Am Samstag fängt der Maimarkt an. Der Maimarkt heißt Maimarkt, weil er am letzten Aprilwochenende anfängt, aber die meiste Zeit seiner Dauer im Mai herumdümpelt, er geht so elf Tage lang.
Mannheim als Austragungsort dieses Marktes leistet sich den Luxus riesige Areale vor den Toren der Stadt für diesen Markt ganzjährig freizuhalten. Auf dem einen Gelände werden ab Samstag 20.000 Autos parken können, auf dem anderen Gelände wurden 47 riesige Zelthallen aufgebaut.
Solche Märkte gibt es viele in Deutschland, aber der Maimarkt ist der größte davon, es gibt ihn auch schon fürchterlich lange, seine Wurzeln reichen bis 1613.
Ursprünglich war er ein reiner Krämer- und Viehhändlermarkt. Die Bauern aus dem Odenwald und der Pfalz kauften und verkauften hier ihre Stiere, Ochsen, Kühe und Pferde sowie allerhand Kleinvieh und die zahlreichen Nebenerwerbsbauern der Mannheimer Region deckten sich mit den notwendigen Utensilien und oft mit dem ganzen Jahresvorrat an Hilfs- und Futtermitteln ein.
Diesen Teil des Marktes gibt es auch heute noch, doch kommen die etwa 400.000 Besucher heute nicht mehr in erster Linie wegen der landwirtschaftlichen Produkte und Landmaschinen, sondern wegen der bunten Palette an Angeboten aus allen Bereichen des täglichen Lebens.
Abgesehen davon daß man auf dem Maimarkt vortrefflich „fressen“ und „saufen“ kann, oft ohne etwas dafür bezahlen zu müssen, weil an vielen Ständen Proben angeboten werden, gibt es von den neuesten technischen Errungenschaften für Küche und Haushalt bis hin zum Auto und Fertighaus alles anzuschauen, zu bestellen und zu kaufen.
Die Allerliebste und ich gehen (fast) jedes Jahr dort hin. Freundlicherweise lädt uns der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim immer ein, mit ihm gemeinsam den Eröffnungsrundgang zu absolvieren. Das finde ich dieses Mal besonders interessant, weil da auch meistens der amtierende Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg dabei ist. Und der heißt ja Günther Oettinger. Ich glaube ja kaum, daß der sich ausgerechnet mit uns unterhalten wird und wenn, dann schon gar nicht über Herrn Filbinger. Aber mal sehen, beim anschließenden fröhlichen Umtrunk im Kreise dunkel beanzugter Herren und aufgebrezelter Wichtigfrauen ergab sich in den vergangenen Jahren schon oft die Möglichkeit, mit den Herren Späth und Teufel mal zu reden. (Man dichte mir daraus keine Nähe zu irgendeiner Partei an, zumindest seit ich hier wohne, gab es noch keinen SPD-Ministerpräsidenten.)
Neben dem guten Essen und Trinken haben die Allerliebste und ich so unsere Vorlieben. Ich gucke vo allem in den Männerzelten. Elektronik, Baumarkt, Maschinen, das ist meine Welt. Sie hingegen fühlt sich bei Mode, Schmuck und Heim am wohlsten. Wir legen extra immer etwas Geld beiseite, damit sich jeder einen nutzlosen aber schönen Wunsch erfüllen kann. Allerdings haben wir in den letzten zwei Jahren beide nichts Gescheites gefunden und nur den üblichen Kleinkram mitgenommen. (Was für die Kinder, ein neues Halsband für den Hund usw.)
Das Interessanteste allerdings sind für uns die Leute. Anke und ich können stundenlang nur den Leuten zuschauen. Man glaubt gar nicht, was da für Typen sind. Da ist natürlich zum einen das Publikum, das aus den unergründlichen Tiefen des Odenwaldes und den Weiten der weinanbauenden Pfalz kommt. Zum anderen und nicht minder interessant ist dieses bunte Völkchen der Propagandisten und Vertriebsspezialisten, die nichts unversucht lassen, um ihre Waren an den Mann und die Frau zu bringen.
Im Odenwald gibt es Gemeinden, da wird jeden Morgen die Sonne noch mit einer langen Holzstange an den Himmel geschoben. Im ganzen Dorf wohnen 180 Leute, die alle miteinander verwandt sind. Das nächste Geschäft ist 10 Kilometer entfernt und die einzige Abwechslung in der täglichen Eintönigkeit bietet die Satellitenschüssel auf dem Dach – und natürlich einmal im Jahr der Mannheimer Maimarkt.
Die Pfälzer hingegen haben oft mehr Einkaufsmöglichkeiten, dafür aber mehr Geld in der Tasche.
Offengestanden muß ich sagen, daß ich gar nicht geglaubt habe, daß es solche Urbilder von Bauern überhaupt noch gibt.
Es ist ein reines Vergnügen, diesen Leuten zuzuschauen, wenn sie staunend vor solchen Selbstverständlichkeiten wie einem elektrischen Büchsenöffner stehen und darüber fachsimpeln, als ginge es um moderne Computertechnik.
Was uns auch immer wieder erstaunt, ist die Vielzahl von Menschen, die auf dem Maimarkt ganze Wohnungseinrichtungen und sogar Autos, Traktoren und Hausdächer kaufen oder Reisen buchen. Wie gesagt, das Einkaufsnagebot am Herkunftsort dieser Menschen ist seh gering.
