Spitze Feder

Kognitive Apnoe

Apnoe Pixabay

Schon mal von „Apnoe“ gehört? Das stammt aus dem Griechischen und bedeutet in korrekter Übersetzung eigentlich „Atemzug“. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Apnoe, weshalb auch immer, mit Atemaussetzer gleichgesetzt. Vielleicht hatte Stavros Huber, der federführende Editor des Langenscheidt-Verlages, in seinem fensterlosen Kellerbüro just bei diesem Wort einen solchen Atemaussetzer, was zu fehlender Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und dadurch zu eingeschränkter mentaler Fähigkeit führte. Zumindest läge somit eine logische Erklärung für diesen Fauxpas vor.

Der geneigte Leser dieses Beitrages sei an dieser Stelle herzlich eingeladen, in einem Selbstversuch die Luft anzuhalten, und er wird feststellen, dass ihm diese linguistische Unzulänglichkeit nach maximal ein bis zwei Minuten meilenweit am Arsch vorbeigehen wird. Es sei denn, er ist Franzose und hört auf den Namen Stefane Mifsud. Jener ist nämlich mit geradezu unfassbaren 11:35 Minuten amtierender Weltrekordhalter in der merkwürdigen Kunst des Apnoe-Tauchens, exakter ausgedrückt: In der speziellen Disziplin, möglichst lange mit einem Atemzug mit dem Gesicht nach unten im Wasser zu liegen.

Man muss die Beweggründe nicht nachvollziehen können, die gesunde Menschen zu solch abstrusen Taten veranlassen. Vielleicht erzeugt der bereits erwähnte Mangel an Sauerstoff eine Art wohlige Trance, vergleichbar mit irgendwelchen Drogen, nur eben gratis und legal. Falls ein Anhänger des Apnoe-Tauchens seine Begabung einmal überschätzt, kann das neben der eingeschränkten mentalen Fähigkeit natürlich auch dazu führen, dass er seinen letzten Tauchgang letal beendet. Das mag zwar für ihn und sein persönliches Umfeld tragisch sein, für den Lauf der Welt wäre es aber völlig unerheblich, so pietätlos das auch klingen mag.

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Ganz im Gegensatz zu der anaeroben Wassersportart und ihrem begrenzten Einfluss auf unser aller Wohlergehen, leiden wir unter einer eklatanten Mangelerscheinung von globaler Tragweite, die uns tagtäglich über die Medien in Form einer völlig einseitigen politischen Berichterstattung begegnet. Ich erlaube mir an dieser Stelle, die soeben beschriebene Form publizistischer Verweigerung jedweder dialektischer Sorgfalt mit der Wortschöpfung Kognitive Apnoe zu bezeichnen. Das mag zwar meinetwegen völlig unwissenschaftlich sein, hat aber den Vorteil, dass die seltsame Überschrift dieses Beitrags somit wenigstens einmal darin auftaucht, was ja nichts Negatives bedeuten muss. Da wir gerade beim Thema Wissenschaft sind: Die von den ultraorthodoxen Vertretern jener Kreise in elitärer Anmaßung gering geschätzte Internet-Enzyklopädie Wikipedia schreibt zum Thema Kognition übrigens:

„Kognition ist die von einem verhaltenssteuernden System ausgeführte Umgestaltung von Informationen. Nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen werden genutzt, sondern massiv gefiltert, integriert und auf viele andere Weisen verändert, bevor sie ins Bewusstsein gelangen.“

Wenn ich mir nun die Bedeutung meiner unbotmäßigen Wortschöpfung der kognitiven Apnoe so überlege, stellt sich mir die Frage, wer dieses verhaltenssteuernde System ist und zu welchem Zweck die Umgestaltung von Informationen dient. Die beiden Journallisten Mathias Bröckers und Paul Schreyer haben sich dieses Themas in einem erhellenden Buch zum sogenannten Ukraine-Konflikt angenommen und, zumindest mir, hierzu erschöpfende Auskunft gegeben. Es trägt den provokanten Titel: „Wir sind die Guten, Ansichten eines Putinverstehers, oder wie und die Medien manipulieren“, und ich kann es von wärmsten Herzen empfehlen.

Wir müssen ja bekanntlich alle unseren pekuniären Beitrag zur Finanzierung der öffentlich rechtlichen Fernseh- und Radiosender leisten. Ich begrüße dies aus tiefster Überzeugung, denn nach den Statuten des Rundfunkstaatsvertrages sind jene Sender verpflichtet, die Bevölkerung staatsfern, umfassend und ausgewogen zu informieren. Ich würde an dieser Stelle noch hinzufügen, oder es begrüßen, wenn sie einen nicht kommerziellen Gegensatz zu der Kognitive Apnoe der Privatsender bilden sollten. Da jedoch die Kirchen, die Parteien und andere Interessenverbände ihre Vertreter in die sogenannten Rundfunkbeiräte plazieren und die Sender mittlerweile zur fetten Beute haben verkommen lassen, kann man die hehren Ziele natürlich in die Tonne treten. Aber zumindest wird ab 20:00 Uhr kein Beitrag mehr durch eine grinsende Hackfresse unterbrochen, die sich irgendwelche Bratwürste reinzieht, oder sich alle 11 Minuten in ein Phantom verknallt. Alleine schon deshalb zahle ich die 17,50 € im Monat gerne.

