Zum Ende des 19. Jahrhunderts lebte in England der heute kaum mehr bekannte Zauber- und Illusionskünstler Gerald Merring. Unter dem Künstlernamen „The Great Pandino“ gelangte er im Seebad Brighton zu nationaler Berühmtheit. Besonders bekannt war „The Great Pandino“ für seinen Zaubertrick „the changing rule“, was auf Deutsch soviel wie „die wechselnde Regel“ bedeutet. Der Trick lief ungefähr so ab:
Merring ließ sich vom Publikum wahllos drei Zahlen zurufen, die er auf einem Zettel notierte, dann faltete er den Zettel zusammen, machte etwas Hokuspokus und erfragte dann im Publikum eine vierte Zahl. Nach abermaligem Hokuspokus faltete er den Zettel auseinander und zum Staunen des Publikums hatte Merring die ersten drei Zahlen so mit Rechenzeichen (+-*:) verbunden, daß exakt die vierte Zahl als Ergebnis herauskam. Ohne wieder etwas auf den Zettel zu schreiben, faltete er ihn dann wieder zusammen, ließ sich erneut eine Zahl zurufen und präsentierte dann die veränderte Rechenaufgabe, die wieder genau die letztgenannte Zahl zum Ergebnis hatte.
Merring war also in der Lage, den Zettel so zu manipulieren, daß er die Regel für die Rechenaufgabe und die Reihenfolge der Zahlen immer passend vorführen konnte.
Sicherlich kein weltbewegender Trick, aber immerhin hat „The Great Pandino“ das Geheimnis um seine „changing rule“ 1931 mit ins Grab genommen.
Aber warum erzähle ich das eigentlich?
Nun, heute wurde ich sehr eindringlich an dieses Spiel mit der wechselnden Regel erinnert.
Ich fahre so mit dem Auto vor mich hin und gelange an einen der unvermeidlichen Kreisverkehre mit denen unsere Verkehrsplaner derzeit die Städte verseuchen. Ich muß warten, weil im Kreisel Verkehr ist. Dann kann ich einfahren, komme aber nicht weit, weil mir an der nächsten Einmündung in den Kreisel ein anderes Fahrzeug rabiat die Vorfahrt nimmt und ebenfalls in den Kreisverkehr einfährt. Der grauköpfige Fahrer tritt dann aber aufs Gas und rast durch den Kreisel, als habe man ihm die Hose angezündet. Spinner, denke ich.
Eine Weile später fahre ich an die Tankstelle, um noch ein Schächtelchen Kippen zu kaufen. Und auf wen treffe ich da im Tankstellen-Shop? Genau, auf unseren Grauköpfigen! Ich hätte ja nichts gesagt, wenn der mich nicht so glotzäugig angeschaut hätte.
„Das war ja ne gefährliche Nummer, da vorhin im Kreisverkehr“, sage ich zu ihm.
„Häh, wieso?“
„Ah ja, ich war schon im Kreisel unterwegs, da sind Sie einfach reingefahren und haben mir die Vorfahrt genommen.“
„Also, da hört sich ja alles auf“, entrüstet sich der Rentner, „das weiß doch wohl jeder normale Mensch, daß diejenigen, die in den Kreisverkehr einfahren auch Vorfahrt haben!“
„Aber nur, wenn keine Schilder da stehen, da waren aber welche.“
„Da hat man trotzdem Vorfahrt. Immer wenn man in den Kreisverkehr einfährt, hat man Vorfahrt, junger Mann, das werden Sie sich von mir jetzt mal sagen lassen müssen. Ich habe schon 55 Jahre den Führerschein, mir können Sie was glauben!“
„Und wofür stehen dann da die Schilder?“
„Die sind nur wenn man man geradeaus fahren will.“
„Ah ja, und wenn Sie tatsächlich glauben, daß man beim Einfahren in den Kreisel immer Vorfahrt hat, warum haben Sie dann Gas gegeben und niemanden sonst einfahren lassen?“
„Weil sich das ja ändert! Wenn man erst mal im Kreisel ist, hat man logischerweise Vorfahrt.“
In diesem Moment erkannte ich, daß „The Great Pandino“ sein Geheimnis um die sich wechselnde Regel doch nicht mit ins Grab genommen hat. Zwar hat der Alte nicht verstanden, warum ich „Tschüß, Herr Pandino“ zu ihm gesagt habe, aber das störte mich nicht, ich wollte mich sowieso nicht mehr mit ihm unterhalten.
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