Auf der anderen Seite haben wir die ganzen Verkäufer und Verkäuferinnen. Denen merkt man sofort an, ob es Kräfte sind, die nur für den Maimarkt eingestellt wurden oder ob es sich um Verkaufspofis handelt. Ach was sehe und höre ich denen gerne zu!
Alle möglichen nützlichen und unnützen Gerätchen und Geräte werden angepriesen. Alles kommt natürlich direkt aus der Weltraumforschung und jeder Bananenhobel ist TÜV-geprüft und hat bei der Stiftung Warentest den ersten Platz gewonnen!
Und genau der Mann, der letztes Jahr noch eine unzerstörbare Bratpfanne verkaufte, steht heute da und behauptet im Brustton der Überzeugung, er sei schon seit 25 Jahren mit dem magischen Wundermesser unterwegs.
Doll sind auch die vielen Anbieter von Genuß- und Lebensmitteln, sowie Haushaltsgeräten. Da stehen an den Ständen ganze Heerscharen von Vertretern, die die unbedarften Kunden auf ihre oft recht großen Stände locken, um ihnen ganz kostenlos und unverbindliche etwas zu kredenzen oder vorzuführen. Fast ohne es zu merken, hat man dann einen ganzen Jahresbedarf an Wein oder Hartwurst eingekauft, eine Reise in die Ägäis gebucht oder eine elektrische Küchenmaschine für 4.000 Euro auf Raten gekauft.
Natürlich fallen Anke und ich auf sowas nicht herein, aber ich schrieb ja schon: Die meisten Besucher kommen aus Dörfern, in denen das elektrische Licht als Neuheit empfunden wird.
Die Allerliebste und ich können aber ziemlich dumm aus der Wäschen gucken und wenn man das kann, geht man glatt als Odenwälder oder Pfälzer durch. Und dann bekommt man auch so allerhand umsonst. Man muß nur immer wieder erstaunt ‚ach was?‘ sagen und ich sage gelegentlich zur Allerliebsten: „Gell, das wär‘ vielleicht auch was für uns, oder?“
Dann glaubt der Verkäufer, er habe uns schon an der Angel und überhäuft uns mit kostenlosen Köstlichkeiten. Die Allerliebste mimt dann aber die Unentschlossene, schiebt die Lippen vor und schmollt: „Ach, ich weiß nicht. Meinst du wirklich?“
Das bringt den Verkäufer dann dazu, noch eine Schaufel Kohlen ins Feuer zu werfen. Dann hagelt es hochwertige Werbegeschenke.
Ist ja klar, wir kaufen dann schließlich doch nichts. Die meisten Verkäufer ertragen das mit stoischer Gelassenheit, so etwas darf einem guten Verkäufer nicht an die Nieren gehen. Einmal wurden wir aber auch mit dem neuen elektrischen Wunderbesen vom Stand verjagt, Macht nix, kommen wir eben nächstes Jahr wieder!
Wenn mal der Verkäufer zu aufdringlich wird und wir quasi von seinen Kollegen umringt werden und einer uns mit vorgehaltenem, weltraumerprobtem Küchenmesser freundlich die Hand bei der Unterschrift auf dem Kaufvertrag führt, haben wir einen anderen Trick.
Ich gebe dann als Adresse immer Anton Vogelbauer in Haßloch/Pfalz an und hoffe inständig, daß es in Haßloch keinen Mann dieses Namens gibt.
Wir gehen auch deshalb gerne gleich am Eröffnungstag da hin, weil es dann erfahrungsgemäß nicht ganz so voll ist. Es hat sich nämlich in die Köpfe der Leute eingebrannt, es sei am ersten Tag, dem Samstag und dem letzten Tag, dem so genannten Maimarktdienstag, ganz besonders voll. Ja und dann gehen sie nicht hin, um dem Gedränge zu entgehen und tatsächlich ist es dann nämlich besonders leer.
Am Maimarktdienstag, dem letzten Tag, sind übrigens viele Betriebe in Mannheim und Umgebung geschlossen, es ist sowas wie ein kleiner Feiertag.
Es ist aber auch wirklich wichtig, an einem Tag oder zu einer Zeit (besonders früh z.B.) hinzugehen, denn wenn es voll wird, wird es richtig voll. Die Gänge in den Hallen sind zumeist recht eng und es hat sich zu einer großen Mode entwickelt, Hunde und/oder Kinderwagen mitzubringen. So ein Kinderwagen eignet sich hervrorragend als Rammbock, um sich den Weg durch die Massen zu bahnen und davon machen die Kinderwagenschieber hemmungslos Gebrauch.
Bei mir erfreuen sich die Rucksackträger großer Beliebtheit. Wenn die sich drehen und wenden, hauen sie den anderen Leuten immer ihren Tornister ins Gesicht. Fürchterlich!
Ich mache mir da gerne den Spaß, diesen Leuten eine kleine Auswahl aus dem Sortiment des jeweiligen Standes hinten an den Rucksack zu hängen. Das macht noch viel mehr Freude, als Christbaumschmücken!
Mit den überall wohlfeilgebotenen Wundermessern kann man übrigens auch wunderbar Hundeleinen druchschneiden…
Aber gut, ich will nicht alles verraten, sonst kommen noch mehr Leute auf die Idee, so wunderbare Tage mit Schabernack auf dem Maimarkt zu verbringen.
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