Spott und Hohn: Der Gewinn, der keiner ist. Ich habe gewonnen. – So stand es jedenfalls auf dem Kronkorken meiner Bitburger-Flasche. Und für einen kurzen Moment klopfte das Herz ein klein wenig schneller. Ich hatte – hurra! – gewonnen! Natürlich keinen Porsche, keine Konzerttickets, keine Reise nach Sylt, nein, das wäre zu viel verlangt. Aber ein kleiner Trostpreis? Ein Flaschenöffner? Ein Bierdeckel mit Retro-Motiv? Immerhin! Ich drehte den Kronkorken um und las: „15 % Rabatt auf Deine Bestellung bei einem Premium-Hundefutteranbieter“.
Hervorragend. Ich habe keinen Hund.
Willkommen in der absichtlich irreführenden Welt der modernen Gewinnspielverarsche. Es ist ein perfides Spiel mit der Hoffnung der Verbraucher, das sich längst zur festen Marketingpraxis gemausert hat: Man verkauft Illusionen. Man wirft uns mit „100.000 Preisen“ zu, jubelt sie als Gewinne aus – nur um dann festzustellen, dass es sich um nichts weiter handelt als digitale Rabattmarken für Dinge, die man sich ohnehin nie kaufen wollte.
Ein klassischer Fall: das alljährliche McDonald’s-Monopoly. Man knibbelt die Sticker ab, gibt die Codes in einer App ein und freut sich über einen „Gewinn“, der sich bei genauerer Betrachtung als 20 % auf PosterXXL oder sowas entpuppt. Oder als „2 Euro Rabatt bei deiner nächsten Weinbestellung ab 40 Euro“. Grandios. Ich bin also nicht Gewinner, sondern Kunde zweiter Klasse. Ein digitaler Werbeempfänger mit Verfallsdatum.
Das ist kein Gewinn – das ist Kundenveräppelung im Breitbandformat.
Früher, ja früher, da gab’s bei Kronkorkenaktionen immerhin noch greifbare Trostpreise. Flaschenöffner. Bierdeckel. Schlüsselanhänger. Zeug, das man auch nicht wirklich benötigt, aber das wenigstens physisch existiert und das man doch benutzen kann. Heute bekommt man Rabatt auf etwas, das man nie wollte – und nur dann, wenn man vorher kauft. Das ist, als würde man einem Kind sagen: „Du hast eine Kugel Eis gewonnen – aber erst, wenn du dir für 40 Euro ein Waffelhörnchen kaufst.“
Arglistige Täuschung?
Würde man das einem Jurastudenten zur Prüfung vorlegen, würde er „arglistige Täuschung“ murmeln.
Die Wahrheit ist: Diese „Gewinne“ sind gar keine. Es sind Marketingkooperationen mit Onlinehändlern, die für ihren Gutschein ein paar Sekunden Aufmerksamkeit kaufen – und dafür bereitwillig als angeblicher Preis auf Kronkorken oder Pappverpackungen erscheinen. Die Gewinnspielfirma freut sich über eine günstige Möglichkeit, ihre Zahlen aufzublasen. Hunderttausende Gewinne! – ruft die Werbung. Real eingelöst werden: vermutlich 3 % davon. Und das ist auch gut so, denn der Hundefutterversand muss ja nicht plötzlich wirklich liefern.
Wer das noch „Gewinnspiel“ nennt, hat entweder einen seltsamen Humor oder hält seine Kunden für dumm.
Ich nenne es Hohn. Und der ist – im Gegensatz zu den ausgelobten Preisen – immerhin echt. Und kostenlos.
Und dann ist da noch die Wahrscheinlichkeit.
In der Werbewelt klingt das so schön: „Zu gewinnen: ein Haus! Drei Autos! Zwanzig iPhones!“ Man sieht sich schon den Hof fegen, den Porsche waschen oder beim Auspacken des Apple-Klötzchens staunen. Doch was in der Realität meist geschieht: Der Kronkorken mit dem Code wird achtlos in den Müll geworfen. Der Monopoly-Sticker bleibt im Fastfood-Restaurant unbeachtet an der Packung kleben und wandert in die Müllpresse. Die Gewinne werden vermutlich meist nie eingelöst. Und damit wird auch nie gewonnen.
Denn natürlich: Die Gewinnchance ist statistisch vorhanden – aber sie ist winzig. Sie ist so winzig, dass ein Lottospieler mitleidig den Kopf schüttelt. Und schlimmer noch: Selbst wenn man das unwahrscheinliche Glück hätte, den Code für ein Auto oder ein Haus in den Händen zu halten – man muss ihn fristgerecht eingeben, die richtige URL besuchen, alle Angaben machen und sich nicht durch eine Cookie-Wall in den Wahnsinn treiben lassen.
Das System funktioniert also nicht nur durch Streuung, sondern durch gezielte Verkomplizierung.
Die Veranstalter haben gut lachen: Sie loben real existierende Gewinne aus, wissen aber, dass ein erheblicher Teil davon nie abgerufen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kronkorken mit Hauptgewinn in einer Mülltonne verendet, ist schlichtweg nicht gering, sondern systemisch einkalkuliert. Und es wird kein Versuch unternommen, das zu verhindern. Im Gegenteil: „Bitte Code online eingeben und vorher Newsletter abonnieren“ – wie es oft so schön heißt, das ist kein Gewinnspiel, das ist digitales Rattenfangen.
