Spitze Feder

Potjomkinsche Steinböcke, oder: Simulation vs Realität

Potemkinsche Talkshow

Am 12. Juni lief zur Primetime auf Arte, einem jener, mit Zwangsgebühren finanzierten Sender des gleichgeschalteten Staatsrundfunks, der sehenswerte Science-Fiction-Film „Unternehmen Capricorn“1 aus dem Jahre 1978. Im Stenogrammstil handelt der Streifen von der Simulation einer Landung dreier Astronauten (Helden) auf dem Mars, die der amerikanischen Bevölkerung und letztendlich der ganzen Welt, mit allen verfügbaren Mitteln der Technik, als „Realität“ präsentiert wird.

Bis Ende Juni 2024 kannst Du den Film hier noch in voller Länge anschauen:

https://www.arte.tv/de/videos/032103-000-A/unternehmen-capricorn/ (bis Ende Juni 2024)
https://youtu.be/f2Z-SFkt5gw?si=K9GvDAMlYkAtnZZy (auf Dauer)

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Tatsächlich stammen die spektakulären Bilder nämlich nicht vom Mars, sondern aus der Kulisse eines TV-Studios in einem ehemaligen Militärstützpunkt der US-Army. Die Rakete startet vor einer jubelnden Menge und zahllosen TV-Kameras zwar tatsächlich, jedoch ohne die Crew. Denn die muss kurz vor dem Ende des Countdowns, auf Befehl „von ganz oben“, wieder aus der Kapsel steigen und wird umgehend an einen geheimen Ort, dem besagten ehemaligen Militärstützpunkt, geflogen.

Sämtliche „Liveübertragungen“, die die Bevölkerung ab diesem Zeitpunkt gebannt im Fernsehen verfolgt, sind entweder Bandaufnahmen, oder eben, in jener Kulisse aufgenommene und technisch perfekt auf Realität gepimpte Filmsequenzen.
Als sich beim Wiedereintritt in die Atmosphäre allerdings das Hitzeschutzschild der realen Kapsel löst, wären die drei angeblich an Bord befindlichen Astronauten getötet worden. Und damit beginnt eine gnadenlose Menschenjagd auf die in Wirklichkeit auf der Erde geblieben Astronauten, um die Realität mit der Simulation zu „synchronisieren“. Sprich: Die drei Astronauten zu töten.

Das Sujets des Films gilt vielen als augenzwinkernder Hinweis auf die Fragen einiger Verschwörungstheorien (?), ob es sich bei der Mondlandung vielleicht nicht ebenfalls um eine perfekte Simulation gehandelt haben könnte. Befeuert wird die Vermutung der Community zusätzlich, durch eine kurze Szene im James-Bond-Film „Diamantenfieber“, in der der Titelheld, gespielt von Sean Connery, auf der Flucht vor seinen Verfolgern, plötzlich in der täuschend echten Kulisse einer fingierten Mondlandung steht.

Da die Einleitung zu diesem Beitrag nun die übliche Länge mal wieder mehr, als erreicht hat, möchte ich nun zum eigentlichen Thema kommen:

Simulation vs Realität

Capricorn ist die englische Bezeichnung für den Steinbock, eine jener Tierarten aus der Gattung der Ziegen, deren männliche Vertreter durch spektakuläre Kampfszenen weltberühmt sind, bei denen die Böcke volle Möhre mit ihren Hörnern gegeneinander donnern, um ihren Rang in der Herde zu demonstrieren und sich den Zugriff auf die Weibchen zu sichern. Das ist nach dem Darwinschen Verständnis vom survival of the fittest durchaus sinnvoll. Schließlich gibt der Sieger aus dem Kopf-gegen-Kopf-Rennen seine überragende Körperkraft über sein Erbgut an die Nachkommen weiter und sichert somit die Überlebenschancen der ganzen Spezies.

Steinbock

Diese archaische Strategie durchdringt auch bei der sogenannten Krone der Schöpfung, dem Homo sapiens, auch im 21. Jahrhundert noch immer dessen tagtägliches Denken und Handeln. Im Grunde genommen sind wir nämlich noch immer irgendwie Urzeitmenschen; denn noch immer bekommt derjenige mit dem lautesten Gebrüll und den dicksten Muckis, im übertragenen Sinne, den ersten Platz am Lagerfeuer und den ersten Zugriff auf die Weibchen.

Der Zugriff auf die Weibchen hat sich im 21. Jahrhundert stilistisch allerdings etwas geändert. Die oft mühsame, aufwändige und zuweilen auch frustrierende Partnersuche, ob nun zur reinen Arterhaltung oder zum körperlichen Pläsier, wurde nämlich auf smarte Dating-Portale outgesourct. Dort muss man die must-have-skills seines Wunschpartners (m, w, d, vegan), seinen eigenen Vorlieben und Neigungen entsprechend, einfach anklicken und somit Ausschlusskriterien definieren. Dass sich derzeit noch ein Großteil der Profile in völlig übertriebenen Schönfärbereien erschöpft, sollte mittels KI jedoch bald der Vergangenheit angehören.

