Warum nach wie vor für Prinz Andrew die Unschuldsvermutung gelten muss und warum es dem Königshaus um die Reinheit der Institution geht, nicht um Schuldeingeständnisse. Liest man die „Yellow Press“, also die bunten Blätter der Boulevardpresse, könnte man schnell den Eindruck gewinnen, der ehemalige britische Thronfolger Prinz Andrew sei ein verurteilter Sexualstraftäter.
Um es gleich vorweg zu sagen: Allein die erwiesene freundschaftliche Nähe eines Mitglieds des englischen Königshauses zu dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein ist völlig ausreichend, um ganz unterschiedliche Maßnahmen zu rechtfertigen. Diese können dem Schutz des Ansehens des Königshauses, der Monarchie an sich, aber durchaus auch der Person von Prinz Andrew selbst dienen. Aber, so lange nichts nachgewiesen wurde und keine Verurteilung erfolgt ist, gilt für Prinz Andrew das Gleiche, wie für jeden mutmaßlichen Straftäter auch: Er ist nur möglicherweise eines Vergehens oder Verbrechens schuldig, aber nicht bewiesenermaßen. Demnach gilt er definitiv als unschuldig, ganz gleich, was Lieschen Müller glaubt oder was in den Gazetten steht.
Oder um es vereinfachter zu sagen: Nur weil jemand nach Jauche riecht, muss er nicht im Kuhstall gewesen sein, er kann auch nur zu arg mit dem Bauern gekuschelt haben.
Dieser Beitrag ordnet die heutige Entscheidung von Prinz Andrew ein: Er verzichtet auf die Nutzung seiner Titel und Würden. Inhaltlich geht es darum, warum der Schritt vor allem der Reinhaltung der Monarchie dient – und nicht als juristisches Eingeständnis von Schuld zu lesen ist. Der Text trennt Fakten und Bewertung strikt und verweist auf die maßgeblichen Quellen am Ende jeder Schlüsselaussage.
Was heute entschieden wurde – und was nicht
Laut Mitteilungen und Medienberichten wird Prinz Andrew die Nutzung seines Titels „Duke of York“ sowie weiterer königlicher Ehren niederlegen; sein Geburtsrang als „Prince“ bleibt davon unberührt. Das Ziel: den anhaltenden öffentlichen Streit um seine Person von der Arbeit des Königs und der Krone fernzuhalten. 1 2 3 4
Wichtig: Der Verzicht auf die Nutzung von Titeln ist ein institutionell-symbolischer Schritt. Er ersetzt weder Ermittlungen noch Gerichtsentscheidungen, er schafft auch keine neuen juristischen Tatsachen. In der Logik der Monarchie bedeutet er: Schaden von der Institution abwenden, nicht: „Schuld bekennen“.
Der Kontext: Epstein-Komplex, Zivilverfahren und öffentliche Wahrnehmung
Unstrittig ist Andrew’s Bekanntschaft mit Jeffrey Epstein und mehreren persönlichen Begegnungen. Aufnahmen und Reiseprotokolle belegen Kontakte; das inzwischen berühmt-berüchtigte Foto mit Virginia Giuffre entstand 2001 in einem Londoner Haus von Ghislaine Maxwell. Andrew bestreitet die Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens. 5 6
2021 verklagte Virginia Giuffre Andrew zivilrechtlich in den USA; der Fall wurde im Februar 2022 außergerichtlich beigelegt. In der Einigung ist kein Schuldeingeständnis enthalten; Andrew kündigte eine Spende an Giuffres Opferhilfs-Charity an. Die konkreten Summen sind nicht offiziell bestätigt. 7 8
Öffentlichkeitswirksam war auch das BBC-Newsnight-Interview von 2019, das Andrew reputativ massiv schadete; in der Folge legte er öffentliche Aufgaben nieder. 9 10
Warum die Krone jetzt handelt: „Sauberkeit“ der Institution vor Person
Die britische Monarchie ist eine Institution des Vertrauens, die in ihrer Funktionalität von Reputation lebt. Sobald eine Person – unabhängig von juristischen Befunden – dauerhaft zur Projektionsfläche eines Skandals wird, ist die Standardreaktion: Distanzierung, Titelruhe, Rückzug ins Private. So soll die Arbeitsfähigkeit der Krone gewahrt und die Belastung des öffentlichen Amtes reduziert werden. Das ist aus Sicht des Palasts Risikomanagement, keine juristische Wertung. 11 12
Der Schritt fügt sich in frühere Maßnahmen ein: Bereits 2022 verlor Andrew die militärischen Ehren und die Nutzung von „His Royal Highness“. Jetzt folgt – nach weiterer negativer Berichterstattung und politischem Druck – der Verzicht auf die Nutzung praktisch aller Titel. Wieder gilt: Ein Schutzwall um die Institution, nicht der Versuch, gerichtliche Verantwortung zu substituieren. 13
Was ist erwiesen, was bleibt umstritten?
