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Expresso

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Ich finde ja Frauen durchweg schöner als Männer. Zugegeben, es gibt auch nette Männer und es gibt ganz viele häßliche Frauen, aber so unterm Strich sind die Frauen dem lieben Gott etwas besser gelungen. Besonders deutlich finde ich, sieht man das bei Heidi Klum.

Heute kommt mir auf dem Weg zum Bäcker ein Mensch entgegen, da war ich mir nicht sicher, ob mir da ein Mann oder eine Frau begegnet. So für mich habe ich gedacht: „Lieber Gott, lass es einen Mann sein!“

War aber keiner! Ich bin gerade auf derselben Höhe, da wendet sich das Getüm zu mir herüber, entblößt eine Reihe gelber Pferdezähne und blökt mich mit einer Stimme an, die Steine zum Zerspringen bringen könnte: „Wo issen da der Bäcker?“ Ach Gott, denke ich, das kann nur Luise Koschinskys Schwester sein. Man kennt doch Hans-Werner Olm (oder heißt der Lurch?), der sich für so genannte Comedy-Sendungen gerne mal als Frau verkleidet und herumpöbelt. Nur war mein Exemplar hier echt und ich war nicht Gast in einer Comedy-Sendung.

„Bäcka!“, herrscht mich das Monster an und nur am Grinsen kann ich erkennen, daß es gut mit mir meint. Fast zwei Meter groß, sicherlich deutlich über zwei Zentner schwer, kurze, struppige Haare und von der gesamten Erscheinung eher bei Frankensteins Monster, als bei Heidi Klum angesiedelt.

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Ich zeige bloß mit dem Finger in die andere Richtung und setze meinen Weg einfach fort. Das Gerümpel schließt sich mir an, stapft neben mir her, als wolle es einen Flächenbrand austreten und macht Schritte, die in ihrer Grazilität an ein Nashorn erinnern.

„Kalt heut Morgen!“, schreit es mich an und ich nicke nur. Bloß in kein Gespräch verwickeln lassen, vielleicht ist es gewalttätig.

Beim Bäcker lasse ich dem Mannweib den Vortritt, sie füllt den kleinen Kundenraum beinahe ganz alleine und ich bleibe in der Nähe der Tür stehen. Dadurch komme ich mit dem Hintern immer wieder in die Lichtschranke und die automatische Schiebetür geht immer wieder auf und zu, was mir mehrere böse Blicke der Bäckereiwarenfachverkäuferin Frau Grobmett einbringt. Grobmett, wie kann man als Bäckereiwarenfachverkäuferin so heißen? Passt das nicht besser in eine Metzgerei? Und wenn ich schon Grobmett hieße, dann würde ich mir aber als Bäckereiwarenfachverkäuferin den Namen nicht auf ein Schild schreiben und an die Brust heften. Mehlstaub, das wäre doch ein schöner Name für eine Verkäuferin in einer Bäckerei.

Die Riesenfrau schlenkert mit ihrem viel zu kleinen Handtäschchen durch die Gegend, während sie dies und das bestellt und Frau Grobmett packt die Sachen in Papiertüten. „Darfs sonst noch etwas sein,. Bitteschön, Dankeschön, Jawohl, einen angenehmen Tag noch. Was bekommen Sie?“

Ich bin an der Reihe und muß es irgendwie bewerkstelligen, an der viel zu großen Frau vorbei zu kommen, damit ich mir Backwaren aussuchen kann. Der Bäckerladen ist wirklich sehr eng, aber normalerweise kämpft man dort mit kleinen vertrockneten Rentnerinnen und nicht mit Gozillas Schwester.
Die lacht und schiebt sich an mir vorbei. Ich bekomme ihren großen Busen links und rechts um die Ohren gehauen und das Monster tönt: „Na das ist mir aber mal ein kleiner Schelm!“ Dann endlich haben wir uns aneinander vorbei geschoben und sie geht.
Als sich die Türe hinter ihr zischend schließt, scheint es, als sei der Laden um einige Quadratmeter gewachsen.

