahre 2014, „Vorfahrt für Wachstum“, sei in den Rang eines Naturgesetzes erhoben worden. Weshalb ausgerechnet eine promovierte Naturwissenschaftlerin eine derartige Losung ausgibt, wohlwissend, dass die fundamentale Umsetzung dieser gebieterischen Attitüde, wiederum selbst den Erkenntnissen der Naturwissenschaften zuwiderläuft, weiß ich ebenfalls nicht wirklich. Aber das kennt man ja bereits von Merkels segnender Hand über dem Atommüll-Endlager in Asse. Insofern: Knicken, lochen, abheften. Kein zusätzlicher Grund, sich die Krätze an den Hals zu ärgern, lediglich ein weiterer. Aber das sagte ich ja bereits an anderer Stelle.

Wäre da, in Sachen Verpackungen, nicht Etwas, das mich zu Weißglut bringen kann: Ob Käse, gemahlener Kaffee, Wurst, Kaffeesahne…auf beinahe jeder Verpackung finden man den freundlichen Hinweis: „Hier öffnen“; für funktionale Analphabeten und Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, zusätzlich noch mit einer Art aufgedruckter Bedienungsanleitung als Pfeil-Symbol-Piktogramm-Dingenskirchen.

Da ich sowohl lesen kann, als auch der deutschen Sprache mächtig bin und zusätzlich noch jenes Pfeil-Symbol-Piktogramm-Dingenskirchen richtig zu deuten vermag, sollte man doch eigentlich davon ausgehen können, dass es ein Leichtes sein müsste, den begehrten Inhalt einer Verpackung, selbiger ohne größeren Aufwand zu entnehmen und hernach freudig in den Händen zu halten.

Weit gefehlt! Alleine einen Broccoli aus der handelsüblichen Stretch-Folien-Bondage-Orgie zu popeln, taugt, um den Ruhepuls deutlich zu erhöhen, zumindest meinen. Obwohl, oder weil, auf der Folie kein Pfeil-Symbol-Piktogramm-Dingenskirchen ist, weiß ich gerade ebenfalls nicht.

Es ist eine Sache, für jeden Mist eine Verpackung, eine Verpackungsverordnung, eine DIN-EN-ISO-Norm, nebst Durchführungsverordnung zu kreieren. Eine Andere ist, dass man eine gefühlte Ewigkeit in der Küche rumhantiert, um eine dämliche Packung Parmesan, pikante Salami Mailänder Art, oder herzhaften Bergkäse in Scheiben, exakt an der Stelle zu öffnen, an der „hier öffnen“ steht, flankiert, von besagtem schafsdämlichen Pfeil-Symbol-Piktogramm-Dingenskirchen. Ohne Scheiß, aber ich könnte da fast jedes Mal aus der Haut fahren.

Man kennt ja mittlerweile Herausforderrungen dieser unnützen Art und probiert deshalb gleich von Haus aus, mit den Fingernägeln, einem kleinen Schälmesser, oder einem sonstigen, zweckdienlich erscheinenden Küchenutensil, genau jener ausgewiesenen, sich jedoch stets hartnäckig zur Wehr setzenden Ecke, habhaft zu werden und letztendlich daran die Packung durch geschmeidiges Ziehen zu öffnen.

Ich bin durch dieses aufoktroyierte Zwangsritual, mittlerweile so angepisst, dass ich jener nervenden Ecke mit ihrem Pfeil-Symbol-Piktogramm-Gedöns, nur eine einzige Chance gebe, den ihr per Konstruktion zugewiesenen Zweck zu erfüllen. Bei Parmesan am Stück nehme ich mittlerweile sogar schon grundsätzlich ein Messer und denke mir: Da, nimm das hin, Du blödes, unnützes Etwas von einer Hier-öffnen-Ecke. Übrigens ein Messer, das ich einer Blister-Verpackung mit brutaler Gewalt geradezu abringen musste, bevor ich es benutzen konnte!

Himmeldonnerwetter noch mal, Leute, geht´s noch? Wenn Ihr schon meint, jeden dämliche Krümel verpacken und die Verpackung zusätzlich noch mit Pfeil-Symbol-Piktogramm-Gedöns verunzieren zu müssen, dann sorgt in Dreiteufelsnamen auch dafür, dass man den Plunder genau an jener Stelle, an der „hier öffnen“ steht, auch öffnen kann!!! Ist das etwa zuviel verlangt?

Und da mein Ruhepuls gerade mal wieder die 100er-Marke zu reißen droht, noch eine allerletzte Bemerkung: Wenn jetzt zu allem Übel noch Claudia-Roth und ihre Gender-Sprachpolizistinnen und Gender-Sprachpolizisten hereinplatzen und mich blöd von der Seite anlabern, ich hätte lediglich von funktionalen Analphabeten und nicht auch von funktionalen Analphabetinnen geschrieben, platzt mir der Kragen.

Dann zeige ich mit hochroter Birne auf die Wohnungstür und schreie mit überkippender Stimme, wie weiland das selige HB-Männchen: „Hier öffnen“!

Bildquellen:
  • unverpackt-pixabay: Bild von LoggaWiggler auf Pixabay


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Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 16. November 2023

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