Erwiesen sind die Kontakte zu Epstein, dokumentierte Treffen und das Foto mit Giuffre; erwiesen ist auch die Zivilklage und deren außergerichtliche Beilegung 2022 ohne Schuldeingeständnis.
Nicht erwiesen ist eine strafrechtliche Schuld Andrews: Es gibt bis heute keine strafrechtliche Verurteilung oder Anklage, die zu einem Urteil geführt hätte. Der aktuelle Titelverzicht ändert daran nichts. 14 15
Fazit: Symbolpolitik mit klarem Ziel
Wer den Schritt lesen möchte, sollte ihn als Schutz der Krone verstehen. Der Palast trennt Person und Amt: Andrew bestreitet weiterhin die Vorwürfe, die Justiz hat keine strafrechtliche Schuld festgestellt – doch die Monarchie will frei von Dauerkrisen sein. Insofern ist der Verzicht auf Titel ein kompromissloses Reputationssignal, kein richterlicher Befund. 16 17
Richtig ist diese Entscheidung allemal – vielleicht sogar die einzig noch verbleibende. Denn der Makel, der Prinz Andrew seit Jahren anhaftet, wird sich nicht mehr abwaschen lassen. Der Geruch nach Jauche, um es drastisch zu sagen, wird ihn auf Lebenszeit begleiten. Selbst wenn kein Gericht ihn je verurteilt hat, ist die öffentliche Meinung längst gefällt. Und dass er nun nicht mit aller Macht um seine Ehre kämpft, nicht wie ein Löwe in die Offensive geht und die gewaltigen Mittel nutzt, die ihm zweifellos zur Verfügung stünden – sei es juristisch, kommunikativ oder politisch –, spricht Bände.
Gerade dieses Schweigen, dieses freiwillige Zurückweichen in den Schatten, ist ein unübersehbares Zeichen dafür, dass die Nähe zu Jeffrey Epstein, ob gewollt oder zufällig, für das Königshaus und für Andrew selbst zu einer unerträglichen Bürde geworden ist. Jeder Versuch, durch Erklärungen oder Prozesse Licht ins Dunkel zu bringen, würde unweigerlich neue Schatten werfen. Zu groß ist das Risiko, dass in einem neuen Aufrollen der Affäre Details ans Licht kämen, die nicht mehr zu kontrollieren wären. Deshalb ist Schweigen hier keine Feigheit, sondern kalkulierte Schadensbegrenzung – ein letztes Mittel, um wenigstens die Reste des Ansehens der Monarchie zu bewahren.
Bildquellen:
- prinz-andrew_800x500: Peter Wilhelm
Fußnoten:
- https://www.royal.uk/news-and-activity/2025-10-17/a-statement-by-prince-andrew (zurück)
- https://www.apnews.com/article/151c42ac608d864d94dfa233abfa04a8 (zurück)
- https://www.theguardian.com/uk-news/2025/oct/17/prince-andrew-to-give-up-royal-titles (zurück)
- https://people.com/prince-andrew-no-longer-use-royal-titles-honors-shocking-announcement-11832002 (zurück)
- https://www.theguardian.com/uk-news/2022/feb/15/virginia-giuffre-prince-andrew-picture-settlement-lawsuit (zurück)
- https://www.independent.co.uk/news/world/americas/prince-andrew-virginia-giuffre-photograph-trial-b2015760.html (zurück)
- https://en.wikipedia.org/wiki/Virginia_Giuffre_v._Prince_Andrew (zurück)
- https://www.theguardian.com/uk-news/2022/feb/15/prince-andrew-and-virginia-giuffre-reach-settlement-in-principle (zurück)
- https://www.bbc.com/news/uk-50449339 (zurück)
- https://outliar.blog/wp-content/uploads/2019/12/prince-andrew-newsnight-interview-with-emily-maitlis-transcript.pdf (zurück)
- https://www.theguardian.com/uk-news/2025/oct/17/prince-andrew-to-give-up-royal-titles (zurück)
- https://abcnews.go.com/GMA/Culture/prince-andrew-gives-up-royal-titles/story?id=126625470 (zurück)
- https://people.com/king-charles-reacts-prince-andrew-giving-up-royal-title-11832052 (zurück)
- https://en.wikipedia.org/wiki/Virginia_Giuffre_v._Prince_Andrew (zurück)
- https://www.royal.uk/news-and-activity/2025-10-17/a-statement-by-prince-andrew (zurück)
- https://www.apnews.com/article/151c42ac608d864d94dfa233abfa04a8 (zurück)
- https://www.theguardian.com/uk-news/2025/oct/17/prince-andrew-to-give-up-royal-titles (zurück)
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