Ich wende mich an die Bäckereifachverkäuferin, will höflich sein und sage irrtümlich: „Guten Morgen, Frau Feinstaub!“ Das findet Frau Grobmett gar nicht witzig, denkt, ich wolle sie verarschen und knallt mir die Brötchen in die Tüte, daß man fast schon auf ihre Schmerzensschreie wartet.
„Zweifuffzisch!“

Ich hatte diesen Vorfall längst vergessen und sitze im Kaffeehaus, da gesellt sich Siggi zu mir. Wortlos setzt er sich einfach zu mir an den Tisch, nimmt sich eine meiner Zigaretten und nach einer langen Denkpause sagt er: „Und?“

Ich kann jetzt auf dieses ‚Und‘ eingehen und alles erzählen, was ich weiß oder was ich für mitteilungswürdig erachte, ich kann aber auch einfach bloß brummen und dadurch signalisieren, dass ich nicht gesprächsbereit bin. Ich entscheide mich für Letzteres und das wiederum versteht Siggi als Aufforderung zum Erzählen.

Beim Fischlingers, Karl ist der Brunnen zusammengebrochen, die Frau vom Bürgermeister habe einen faulen Zahn und die Feuerwehr wolle ein neues Löschfahrzeug kaufen, der Wagners Schorsch habe jetzt eine Freundin und beim Bauer Ding gäbe es besonders frischen Spargel…
In dieser Tour bringt mich Siggi binnen kürzester Zeit auf den neuesten Stand im Dorfklatsch. Normalerweise wimmel ich solche Leute immer ab, entziehe mich diesen Gesprächen fluchtartig, aber Siggi lasse ich meistens gewähren, denn Siggi kann man durch einen strengen Blick zum Schweigen bringen. Und manchmal erfahre ich ja was, was mich wirklich interessiert.
In diesem Durchgang seiner Informationsübermittlung war nur eine Information, die mich interessierte: Des Wagners Schorsch neue Freundin. Georg Wagner, das muss man wissen, ist recht klein, vielleicht ein Meter fünfzig, hat schwarze Haare und eine etwas dunkle Haut, jedenfalls sieht er aus wie ein Italiener, was ihm im Dorf allgemein den Namen „der Nudeltunker“ eingebracht hat.
Dass Siggi mir gegenüber vom Wagners Schorsch gesprochen hat, liegt daran, daß Siggi immer Mitleid mit mir hat, weil ich doch ein hochdeutsch sprechender Zugereister bin.

Der Nudeltunker, so erzählt er mir, habe eine Anzeige aufgegeben, im Internetz! Weil es im Internetz die besten Weiber gäbe, alle willig, alle geil….

„Und so eine soll der Wagner gefunden haben?“, erkundige ich mich.

„Ja, die Ranuta!“

Jetzt sagt mir dieses ‚die Ranuta‘ nichts, aber daran bin ich schon gewöhnt. Alle Eingeborenen hier verwenden mit Vorliebe dann die Vornamen von irgendwelchen Personen, wenn man die ganz sicher nicht kennen kann. In diesen Vornamen schwingt aber so eine Selbstverständlichkeit mit, daß man den Eindruck gewinnt, jeder kenne die Personen ganz genau, nur man selbst nicht.

Siggi reißt mich aus meinen Gedanken und zupft an meinem Hemdsärmel: „Schau jetzt bloß nicht hin, die beiden kommen!“

Aber das kennt man doch, oder? Man kann dann doch gar nicht wegschauen. Wenn jemand sagt: ‚Schau da bloß nicht hin!‘ dann ist es äußerst schwierig, da nicht hinzuschauen. Ich meine, ich bin ein Mann, ich kann das! Aber wehe man ist mal mit der Allerliebsten in einem Restaurant… Ich sage zur Allerliebsten: „Dreh Dich bloß jetzt nicht um, aber hinter Dir, drei Tisch weiter, da sitzt einer, dem läuft die Suppe beim Essen immer aus der Nase.“ Nein, sie kann dann nicht normal sitzen bleiben und sich auf die weitere Beschreibung der Vorfälle durch mich verlassen, nein, sie MUSS aufspringen, den Hals recken und suchend herumblicken. Das geht ja noch, wenn einem bloß Suppe aus der Nase läuft, aber wenn da jemand sitzt, den man absolut nicht sehen will, ist das ganz besonders lästig.
Zu Frauen sage ich deshalb gar nicht mehr: „Schau da bitte jetzt nicht hin!“, sondern leite meine Sätze damit ein: „Nur ganz blöde dumme Weiber würden sich jetzt umschauen, aber….“ Außerdem hatte ich bei einem ähnlichen Vorfall der Allerliebsten angedroht, ihr zwei Finger meiner rechten Han in die Nasenlöcher zu stecken, um ihren Kopf zu fixieren. Das wirkt!

