Es gibt in diesem unserem Lande hochangesehene Zeitgenossen mit offensichtlich bizarren Neigungen, sich an vermeintlich Erbärmlichem zu weiden, vermutlich, um ihre eigene Erbärmlichkeit zu relativieren. Menschen, deren Wirken man einmal in seinem irdischen Dasein erlebt haben sollte, um anschließend gleich zu erkennen, weshalb sie höchst verzichtbar sind – sowohl die Menschen, als auch ihr Wirken. Schon mal bei einer Bundespressekonferenz zugehört? Das wäre ein passendes Beispiel für die soeben von mir aufgestellte These.
Immer wenn Steffen Seibert, als Regierungssprecher der deutschen Bundesregierung und als Chef des Presse- und Informationsamts, Moderator eben jener Veranstaltung namens Bundespressekonferenz, den Fragen allzu aufdringlicher Journallisten nach der Plausibilität der Merkelschen Entscheidungen mit einem übersichtlichen Katalog aus unverfänglichen Redewendungen und verschwurbelten Schachtelsätzen, wie dem gerade gelesenen, auszuweichen versucht, steht Wording auf der Agenda.
Wording steht im Falle der Bundespressekonferenz, deren originärer Sinn im rituellen Vortragen von Meinungen aus dem Bundeskanzleramt zu bestehen scheint, für völlig belanglose Sprachregelungen, denen die immens wichtige Aufgabe zufällt, möglichst bedeutsam klingende Worthülsen als höchste Erkenntnis politischen Handelns und als finale Vernunft desselben darzustellen – und dies im günstigsten Fall!.
Eine weitere, wesentlich perfidere Eigenschaft des Wordings ist die mäßig kaschierte Propaganda. Wenn Seibert die Kanzlerin zitiert und der anwesenden Presse mitteilt, dass Merkel von diesen und jenen Staaten Anstrengungen und Reformen einfordert, damit sie in der globalen Wirtschaft wettbewerbsfähiger, bla, bla, Rhabarber…ist das der altbekannte aggressive Müll aus dem PR-Fundus des IWF, für den die Deutschen ihre Kanzlerin allerdings so zu lieben scheinen. Muss ich nicht kapieren, ist aber so.
Wenn der ehemalige Traum-Schwiegersohn aller grünen und goldenen Wartezimmer- und Frisörsalongazetten allerdings vor der versammelten Journaille das ganz große transatlantische Fass an politischer Propaganda aufmacht, wird es ekelerregend. So ekelerregend, wie Lügen nun einmal sind.
Ein geradezu süperbes Beispiel hierzu ist die gebetsmühlenhaft in die Hirne der Medienkonsumenten geballerte „Annexion“ der Krim durch Russland, wahlweise auch durch Putin, wenn man das Adjektiv „süperb“ im Zusammenhang mit einer solch fadenscheinigen, dreisten Lüge, überhaupt so stehen lassen kann.
Denn wenn man sich bei den bienenfleißigen Schreibern von Wikipedia so umhört, ist eine Annexion „die erzwungene (und einseitige) endgültige Eingliederung eines bis dahin unter fremder Gebietshoheit stehenden Territoriums in eine andere geopolitische Einheit“.
Jetzt kann man von der ollen Menthol-Fluppe Helmut Schmidt selig halten, was man möchte; aber der ewig qualmende hanseatische Weltendenker galt ja in Kreisen der Medien quasi als sakrosankt. Und zwischen Tabak schnupfen, den dazu gehörigen unappetitlichen Geräuschen und stetigem Qualmen, warf seine Heiligkeit bei seinen Hochämtern in diversen Polit-Show-Formaten auch die eine oder andere Perle vor das Volk, die so garnicht in den Mainstream zwischen Burda, Springer und Funke passen wollte.
Unter anderem die messerscharfe historische Analyse, der zufolge es ein ziemlicher Schmarren ist, bei der Ukraine von einem Staat in Sinne von dem zu reden, was man in den sogenannten Leitmedien so untergejubelt bekommt. Die territoriale Integrität der Ukraine und die Annexion der Krim sind historisch gesehen völliger Bullshit, der jedoch mit Vehemenz und auf Teufel komm raus ins Feld geführt wird, damit der deutsche Michel und seine Micheline den ganzen Zinnober mit dem bösen Russen glauben, gegen den uns nur der druchgeknallte Golden Retriever im Oval Office beschützen kann.