In der Politik ist das archaische Gehabe, beim Protzen und Balzen um die Gunst der Wählerinnen und Wähler, volle Möhre mit den Hörnern gegeneinander zu donnern, allerdings noch gang und gäbe, und es wird uns vermutlich auch noch lange erhalten bleiben.
Nur, dass die Austragungsstätten eben keine lebensgefährlichen Steilhänge in den Hochalpen sind, sondern die Bühnen auf politischen Kundgebungen, die Rednerpulte in den Parlamenten, oder die gepflegten Ledersessel in klimatisierten Fernsehstudios …

…und die Hörner sind ein überschaubares Sammelsurium an hohlen Phrasen, mit denen die politischen Alphatiere bei Maischberger, Lanz & Co, den Zuschauerinnen und Zuschauern ihre Potjomkinsche2 Macht demonstrieren.

Eine der beliebtesten Phrasen, ist die ewige Mär von einer Welt, in der die Politik die Rahmenbedingungen schaffe, wahlweise auch schaffen müsse, innerhalb derer die „Wirtschaft“ wiederum dies und das tue, was natürlich völliger Unsinn ist. Denn in der Realität, schafft nämlich die „Wirtschaft“ die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Politik wiederum dies und das tun darf …
… solange es vollumfänglich den Interessen der „Wirtschaft“ dient.

Das sieht man daran, dass im Protzen und Balzen um die Gunst der Wählerinnen und Wähler bereits seit Monaten knallharte Kriegsrhetorik an der Tagesordnung ist, mit der die Politik den europäischen Boden für ein höchst lukratives Business nachhaltig düngt, und dass anhand einer dauerhaften Wiederholung der Potjomkinschen Simulation, sich mittlerweile anscheinend niemand mehr darüber zu wundern scheint.

Auf den Bühnen bei politischen Kundgebungen, an den Rednerpulten in den Parlamenten und in den gepflegten Ledersesseln in den klimatisierten Fernsehstudios, läuft diese spektakuläre Simulation auf Hochtouren, die die „Rahmenbedingungen“ und die vermeintliche Macht eben jener Potjomkinschen Steinböcke, als etwas Schicksalhaftes inszeniert, und Micheline und Michel ergeben sich offensichtlich völlig desillusioniert dem verlogenen Treiben.

Diejenigen, die tatsächlich das Sagen haben, halten sich derweil diskret im Hintergrund. Sie befeuern das Aufeinanderprallen der Potjomkinschen Steinböcke gönnerhaft mit beträchtlichen Summen (vulgo: Parteispenden) und lachen sich scheckig über deren joviales Gehabe und deren blasierte Auftritte. Derweil fahren jene sogenannten Alphatiere der „Parteien der Mitte“ das Land durch ihr hanebüchenes Unvermögen peu à peu in die Grütze, während Micheline und Michel3 einen Ausgang aus ihrem Elend suchen und dabei ihren gesunden Menschenverstand bei BILD, RTL & Co versenken – also erneut in einer faulen Simulation.

Das I-Tüpfelchen in dem ganzen Elend, ist nämlich der Umstand, dass sich deshalb immer mehr Menschen ihren archaischen Reflexen aus den Zeiten der Urzeitmenschen hingeben und den Rechtsaußen, den Potjomkinschen Steinböcken mit dem lautesten Gebrüll, ihre Stimmen geben, in der Hoffnung, wenigstens diese mögen ihnen doch wieder einen der vorderen Plätze am Lagerfeuer und einen Zugriff auf die Weibchen ermöglichen.

Ausgerechnet den Rechtsaußen, bei denen am Ende ihrer völkischen Blut-und-Boden-Orgien stets Armeen volle Möhre mit ihren Hörnern gegeneinander donnerten und dadurch in letzter Konsequenz auch das eigene Land in Schutt und Asche legten, w#rend diejenigen, die tatsächlich das Sagen hatten und noch immer haben, dem wahnsinnigen Treiben aus sicherer Entfernung zusehen und in aller Ruhe ihr Geld zählten.

Wisst Ihr was? Ich habe keinen Bock mehr auf all diese Potjomkinsche Steinböcke, auf ihre lächerlichen Simulationen von Macht, mit denen sie bei Maischberger, Lanz & Co, ihre hohlen Sprechblasen entleeren (Georg Schramm) und dem Wahlvolk suggerieren, sie hätten tatsächlich das Zepter in der Hand.

Da erscheint es mir wesentlich sinnvoller, trotz aller skurrilen Ungereimtheiten in den offiziellen Apollo-Akten der NASA, die Mondlandung als Realität zu betrachten … oder meinetwegen auch den Weihnachtsmann.

Bildquellen:
  • potemkinsche-Talkshow: Peter Wilhelm ki
  • Steinbock: Cactus26, CC BY 2.5, wikimedia.org


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Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 14. Juni 2024

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