Aber jetzt hatte Siggi zu mir gesagt, daß da jetzt der Nudeltunker mit seiner neuen Flamme kommt und weil er vorher andeutete, die sei besonders willig, sexy und geil, will ich die unbedingt sehen. Ganz unauffällig drehe ich mich, wie zufällig in die Richtung und erblicke den Nudeltunker, wie er das Kaffeehaus betritt. An der Hand zieht er hinter sich „die Ranuta“ her und es ist jenes Riesenweib, das ich beim Bäcker erlebt hatte.

Jetzt sind ja der kleingeratene Nudeltunker und das riesenhafte Mannweib Ranuta ein Fall für sich. Aber ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich mir bei anderen Paaren das eheliche Beiwohnen vorstelle. Nicht, daß ich mir sexuelle Handlungen en detail ausmale, aber alleine der Gedanke, daß Ranuta zum Nudeltunker sagt: „Du, heut‘ will ich mal oben liegen.“ erheitert mich ungemein.

Ranuta und der Nudeltunker sitzen an der Theke auf Barhockern. Das heißt, der Nudeltunker sitzt auf seinem Barhocker, wie ein Zaunkönig auf einem Pfahl, während der Hocker von Ranuta irgendwo unter der Frau verschwunden ist. Der Nudeltunker trinkt einen Espresso und Ranuta stemmt einen Literkrug Weizenbier. In ihren Händen wirkt der Krug aber auch nicht größer, als die kleine Espressotasse in Schorschs Händen.

Immerhin hat Nudeltunker Schorsch einen Espresso mit ‚S‘ bestellt. Seit Klaus der Wirt vom Kaffeehaus diese moderne italienische Kaffeemaschine hat, hört man da so einiges an merkwürdigen Bestellungen. Daß alle Leute, aber wirklich alle „Expresso“ sagen, ist ja eigentlich schon völlig normal. Aber ab und zu hört man auch, wie jemand einen „Kappeschino“ bestellt oder eine „Latte“ haben will. Die Frauen von der örtlichen Ikebana-Gruppe wollen immer ganz besonders intelligent wirken, indem sie „Expressi“ bestellen. Zu steigern ist das nur noch durch „Kappeschini“ und, Achtung jetzt kommt’s: „Latti“.
Ja wirklich, da hat eine zu Klaus rübergekräht: „Machste uns noch zwei Latti?“

Die Lehrer der örtlichen Waldorf-Schule bestellen auch schon mal gerne „einen extra großen Expresso mit extra viel Wasser“ oder einen „Kappeschino ohne Sahne und Milch“. Klaus, der Kaffeehauswirt, nickt das immer freundlich ab und stellt denen dann eine ganz normale Tasse Kaffee hin, beschwert haben die sich noch nie.

Ich wäre jetzt so in meinen Gedanken über Expresso und Mocca hinweggeschwommen, wäre da nicht ein Wort an meine Ohren gedrungen. Nudeltunker Schorsch wendet sich an die riesige Ranuta und beschließt seinen Satz mit den Worten: „…gell, Mäuschen?“
Mäuschen! Ich hätte ja alles erwartet, aber doch nicht Mäuschen!

Na, immerhin kann ich Latein und weiß, daß Mäuschen auf Lateinisch ‚musculus‘ heißt, und so gesehen passt die Bezeichnung ja wieder.


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Lesezeit ca.: 12 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 16. Juni 2007 | Revision: 26. November 2012

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