Bei der Causa Krim muss ich deshalb jetzt „etwas“ ausholen. Hier sollte man sich von der transatlantischen Logorrhoe á la Claus Kleber und Muttis artig nachgeplappertem Geschwafel verabschieden und sich ins Gedächtnis rufen, dass der geborene Ukrainer Nikita Chruschtschow, damals Parteichef der KPdSU und Staatsratsvorsitzender der Sowjetunion, besagte Halbinsel Krim 1954 der Ukraine im Sinne der sozialistischen Völkerfreundschaft unter den sowjetischen Republiken schenkte.
Diese Ukraine selbst war zu der Zeit mitnichten ein souveräner Staat, sondern eine von eben jenen vielen Sowjetrepubliken. Will sagen: Die „Schenkung“ der Krim an die Ukraine war ein symbolischer Akt von der rechten Tasche in die linke Tasche, wie so oft damals im brüderlichen Arbeiter- und Bauern-Gedöns üblich.
Damals hätte ja niemand auch nur im Traum daran gedacht, dass die Sowjetunion dereinst das Zeitliche segnen würde und die Ukraine via räuberischer Erpressung durch EU, IWF, NATO und Goldman Sachs zum Vasallenstaat der Wallstreet verkäme. Dummerweise hatte sich hatte sich der letzte rote Mohikaner, Michail Gorbatschow, das Versprechen der NATO, sich niemals nicht nach Osten zu erweitern, vertraglich nicht zusichern lassen, sondern dem verlogenen Geschwätz des Westens vertraut.
Mit der aggressiven Ausbreitung der NATO nach Osten, wusste Gorbatschows Nach-Nachfolger im Amte, Wladimir Putin natürlich, dass der Pachtvertrag für den Hafen der Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der Krim, den er wohlweislich mit der Regierung in Kiew noch abgeschlossen hatte, nach dem blutigen Maidan-Putsch nicht mal das Papier wert war, auf dem er Stand.
Und als dann die zu 90% russischstämmige Mehrheit der Krimbewohner auf das faschistische Marionettenregime Petro Oleksijowytsch Poroschenko in Kiew keinen Bock mehr hatte, veranstaltete man mal eben eine Volksabstimmung, an deren Ende die Loslösung von der Ukraine und die Angliederung an die Russische Föderation stand, ohne dass auch nur ein Schuss fiel. Das war bei anderen Loslösungen wie im Kosovo ein wenig anders, nicht wahr Herr Kleber?
Wenn man sich nun erneut bei den bienenfleißigen Schreibern von Wikipedia umhört, erfährt man, dass man einen solchen Vorgang völkerrechtlich nicht als Annexion, sondern als Sezession bezeichnet, nämlich als „Loslösung einzelner Landesteile aus einem bestehenden Staat mit dem Ziel, einen neuen souveränen Staat zu bilden oder sich einem anderen Staat anzuschließen“.
Deshalb sollte man auch die strunzdumme Bezeichnung „prorussische Separatisten“ geflissentlich ignorieren, wenn Claus Kleber, der Elder-Anchorman distinguierter Verlogenheit, in „seinen“ Tagesthemen sich anschickt, gebetsmühlenhaft die Mär zu verbreiten, die Regierung in Kiew unter ihrem „Präsidenten“ Poroschenko gehe gegen Terrorosten vor, die das Donezbecken besetzt hätten.
Zum einen ist das völliger Unsinn, weil die vermeintlichen Separatisten einfach nur ihr Land und dessen Bodenschätze vor dem Zugriff Poroschenkos und den Ausverkauf an westliche Großkonzerne schützen wollen, zum anderen ist der von EU, NATO & Co liebevoll gehätschelte milliardenschwere Waffenfabrikant Petro Oleksijowytsch Poroschenko mitnichten ein Präsident, sondern ein Putschist, über und über besudelt mit dem Blut seiner Landsleute.
Bei seiner „Wahl“ waren nämlich garnicht genügend Abgeordnete zugegen, wie es die ukrainische Verfassung vorschreibt, will meinen: Sie hätte schlicht und ergreifend nicht stattfinden dürfen, oder anders ausgedrückt: Poroschenko hat keine Legitimation für das was er tut. Weder für die speichelleckende Anbiederung an den Westen, noch für die Bombardierung des Donezbecken.
Aber Poroschenko wird von den linientreuen Wording-Medien als Präsident tituliert. Da muss man mit leben. Denn Poroschenko ist in den Augen der Transatlantiker schließlich einer von uns, also einer der Guten. Im Gegensatz zu dem demokratisch gewählten Baschar Hafiz al-Assad, auch wenn man ihn nicht leiden kann. Der trägt bei Kleber & Co die Titel Machthaber, Diktator oder wahlweise auch Autokrat. Assad ist nämlich keiner von den Guten. Wie Assads Freund Putin. Der hat allerdings die ganz dicken Wummen im Depot, und deshalb traut man sich derlei abschätzige Titulierung bei ihm nicht und belässt es bei Präsident.