Allerdings wird es durch diese illegale Instrumentalisierung der Öffentlich-Rechtlichen zunehmend schwerer, sich zu einem bestimmten Thema nach der dialektischen Old-School-Methode zu informieren und sich eine, im wahrsten Sinne des Wortes, eigene Meinung bilden zu können.

Es leuchtet mir natürlich ein, dass man aus dem ministrablen Munde einer aggressiven Amazone wie Ursula von der Leyen nichts anderes hört, als das hohe Lied vom Kriege. Nachdem aus ihrem feuchtesten aller feuchten Träume, dereinst Angela Merkel zu beerben und mit Pilates-gestählter Glutealregion auf den Kanzlerinnen-Thron Platz zu nehmen, vermutlich nichts wird, hat sie sich als Camouflage-Uschi auf die Rolle der Caesarin mit acrylbewehrtem Haupthaar derart eingeschossen, dass sie nur noch in großkalibrigen Wummen denkt. Und da es in ihrem persönlichen Umfeld offensichtlich niemanden mit Charakter gibt, der sie unter vier Augen über ihre Paranoia aufklärt, wird sie auch auf der nächsten Münchner Sicherheitskonferenz den US- Kriegshetzern wieder an den Lippen hängen und in die Mikrofone der Qualitätsmedien ihrer tiefen Sorge um die Aussengrenzen der Bundesrepublik im Sudan oder in Somalia Ausdruck verleihen.

Aber weshalb bitteschön, wird dieses grenzdebile Geschwätz, dann noch als profunde Einschätzung über den Ernst der weltpolitischen Lage völlig unkommentiert gesendet? Hallo? Ist es denn zuviel verlangt, wenn ich als Gebührenzahler einfach erwarte, dass ein Journalist jenes öffentlich rechtlichen Rundfunks, alleine schon aus Gründen persönlicher Integrität, zwischendurch die Dauerwerbesendung der Frau Ministerin in Sachen Kriegswaffen unterbricht und die gute nach ihrem Verhältnis zum Grundgesetz befragt, oder sie auf ihren Amtseid hinweist?

Oder betrachten wir mal die öffentliche, will meinen: Die mediale Darstellung der Frau Dr. Angela Dorothea Merkel, ihres Zeichens Bundeskanzlerin und mithin amtierende Chefin der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland. Einem Land das solche intellektuelle Titanen wie Goethe, Schiller, Marx, Kant und viele andere hervorgebracht hat und für die Komplexität seiner Sprache Weltruhm genießt. Doch anstatt mit diesem Pfund zu wuchern und die beinahe grenzenlosen Möglichkeiten virtuos einzusetzen, sich mit der deutschen Sprache klar und unmissverständlich ausdrücken zu können, hat Merkel ihre merkwürdige Technik einer völlig sinnfreien Aneinanderreihung von belanglosen Worthülsen, begleitet von untalentierter Gestik und Mimik, die einen Samy Molcho in den Wahnsinn treiben können, quasi zur persönlichen Kernmarke erhoben, was von den Medien unverständlicherweise auch noch aufs das Heftigste goutiert wird und ihr deshalb gar der Nimbus der mächtigsten Frau der Welt anhaftet.

Ich könnte jedesmal ausflippen, wenn sie mit der bleischweren Würde ihres Amtes und einer Überdosis von antrainiertem falschem Pathos in langatmiger Erklärung zu irgend etwas nichts sagt, dies dann sogleich als alternativlos bezeichnet und dem politischen Gegner mit grottenschlecht geballten Fäustchen versucht, Angst einzuflößen; und wenn dann wieder kein Journallist den Schneid hat, sie nur ein einziges Mal zu fragen, was sie mit dem soeben Gesagten denn konkret gemeint habe, oder ob sie durch ihr belanglosen Geschwätz den Bürgerinnen und Bürgern mitzuteilen versucht, dass sie in Wahrheit den philatelistischen Super-GAU ihres einstigen Ziehvaters, sprich: eine Briefmarke mit ihrem Konterfei, als höchstes Ziel ihrer politischen Œuvres sehe.

Kann natürlich sein, dass ich zuweilen etwas überreagiere. Bei mir haben die Ärzte vor einigen Jahren nämlich mal eine Schlaf-Apnoe diagnostiziert, und ich habe durch den bereits erwähnten Sauerstoffmangel eventuell nicht mehr alle Latten am Zaun. Schätze, ich muss mir unbedingt eine Apple-Watch zulegen. Die erinnert einem diskret daran, ab und zu ganz bewusst zu atmen. Oder ich halte einfach mal ganz lange die Luft an. Vielleicht erlebe ich ja eine Art wohlige Trance und kriege mich wieder ein.

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    Spitze Feder – Spitze Zunge

    Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
    Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

    Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

    Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

    Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

    Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 15. August 2017 | Revision: 17. September 2020

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