Notiz für mich selbst

Sparkasse, Lehrerkalender und der Lesekasper

Sparkassenkalender

Erinnerst Du Dich noch an den roten Lehrerkalender? Jenes DIN-A-6-Büchlein im roten Kunststoffeinband, in das die Lehrer alle Noten und sonstiges eingetragen haben?

Ist Dir eigentlich auch aufgefallen, dass diese Kalender fast immer mit einer Reklame von der Sparkasse bedruckt waren? So war es zumindest während meiner Schulzeit in den 1960er und -70er Jahren.

Während meines Studiums war ich auch an einem Essener Gymnasium tätig und dort während der Sommerferien für die Schulbuchlieferungen zuständig. In NRW herrscht Lehrmittelfreiheit, das heißt, die Schüler bzw. deren Eltern müssen im Normalfall für die teuren Schulbücher nichts bezahlen.
In der Anfangszeit war es so, dass wir Schüler gleich am ersten Schultag nach den Ferien eine Liste mit den zu besorgenden Schulbüchern erhielten. Das war gleichzeitig so eine Art Bezugsschein. Mit dem ging man dann zu seiner Schreibwarenhandlung, und die Lehrer sagten einem schon, wo man hinzugehen hatte, und holte sich dort die Bücher ab. Man kann sich nicht vorstellen, was da für ein Andrang herrschte. Bücher wurden im Akkord abgegeben und auf dem Bezugsschein ausgetragen.

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Natürlich kaufte man dort dann auch die benötigten Hefte, Stifte und sonstigen Materialien. Ein Bombengeschäft für diese Buchhandlungen und Schreibwarenläden.
Später gingen die Schulen dazu über, die Bücher direkt von den Schulbuchverlagen geliefert zu bekommen und dann auf die Klassen zu verteilen. Und genau das hatten mir die Kollegen als kleine Aufgabe für die Sommerferien aufgegeben.

Ich mag Bücher und diese Arbeit hat mir viel Spaß gemacht. Vor allem gab es immer auch Lehrer- und Musterexemplare in großer Zahl, sodaß ich, natürlich mit Erlaubnis, von vielen Büchern auch ein Exemplar erhielt. Ich habe die meisten heute noch.
Was aber neben den 26 Europaletten mit Büchern noch geliefert wurde, waren Kisten mit diesen roten Lehrerkalendern von der Sparkasse. Jeder Lehrer bekam einen, die Lehrerinnen natürlich auch.

Eine clevere Idee dieses Geldinstituts, muss man schon sagen. Da stehen die Lehrer über viele Jahre vor den Schülern und halten immer mal wieder den Schriftzug der Sparkasse hoch. Auch so kann man eine Marke in den Köpfen junger Leute verankern.
An anderen Schulen gab es auch Zeugnismappen, Stundenpläne und Heftumschläge von der Sparkasse. Das machen die schon richtig schlau.

Im Übrigen fällt mir nebenbei noch ein, dass unsere katholische Kirchengemeinde früher die St.-Barbara-Nachrichten herausbrachte. Ein Heftchen im Din-A-5-Querformat, vielleicht 15 Seiten stark, mit einem Deckel- und Rückenblatt aus etwas festerem Papier. Das alles war links mit zwei Klammern zusammengetackert, einfach und pragmatisch. In dieser Broschüre standen die Gottesdiensttermine, Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle, sowie Jubiläen und Gemeindeinformationen drin. Praktisch und informativ.
Warum erzähle ich das? Nun, auch das war eine Werbemaßnahme der Sparkasse. Die übernahm nämlich das Kopieren und Heften kostenlos und war sozusagen der Sponsor der Gemeindenachrichten, was auf der Rückseite durch eine vollflächige Reklame auch kundgetan wurde.

Das Kluge an solchen Werbemethoden ist in meinen Augen das Verbinden von Nutzen und Reklame. Die Betroffenen haben etwas davon, nämlich die Kalender oder eben diese Kirchennachrichten und der Sponsor wird prominent genannt.
Ein weiterer Werbedruck wurde nicht ausgeübt.

Das war übrigens anders, als der dicke Mann mit den geölten Haaren in meiner Grundschulzeit in die Klasse kam und den Lesekasper vorstellte.
Das war eine Buchstütze aus hellgelb-beigem Plastik. Du kennst dieses Plastik vielleicht noch von den billigen Linealen, die immer gratis mit in den Federmappen/Etuis drin waren. Dieses Plastik, das immer gleich zersplitterte und das nichts aushielt.
Und aus so einem ähnlichen Material war auch der aufklappbare Lesekasper gefertigt. Er ermöglichte es, beim Lernen, Lesen und Hausaufgabenmachen das Buch aufrecht vor Dich hinzustellen, damit man nicht mit gestrecktem Hals von oben auf das flach liegende Buch schauen musste.

Der geölte Dicke hatte eine Kasper-Handpuppe dabei und veranstaltete eine lustige Show, bei der er die Vorzüge des Lesekaspers in höchsten Tönen anpries. Am Ende der Verkaufsschau wollte natürlich jedes Kind so eine Buchstütze haben. Und wir bekamen auch eine. Jede Schülerin und jeder Schüler erhielt einen Lesekasper und einen roten Zettel.
Was haben wir uns gefreut! Und natürlich hat jeder seinen Lesekasper zuhause gleich ausprobiert und begeistert den Eltern gezeigt.

Die waren aber weitaus weniger begeistert. Denn der rote Zettel besagte, dass sie nun bitte den Lesekasper für 9 D-Mark kaufen sollen. Das Geld sei dem Kind in bar mitzugeben, anderenfalls der pädagogisch wertvolle Lesekasper wieder mitzugeben und dem Lehrer auszuhändigen sei.

