ServiceWüste

Flaschenverschlüsse, die nicht mehr aufgehen

Verschluss

Es ist eine Seuche! Ich sitze neulich in meinem Büro und möchte eine Flasche Limo trinken. Doch ich bekomme die Flasche nicht auf. Und ich bin groß und stark. Ja, ich habe seit Jahren Arthrose in den Händen, aber das hat mich noch nie daran gehindert, eine Flasche aufzudrehen.

Was ist da los? Weshalb gehen manche Flaschen jetzt so schwer auf?

Nun, das hat mehrere Gründe. Zunächst der ganz profane Grund: Dem Abfüller sind die Kunden scheißegal. Er hat seine Maschinen so eingestellt, dass die Verschlüsse superbombenfest aufgedreht werden. Ob der Kunde den Verschluss dann leicht aufbekommt, interessiert ihn nicht.
Fast die gesamte Wirtschaft hat die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen im Blick und schert sich wenig bis gar nicht um die Älteren und Schwächeren.

Doch das ist nur ein Grund. Der andere liegt in einer EU-Verordnung begründet und bezieht sich nicht generell auf Flaschenverschlüsse, sondern auf die neuen Thethered-Caps, die Verbundverschlüsse, oder wie der Coca-Konzern es mal nannte: Lass mich dran-Verschlüsse.

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EU-Verordnung

Die Europäische Union hat nämlich eine Richtlinie zu Verschlüssen an Einweg-Getränkeverpackungen verabschiedet, die für die ganze EU gilt. Diese Richtlinie besagt, dass ab Juli 2024 Verschlüsse fest mit der Einweg-Verpackung verbunden sein müssen.
Somit werden die verbundenen Verschlüsse für Verbraucher in der EU schon bald Alltag sein.

Neuer Deckel?

Du erkennst den neuen Deckel daran, dass er scheiße aufgeht. Du hast nur eine schmale Kappe zum Anfassen und selbst mit schlanken Fingern umfasst Du sowohl die Kappe, als auch den Haltering, was sehr kontraproduktiv ist. Außerdem steht oben, zumindest bei Produkten vom Coca-Cola-Konzern „Fester Verschluss“ oben drauf.
Die neuen Verschlüsse sind beweglich, bleiben aber über Scharniere mit dem Sicherheitsring am Flaschenhals verbunden. Damit der Deckel beim Trinken nicht stört, muss er zurückgeklappt und eingerastet werden.
Bei Coca Cola zum Beispiel werden die PET-Einwegflaschen aller Getränke auf die Tethered Caps Verschlüsse umgestellt. Das umfasst alle verfügbaren PET-Einweg-Flaschengrößen von 0,33 Liter- bis zur 2 Liter-Packung. Die neuen Deckel kommen auf PET-Einwegflaschen im gesamten Getränkesortiment: zum Beispiel auf kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke wie Coca-Cola, Fanta, Sprite oder mezzo mix, als auch auf Mineralwasser und biozertifizierte Getränke der Marke ViO sowie auf Fuze Tea oder Powerade. Mehrweg-PET- und Mehrweg-Glas-Flaschen behalten ihre gewohnten Deckel und werden nicht umgestellt.

Was steckt hinter der EU-Richtlinie?

Auslöser für die neue EU-Regelung waren Strandmüllzählungen an den EU-Küsten. Hierbei wurde festgestellt, dass bis zu 85 % der Meeresabfälle Kunststoffe sind – viele davon Flaschenverschlüsse.
Die Deutschen tragen hieran aber keine Schuld, denn dank des gut funktionierenden Rücknahmesystems ist Deutschland kein Verursacher dieser Vermüllung. In der BRD werden laut Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung rund 98 % der PET-Flaschen mitsamt Deckel wieder zurückgebracht.
Doch die Deutschen sind als müllverliebte Sammler, Reiniger und Recycler ziemlich allein in Europa. Von den neuen Tethered Caps erhofft sich die EU mehr Recycling und weniger Müll, speziell im Hinblick auf die Meere.
Da in Deutschland sowieso nahezu alle Deckel über das Pfandsystem zurückkommen, haben die neuen Flaschenverschlüsse überhaupt bei uns keinen Einfluss.
In anderen Ländern ist das natürlich anders. Das heißt, wir brechen uns die Finger für die europäischen Nachbarn.

Hätte man die bestehenden Deckel mit Scharnier ausgerüstet, hätte man noch mehr Plastik verwenden müssen. Um also einen dranbleibenden Verschluss bei gleichzeitiger Plastikeinsparung hinzubekommen, hat man die Kappenhöhe drastisch reduziert, was eben zu diesen schmalen, kaum greifbaren Drehverschlüssen führt.

Wasserpumpenzange kann doch nicht die Lösung sein

Bei meiner Limo-Flasche habe ich mir mit einer Wasserpumpenzange helfen müssen, eigentlich ein Witz. Wie so vieles, was uns als angeblich verbraucherfreundliche Verpackung zugemutet wird, ein absoluter Witz ist. Nimm doch nur mal die angeblich wiederverschließbare Folie von Wurst- oder Käsepackungen!
Entweder die angebrachte Klebe hat eine so geringe Haftkraft wie ein Schlittschuh auf der Eisbahn oder die Folie reißt, selbst bei vorsichtigster Herangehensweise, in der Mitte komplett durch. Von den vielen Produkten, die man ohne Werkzeug gar nicht aufbekommt, ganz zu schweigen.

Für Flaschenverschlüsse habe ich auf Thingiverse eine Lösung zum Ausdrucken mit einem 3D-Drucker gefunden: https://www.thingiverse.com/thing:403031
Wer keinen 3D-Drucker hat, für den gibt es entsprechende Öffnungshilfen in Supermärkten oder auch online. Auf jeden Fall bekommt man solche Artikel in Fachgeschäften für Sanitäts- und Seniorenbedarf. Da sollte man sich auch jüngerer Mensch nicht scheuen, dort mal reinzuschauen.

BILD: Warum gehen Flaschen so schwer auf?
Coca Cola: Der neue „Lass mich dran Deckel“ erklärt

Bildquellen:
  • Verschluss: Peter Wilhelm


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In der „Servicewüste“ navigieren wir durch die oft trockenen Landschaften des Einzelhandels, der Behörden und des Online-Shoppings, wo Kunden sich vernachlässigt oder ungerecht behandelt fühlen. Diese Rubrik beleuchtet prägnante Beispiele solcher Erfahrungen. Doch es geht nicht nur um Kritik: Wir heben auch jene Oasen hervor, wo Unternehmen sich durch außergewöhnlich guten Service abheben und beweisen, dass eine „Servicewüste“ nicht die Norm sein muss.

Entdecken Sie mehr darüber, wie einige Marken es schaffen, in einer Welt voller Herausforderungen positiv aufzufallen.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 20. Mai 2024

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