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20 Jahre „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“: Die Geschichte des Dschungelcamps

Ein Steg mit dichtem grünen Bewuchs

Kaum zu glauben, dass schon 20 Jahre vergangen sind, seit der ersten Sendung von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“.

Natürlich habe ich das damals geschaut, so wie wir in der Familie auch gemeinsam „Big Brother“ angesehen haben. Solche Formate waren etwas bis dahin völlig Unbekanntes und hatten einen ganz eigenen Reiz.
Wer, wie ich noch „Tutti Frutti“ und „Alles nichts, oder?“ kennt, der weiß, wie tief Privatfernsehen sinken kann und dass es zumindest bei RTL keine Schwelle gibt, die man nicht bereitwillig unterschreiten würde. So schaute man sich die IBES abgekürzte Dschungelshow natürlich auch mit der Erwartung an, nicht besonders niveauvolles Fernsehen angeboten zu bekommen.

Und, was soll man sagen? RTL überraschte mit einer handwerklich exzellent gemachten großen Unterhaltungsshow. Über die sogenannten Dschungelprüfungen mag man ja bis heute geteilter Meinung sein, aber ich habe mir immer gesagt: Die Idioten gehen da freiwillig hin, also sollen sie ruhig auch Kamelpimmel essen.

Damals steckte das Dschungelcamp noch in den Kinderschuhen und die Gemüter, ja auch einige dienstbeflissene Politiker und Kirchenmänner, erhitzten sich über das vermeintliche Ekelfernsehen.
Doch heute? Das Format ist längst im Mainstream angekommen, und für viele ist es so selbstverständlich geworden wie das Raclette zu Silvester. (Bei mir ist weder Raclette, noch Fondue jemals selbstverständlich gewesen und entsprechende Einladungen sage ich auch gerne mal ab. Ich bin kein Fan von Mini-Gabeln und kleinen Schüppen, auf die man ewig warten muss, um dann eine Winzigkeit an Mundverbrennern zu erhalten.)

Wenn man zurückblickt, stellt man fest, dass das Dschungelcamp nicht mehr so aufregend ist wie in den Anfangsjahren. Das Reality-TV-Genre hat viele Nachahmer hervorgebracht, die noch mehr Tabus gebrochen und Grenzen überschritten haben. Costa Cordalis bekam vor zwei Dekaden die erste Krone, und seitdem hat sich viel getan. Heute verursachen Stinktofu und püriertes Hühnerherz auf dem Speiseplan der neuen Dschungelcamper kaum mehr als ein müdes Lächeln. Es ist alles mehr zu einem, sich immer wiederholenden Ritual geworden, die Prüfungen sind erwartbar, etwas Überraschendes kommt da nicht mehr.

War man früher von Jahr zu Jahr gespannt, welcher „Star“ in die Insolvenz gerauscht war, und sich nun der australischen Stinkmockel hingeben musste, um dort dann im „verschwiegenen“ Gespräch und unter Tränen zu gestehen, dass in der Kindheit Eichhörnchen oder Usambara-Veilchen missbraucht wurden, so ist das heute anders. Der Abstieg über sogenannte B-Promis, dann C-Promis und zuletzt Z-Promis ist heute bei in weiten Teilen der Bevölkerung vollkommen unbekannten Influencern und Reality-Stars angekommen. Musste man früher noch irgendwas können oder mal gekonnt haben, so genügt es heute, wenn man in fehlerhaftem Deutsch und unter Auslassung jeglicher Grammatik vor einer TicToc-Kamera „Ding Dong“ sagen kann. Der Begriff „Star“ besagt heute gar nichts mehr.

Die Aufregung, der Skandal, der Eklat – Fehlanzeige.

Die Macher des RTL-Dschungelcamps versuchen durchaus, mit der Zeit zu gehen. Die Camper müssen beispielsweise im Stile von „7 vs. Wild“, einem Reality-Hit aus dem Internet, aus einem Hubschrauber ins braune Nass springen. Aber im Großen und Ganzen bleibt „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ auch im Jahr 2024 seinem bewährten Rezept treu. Es setzt auf die Mischung aus würgenden Promis und solchen, die sich darüber aufregen, dass die Ranger ihre italienischen Halsbänder oder Leoparden-Unterwäsche konfiszieren. Das Ganze wird garniert mit den mittlerweile auch immer gleich klingenden Schüttelreimen und vermeintlich lustigen Sprüchen aus der Feder von Beisenherz und Co., jene gewohnt bissigen Kommentare, die seit der ersten Staffel zum guten Ton der Show gehören.

Schauspieler Heinz Hoenig wird mal eben zum „großen Bauchnabellheim“ ernannt, weil sein Bauchnabel eine bemerkenswerte Größe hat. Der „Dschungelhoenig“ sorgt gleich in der ersten Folge für Gesprächsstoff und auf YouTube für das pawlowsche Kopfschütteln bei den Berufsaufregern im Zwiebelhund-Stil.
Dem 72-Jährigen ist offenbar nicht bewusst, dass tatsächlich jedes Wort und jede Regung von Kameras und Mikrofonen erfasst werden, wenn er erst ins Camp pinkelt und sich dann nach dem großen Geschäft nicht einmal die Hände wäscht.

Trotzdem ist Hoenig einer der wenigen echten Stars im diesjährigen Camp, wenn man traditionelle Maßstäbe anlegt. TicToc-Kenner, Instagram-Heavy-User und zahlende RTL+-Abonnenten haben definitiv einen Vorteil, wenn es darum geht, einzuordnen, wer die anderen Protagonisten im Camp überhaupt sind (oder sein wollen). Irgendwie benötigt man schon ein abgeschlossenes Reality-Studium, um die teilnehmenden Persönlichkeiten Personen und ihre Vorgeschichte zu kennen. Wenn der muskelbepackte Mike Heiter auf seine frühere „Are You The One“-Liebelei Kim Viginia trifft, dann ist das schon Fernsehen für Fortgeschrittene. Ich jedenfalls kannte bis dato weder den einen, noch die andere.

Da ist man als Otto-Normal-Zuschauer regelrecht erleichtert, dass Ex-Rennfahrer-Gattin Cora Schumacher nicht mit der Botschaft hinterm Berg hält, sich ausgerechnet in Oliver Pocher verguckt zu haben. Aber Frau Schumacher ist ja auch schon wieder raus aus dem Camp.

Bei so viel Zwischenmenschlichem rückt fast in den Hintergrund, dass der Staffel-Auftakt von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ routiniert lieferte, was man seit zwei Jahrzehnten von der Show erwartet: Fragwürdige Mahlzeiten wie Pannakotza oder Superwürmer. Und natürlich skurrile Lebensweisheiten wie diese von „GZSZ“-Schauspieler Felix von Jascheroff beim Feuermachen: „Da nimmt man mal das Zepter in die Hand, damit der Hase ein bisschen rollt.“

Und glücklicherweise ist auch nach so vielen Staffeln noch immer auf die Autoren Verlass, die der Stammesältesten Sonja Zietlow und Jan Köppen, dem Co-Moderator im zweiten Lehrjahr, gar wunderbare Sätze in den Mund legen.
Bei RTL, so erklären sie dem Publikum, müsse man mit drei Fällen rechnen: Nominativ, Dativ und Präservativ.

So bleibt das Dschungelcamp also, aller Routine und Belanglosigkeiten zum Trotz, auch nach all den Jahren noch immer ein schönes Fernsehritual, das man vor allem eins nicht darf: Es ernst nehmen.

Bildquellen:
  • dschungelcamp: Dschungel: , RTL-Mockup: Peter Wilhelm

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Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 22. Januar 2024

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