Drei von dreißig Kindern durften ihren Plastikständer behalten, alle anderen mussten wieder abgegeben werden. Keine gute Ausbeute für eine Stunde Kasperletheater. Ich habe aber in Erinnerung, dass diese drei Kinder ihre Buchstützen ziemlich lange und regelmäßig benutzt haben.

Später kamen dann Leute von irgendwelchen Zeitschriftenverlagen in die Klassen. Ja, es wurde sogar Reklame für die BRAVO gemacht und ich glaube für Bussi-Bär und eine Technikzeitschrift für Jungs, sowie eine Handarbeitsheftreihe für Mädchen. Heute undenkbar, denn solche auf das Geschlecht festgelegten Themenvorgaben würden garantiert die Transgenderentwicklung vieler Kinder nachhaltig stören…

Besonders intensiv waren die Werbemaßnahmen für eine englischsprachige Zeitung in vereinfachtem Englisch und mit Vokabelhilfe. Damit sollte das Erlernen der englischen Sprache enorm befeuert werden. Hier entwickelte der Englischlehrer ein ganz besonders auffälliges Verkaufsinteresse.
Er brachte die Musterexemplare immer in seiner persönlichen Aktentasche mit und man musste das Abo auch bei ihm direkt abschließen. Später hörte ich mal, dass er wohl 25 Mark für jedes Abo als Provision erhalten hat. Bei über 40 Schülern pro Klasse und 3 Klassen pro Jahrgang ein gar lohnender Nebenerwerb für einen am Hungertuch nagenden Beamten.
Zumindest in meiner Klasse haben so an die zehn, zwölf Schülerinnen und Schüler so ein Abonnement genommen. Über die ganzen Klassen hinweg könnte Herr H. sicher zwischen 50 und 100 Verträge abgeschlossen haben, und das alle Jahre wieder, was ihm vielleicht jeweils ein- bis zweitausend Mark jährlich zusätzlich eingebracht haben könnte. In den 70ern und 80ern viel Geld!1
Aber die Zeiten waren damals, vor mittlerweile 50 Jahren, auch noch andere. Der hier erwähnte Englischlehrer kam immer mit der brennenden Zigarette in die Klasse, nahm nochmal einen kräftigen Zug, löschte die Kippe dann am Wasserhahn und warf sie in den Papierkorb. Das wäre ja heute auch mit einer schweren Strafe nicht unter Abhacken der Genitalien belegt.

Noch so ein Thema sind die Klassenfahrten.
Viele Eltern können sich das heute gar nicht mehr leisten2. Meine Mutter stand jedes Mal kurz vor dem Herzanfall, wenn ich wieder einmal eine Einverständniserklärung für eine Klassenfahrt zum Unterschreiben mitbrachte.
Und bitteschön, wir sind damals mit der Straßenbahn in den Essener GRUGA-Park und in den Gelsenkirchener Zoo gefahren. Die größte und teuerste Klassenfahrt, war die Abi-Abschlussfahrt nach London, die sagenhafte 240 Mark gekostet hat (die ich im Übrigen von durch Zeitungsaustragen selbstverdientem Geld selbst bezahlen musste).

Als meine Kinder in der Schule waren, was ja auch schon eine kleine Ewigkeit her ist, beide sind ja inzwischen groß (wobei das bei meiner Tochter zumindest in Hinblick auf die Länge nicht zutrifft), habe ich kennengelernt, was das damals für meine Mutter bedeutet hat.
Gut, wir waren mal mit der Klasse auf Schloß Burg in der Nähe des 30 km entfernten Wuppertal3 und die dafür benötigten 40 Mark haben den ganzen Wochenetat für Wurst und Käse aufgezehrt. Aber, was sich die Leherinnen und Lehrer meinber Kinder alles haben einfallen lassen, das hat uns schon eine ganz schöne Stange Geld gekostet. Hier mal 180 Euro, da mal eben 200 Euro und dann im gleichen Jahr noch zweimal 89 Euro für Kanufahrten, Erlebnistage, Klassenausflüge, Stressbewältigung und anderes Zeug.

Erst als ich am Gymnasium war, sah ich, wie offensiv im Lehrerzimmer von den Reiseunternehmern geworben wurde. Je teurer die Reise, umso lukrativer war es für den Lehrer.
Natürlich ist die Organisation und Durchführung einer Klassenfahrt für die Lehrer mit viel Vorbereitungsarbeit, Stress und Verantwortung verbunden. Kein Wunder, dass manche Lehrerinnen und Lehrer sich das grundsätzlich nicht geben. Aber andere haben regelrecht Spaß daran, es ist ja auch für sie eine Abwechslung vom Schulalltag und gehört unbestritten zu den Vorzügen des Lehrerdaseins. Und es kann auch ganz schön lukrativ sein. Das wird natürlich keiner zugeben, manche würden es kategorisch in Abrede stellen, und Beamte dürfen ja sowieso nichts annehmen, yadda, yadda, yadda…
Fakt ist, unterm Strich kostet den Lehrer die Reise so gut wie nichts und obendrein winken noch Provisionen und sei es durch Reisegutscheine.

Aber, wie hast Du das in Erinnerung?
War das bei Euch an der Schule auch so? Oder hast Du andere Erfahrungen gemacht?

Bildquellen:
  • sparkassenkalender: Peter Wilhelm ki


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In „Notiz an mich selbst“ habe ich Fragen, die ich selbst hatte und Fragen, die Leserinnen oder Leser an mich gestellt haben, lediglich grob nachrecherchiert und notiert.
Diese Texte enthalten Recherchen, Fakten, Pseudofakten und Informationen, die ich einfach für mich notiert habe.

Lesezeit ca.: 10 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 10. Juli 2024

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