Wenn ein Haus unter einer Million Kronkorken versteckt ist, und 900.000 davon im Altglas enden, hat man zwar ein Gewinnspiel veranstaltet – aber niemand muss je etwas übergeben.
Und so wird das System zur Farce: Je wertvoller der Gewinn, desto größer die Chance, dass er nie beansprucht wird. Kein Scherz: Das ist das perfekte Gewinnspiel aus Sicht des Veranstalters. Es funktioniert sogar dann, wenn niemand jemals etwas gewinnt.
Wahrscheinlichkeitsrechnung
In der Wahrscheinlichkeitsrechnung spricht man vom sogenannten „Null-Ereignis“, wenn ein möglicher Ausgang zwar theoretisch existiert, aber praktisch mit einer Wahrscheinlichkeit gegen null eintritt – etwa, weil er durch externe Faktoren (z. B. Entsorgung von Spielmaterial, Nichtregistrierung, Fristüberschreitung) stark behindert wird. Untersuchungen und Medienberichte, etwa zu früheren Monopoly-Aktionen bei McDonald’s oder zu Kronkorken-Aktionen von Getränkeherstellern, zeigen regelmäßig, dass eine große Zahl der sogenannten Hauptgewinne „nicht eingelöst“ wird. Das bedeutet konkret: Der Gewinn wurde nie reklamiert – entweder, weil der Code nie gefunden wurde oder weil der glückliche Finder nicht die Mühe auf sich nahm, ihn einzulösen. In Einzelfällen wurde sogar dokumentiert, dass Veranstalter mit dem Verfall rechnen und die Gewinnsumme dadurch faktisch nie auszahlen müssen. 1
Fazit
Ein Gewinn ist etwas, das man bekommt. Nicht etwas, das man sich erkaufen muss. Bitburger, McDonald’s & Co. sollten sich schämen. Oder einen Trostpreis schicken. Zum Beispiel einen Flaschenöffner. Den kann ich wenigstens behalten.
Man kann gewinnen – theoretisch. Praktisch gewinnt vor allem der Veranstalter.
Und der Verbraucher? Der gewinnt 10 % auf eine Bestellung, die er nie tätigen wollte.
P.S. Zum Bitburger-Gewinnspiel: Tatsächlich konnte ich im Kronkorken gar nichts ablesen. Nein, man muss sich erst die „Bitburger-App“ installieren, eine Reihe persönlicher Daten eingeben und darf dann den QR-Code im Kronkorken abscannen. Bei zwei Kästen Bitburger war nicht ein einziger sinnvolle Gewinn dabei, nur solche komischen Rabattaktionen. Ob da jetzt wirklich Hundefutter dabei war, weiß ich gar nicht mehr. Aber sinnloses Zeug war es auf jeden Fall. Fazit: Verarschung!
Bildquellen:
- gewinne-verarschung: Peter Wilhelm
Fußnoten:
- Vgl. u. a.: Spiegel Online (2020), „Kronkorken, Codes und Coupons: Wie Kunden mit Pseudo-Gewinnen abgespeist werden“. (zurück)
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Ich mach bei sowas schon lange nicht mehr mit, entweder da steht klipp und klar was ich gewonnen habe, oder eben nicht. Krombacher hat ja etwas ähnliches, cashkorken oder so… da gab/gibt(?) es wenigstens ganz simple 1€, 2€ bis 100.000€ oder so direkt im kronkorken… selbst die 1-2€ sind fraglich ob sich da der Aufwand lohnt, für mich jedenfalls nicht, hab die immer an wen verschenkt der da sowieso im System ist/sammelt.
Hast Recht!
Aber oft sieht man die Verarsche ja erst, wenn man so eine Scheiß-App runtergeladen und die ersten vermeintlichen Gewinne gescannt hat.
Den Bitburger-Newsletter habe ich beispielsweise jetzt schon dreimal abbestellt und es kommen immer noch Nachrichten.
Und genau darum geht es den Unternehmen doch: Daten, Daten, Daten…
Für mich müsste es bei solchen „Rabatt-Gewinnen“ ehrlicherweise „Niete“ oder „Trostpreis“ heißen und nicht „Hurra, Sie haben gewonnen!“
Gewonnen habe ich nur, wenn ich auch etwas Materielles dafür kostenfrei bekommen kann.
Japp, das ist leider so… ich staune auch immer wieder wie Leute irgendwelche gratis Apps anpreisen die angeblich zuvor oder später irgendwelche Fantasiepreise haben.
“Wenn du für ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht bezahlst, dann bist du nicht der Kunde, sondern die Ware.“ Oder wie du auch gerne mal feststellst, „Rabatte zahlen immer die Kunden“. Aber in Amiland rafft ja auch keiner das die Zölle in erster Linie den Amerikanischen Konsumenten treffen werden.
ich verstehe auch nicht in Gänze wie die Unternehmen die Daten in bare Münze verwandeln, aber ich weiß, wenn mir ein Unternehmen meine Daten abluchsen will, das diese einen Wert haben. Genau wie ich hellhörig werde wenn Putin, Trump und Musk mir raten wollen die AFD zu wählen. Wem wird das alles nutzen? Mir oder denen? Ich bin mir da nicht sicher…