Noch ein weiteres Beispiel für Wording gefällig?
Die Städte Aleppo, Homs etc. werden in den Leitmedien und den Nachrichten immer und immer wieder als „Rebellenhochburgen“ bezeichnet, als „letzte Bastionen der freien Syrische Armee“ gegen Diktator Assad, bla, bla, Rhabarber. Obwohl es sich bei dieser ominösen Gruppe nachweislich um vom Westen bezahlten Söldner aus aller Herren Länder handelt, die den vom Weißen Haus angeordneten Regime-Change in Damaskus offensichtlich verkackt haben. Wording ist schon Scheiße irgendwie, wenn man so dämliche Lügen verbreitet, oder?
Wie bei einem der Lieblingswörter unserer bundesdeutschen Innenminister: Subsidiär Schutzberechtigte. Geil, oder? Ein wahres Ungetüm. Eine Wortkreation, bei der selbst der olle Immanuel Kant den schlappen Hut gezogen hätte. Ein perfider Schachtelsatz in nur drei Silben. Chapeau!
Subsidiär schutzberechtigt ist im Sprech rechtskonservativer Berufsparanoiker (vulgo Innenminister) unerwünschtes Gesockse, das irgendwie keine Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention besitzt, das man aber nicht so mir nix, dir nix, wieder in sein Herkunftsland abschieben kann, weil ihm dort unbotmäßiges Droht, wie Folter, die Todesstrafe, oder Ähnliches. Wenn dort zum Beispiel „willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlicher bewaffneten Konflikts herrscht“, wie man Wikipedia nachlesen kann Hallo?
Nur für meinen ausbaufähigen Horizont, das Völkerrecht betreffen, und damit ich es auch sicher richtig verstehe: Wenn ich es also aus dem Jemen über ein sauteures Schlepperticket nach Oberndorf am Neckar schaffe, ohne dass mir ein saudiarabischer Söldner mit seinem G36 den Schädel perforiert, darf ich zuerst mal dort bleiben, also in Oberndorf am Neckar. Ich darf dort den fleißigen Arbeiterinnen und Arbeitern von Heckler & Koch zuschauen, wie sie Samstag morgens die schmucken Vorgärten ihrer schmucken Reihenhäuschen pflegen, weil in meiner Heimat schließlich willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlicher bewaffneten Konflikts herrscht. Deshalb bin ich also subsidiär schutzberechtigt.
Damit ich es als jemenitischer Bürgerkriegsflüchtling auch richtig verstehe: Dieser bewaffnete Konflikt in meiner Heimat wird mit exakt jenen G36 geführt, die die fleißigen Arbeiterinnen und Arbeiter von Heckler & Koch im friedlichen in Oberndorf am Neckar zusammenbauen? OK, klingt seltsam, ist aber alles rechtens.
Da die tollen Wummen auf keinen Fall, niemals nie in Krisengebiete verkauft werden dürfen, muss der Bundessicherheitsrat über die Exportanträge von Heckler & Koch nämlich erst entscheiden. Und das tut er besonnen, mit der Präzision einer Lenkwaffe von Diehl Defence, und stets wohlwollend. Schließlich kostet so ein Parteitag mit Saalmiete, Prosecco, Schnittchen und dem ganzen Gedöns ein Heidengeld. Und das wiederum kriegen die Parteien von Heckler & Koch, Diehl Defence & Co. Sorry, aber dann haben der Jemen, Somalia, Afghanistan & Co eben die Arschkarte gezogen. Hallo? Geht´s noch?
Um dies irgendwie auf die Reihe zu kriegen, habe ich mal im Duden, quasi der Bibel der deutschen Rechtschreibung nachgeschaut, was „subsidiär“ überhaupt bedeutet. Und siehe da: Plötzlich ist alles sonnenklar! Subsidiär bedeutet „behelfsmäßig“. Die Deutschen leisten sich also gezwungenermaßen eine subsidiäre Regierung, weil sie partout keine Leute mit Hirn haben, die diesen Job mit Sinn und Verstand ausführen können. Um das zu kaschieren, braucht es eine Presse, die den hanebüchenen Output der Regierung subsidiär mit Wording zukleistert, um den deutschen Michel und seine Micheline wiederum subsidiär zuzumüllen, damit diese subsidiär lieber Fussball oder Bibel-TV glotzen, als sich über der ganzen Irrsinn Gedanken zu machen. Na dann…
Bild: wilhei / Pixabay
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