Nicht mehr lange und der Krieg in der Ukraine dauert ein ganzes Jahr. Oh, Vorsicht, ich bin vom Narrativ abgewichen. Ich hätte schreiben sollen „der völkerrechtswidrige Angriffskrieg“. Sonst wird ja nicht genügend deutlich herausgestellt, auf welcher Seite ich stehe. Wenn man brav „völkerrechtswidriger Angriffskrieg“ sagt, folgt man also nicht nur der allgemein geltenden Erzählweise, sondern macht auch gleich deutlich, dass man Russland als Angreifer für den Verursacher und Aggressor hält und somit im Umkehrschluss die Ukrainer für die Überfallenen, Angegriffenen und mithin Opfer dieses Krieges.
Jau, ist in meinen Augen auch so.
Die von den Medien hierzulande verbreitete Lesart ist ja nach meinem Verständnis folgende:
Die Ukraine war zu Zeiten der UdSSR, wie viele umliegende Staaten auch, ein Teil der großen Sowjetunion und hat sich nach dem Zerfall derselben wieder auf ihre Souveränität besonnen. Damit die Ukraine, wie auch das gesamte Baltikum, Finnland, Polen und andere Nationen von Russland unbehelligt bleiben, habe man Moskau gewissermaßen zugesagt, nicht noch mehr Länder nahe des russischen Herrschaftsbereichs mit NATO-Militär zu bestücken. Nun sei Putin durchgeknallt und offenbar nicht mehr Herr seiner Sinne und habe die Ukraine im Februar 2022 einfach überfallen, um sie wieder zu einem Teil einer Art großrussischen Reichs zu machen, von dem der kleine, blasse Russe angeblich träumt.
Okay, kann ich mir so vorstellen.
Auf einmal steht die ganze westliche Welt an der Seite eines Landes, von dem die meisten Menschen gar nicht genau wussten, wo es eigentlich genau liegt. Mehr so bei Polen? Oder doch mehr bei Bulgarien? Oder sogar hinter dem Ural? Und wo liegt überhaupt der Ural?
Wir liefern gemeinsam mit anderen Ländern in lustigen Ringtauschaktionen Waffen, spenden Geld und Hilfsgüter und nehmen hunderttausende von Flüchtlingen auf.
Bei allen möglichen Preisverleihungen, begonnen beim europäischen Schlagercontest bis hin zum Friedenspreis gewinnen Ukrainer, nicht unbedingt, weil sie die Besten ihres Faches sind, sondern weil man auch auf diesem Weg Solidarität und Sympathie bekunden will.
Die russischen Medien verbreiten natürlich eine ganz andere Sichtweise auf all das. Ist ja klar, die sind staatlich gesteuert, und wer da nicht spurt, erleidet schnell mal einen Unfall. Es sollen ja diverse „Abtrünnige“ und Andersdenkende schon aus dem Fenster gefallen sein. Was also zu den russischen Medien gehört, ist per se unglaubwürdig.
Kennt man Russen persönlich, bemerkt man schnell, dass es da nicht nur eine andere Sichtweise, sondern auch eine komplett andere fest gefügte Meinungswelt zur gesamten Ukraine-Thematik gibt. Diese ist teils durch die eben geschilderten beeinflussten und beeinflussenden Medien geprägt, aber auch durch eine historisch andere Erlebenswelt und ein völlig anderes Verständnis von der Sache.
Ich persönlich habe fast keinen Zweifel daran, dass ich durch die westlichen Medien gut und richtig informiert werde.
Jedoch sagt der Volksmund, dass jede Medaille zwei Seiten hat und dass die Wahrheit immer irgendwo dazwischen liegt. Ein guter Freund, seit ewigen Jahren Richter, fällt nach eigener Aussage seit Jahrzehnten seine Urteile auf der Basis dieser beiden Erkenntnisse.
Wie dumm sind wir eigentlich?
Doch wo liegt dieses „dazwischen“, der Ort, an dem die Wahrheit, das Richtige zu finden ist? Ganz sicher nicht in den russischen Medien, das scheint klar. Aber inwieweit werden wir durch unsere Medien richtig informiert?
Nur mal so als Frage …
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Natürlich hat jede Medaille zwei Seiten. Und es ist ganz natürlich, dass zwei verschiedene Leute ganz andere Sichtweisen haben.
Jedoch aber kann man – wie dein richterlicher Freund bestätigen wird – prüfen, wer von den beiden Seiten die stichhaltigeren Belege aufbringt.
In der Ukraine werden keine Zeitungen geschlossen und Menschen verhaftet, weil sie der Regierung widersprechen. Ganz anders in Russland. Auch liefert die Ukraine wichtige Produkte im Bereich Luftfahrt und Pharma – und dies bedingt Know-How.
Und wenn man will, dass die Wirtschaft sich nur auf die Schürfung und den Export von Bodenschätzen beschränkt, braucht man nur Korruption und Veruntreuung zu dulden. Leute mit Fachwissen und -Kompetenz ziehen weg. In den Westen.
Aufgrund der vorliegenden Berichte kann ich nur zum Schluss kommen, dass Russland die Ukraine auslöschen will, weil es als ehemaliges „Brudervolk“ wagt, den Weg des Westens zu gehen.
Und wenn Russland mit der NATO ein Problem hat, wenn es sich von der NATO bedroht fühlt, soll es doch die Probleme mit der NATO lösen. Und nicht „mit“ einem Land, das noch zwischen den Blöcken steht.
Will man „beide Seiten hören“, kann man sich auf die geschlossenen Verträge besinnen. Das Minsker Abkommen etwa. Dort heisst es: Die russlandtreuen Separatisten in Donetsk und Luhansk erhalten weitreichende Autonomie.
Aber auch: Die ukrainische Regierung kontrolliert die Grenzen zwischen den Autonomiegebieten und Russland. Womit Waffenlieferungen an Separatisten strikte verboten wären.
Letztlich kann man nur Verhandeln und irgendeinen Frieden schliessen, wenn Vertrauen entsteht. Und das Vertrauen verstärkt sich nur, wenn man sich an bestehende Regeln und Verträge hält. Und den anderen um Erlaubnis bittet, bevor man irgendetwas ändert.
Meines Wissens nach hat die Ukraine nie russisches Territorium beansprucht. Sie hat nie verlangt, dass russische Truppen sich von der ukrainischen Grenze entfernen sollen.
Es ist einzig Russland, das zu verurteilen ist.
Sehr kluge Gedanken