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Wir sind ja sowas von korrekt

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In unserer kleinen Stammkneipe trafen wir neulich auf Carola und Herbert. Erst habe ich innerlich gestöhnt, weil es gerade – allein zu zweit – so gemütlich war, aber dann wurde es mit Carola und Bert (wie Herbert einfallsreicherweise genannt wird) doch noch ganz interessant.

„Es ist voll die Seuche“, sagte Bert, „die Polacken nehmen uns die ganze Arbeit weg.“

Bert ist Maurer und bei einer kleinen örtlichen Bauunternehmung beschäftigt. Carola ist stellvertretende Filialleiterin bei LIDL.

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„Die Scheißpolacken arbeiten für 3 Euro die Stunde und kloppen ran, wie die Blöden“, schimpfte Bert weiter, „die ziehen uns alle Aufträge ab.“

Anke und ich drückten ihm unser Mitgefühl aus und dann begann ich einen längeren Exkurs über die hohen Löhne, die Rolle der Gewerkschaften und unsere Freizeitgesellschaft. Doch schon nach den ersten Worten merkte ich, daß zumindest Bert mir gar nicht mehr zuhörte, und als ich bei innereuropäischen Lohngefälle angekommen war, machte er sich uninteressiert mit einem kleinen Schlüssel die Fingernägel sauber.

Dann setze er wieder ein: „Diese verschissenen, faulen Polacken kommen hier rüber, sind mit einem Hungerlohn zufrieden, arbeiten zwölf Stunden am Tag, geben nichts aus und das Schlimme ist, die machen auch noch gute Arbeit. So verschissene Polacken! Kein Wunder, daß bei uns alle arbeitslos sind!“

Ich fand, daß es an der Zeit war, das Thema zu wechseln und begann gerade darüber nachzudenken, worüber man sich, um alles in der Welt, bloß mit Bert unterhalten könnte, da übernahm Anke die Konversation.

Normalerweise verursacht das immer ein Stirnrunzeln bei mir, denn Frauen haben da so eine Art, durch ihre Einwürfe, das schönste Männergespräch kaputtzumachen. Wenn sich die Männer beispielsweise über wirklich wichtige Themen der allgemeinen Weltlage unterhalten, haben es Frauen immer ganz gerne, wenn sie dann über Kreuz ein völlig anderes Thema anschneiden können. Und der Themenbereich der Nichtigkeiten ist bei Frauen ja besonders groß. (Fingernägel, Nagellack, Maniküre, Cremes und Mode).

Und laut werden die dann! Meine Güte, wie kann man sich so laut unterhalten, wenn man nur 35 cm voneinander entfernt sitzt? Ich habe da schon oft entnervt aufgegeben. Doch dieses Mal war das anders. Ich war sogar ganz froh, daß Anke nun die Gesprächsführung an sich nahm und an Carola eine Frage richtete:

„Was macht denn eure Mutter? Wer kümmert sich denn jetzt den ganzen Tag um sie, seit sie bettlägerig ist?“

Carola grinste breit und begann: „Zuerst hatten wir ja einen deutschen Pflegedienst, aber ihr könnt euch nicht vorstellen, wie teuer der war! Dann hat Bert sich darum gekümmert.“

Bert meldete sich zu Wort und mit stolzgeschwellter Brust berichtete er: „Ja, ich hatte da so eine Adresse von einem Bekannten. Da bekommt man für 200 Euro im Monat eine Haushalts- und Pflegehilfe. Die wohnt bei uns, die kocht für uns alle, wäscht, putzt, bügelt und kümmert sich um die Pflege der Oma.“

„Das ist ja praktisch“, fand Anke.

„200 Euro?“, fragte ich skeptisch nach, „Das klingt aber sehr wenig, oder?“

Bert winkte mit der Hand ab und meinte: „Die kriegt wirklich nur 200 Euro, die Danuta kommt aus einem kleinen Dorf bei Krakau und da sind ja die Löhne noch niedrig. Außerdem bekommt sie ja von uns auch noch zu Essen und zu Trinken und wohnt kostenlos. Ich bezweifle, daß die da drüben in Polen so ein schönes Zimmer hat.“

Anke und ich schauten uns nur vielsagend an und waren einmal mehr froh darüber, tief in unserem Herzen keine Deutschen zu sein.

reloaded


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 19. Februar 2007 | Revision: 26. November 2012

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