Spitze Feder

Ich bin gerne unkorrekt

Fettnaepfchen Pixabay

Also irgendwie wird mir das alles zuviel. Überall lauern Fettnäpfchen in Massen. Schon mal überlegt, wem man es heutzutage alles recht machen soll, sogar recht machen muss, was man auf keinen Fall ansprechen darf, und wozu man auf jeden Fall Stellung beziehen muss, um politisch korrekt zu sein, also um bestenfalls nicht als Ignorant zu gelten, oder, im schlimmsten Fall, nich gleich als Nazi? Vielleicht liegt das daran, dass ich seit mehr als einem halben Jahrhundert auf dieser Welt herumlatsche und einfach keinen Bock habe, jedem Zeitgeist-Furz hinterherzurennen, mir makrobiotisches, veganes oder transgender-Blabla einzuprägen und Super-Food, statt Hausmannskost zu essen, nur um im richtigen Moment, Leute beeindrucken zu können, die mich nicht interessieren. Ich gebe es zu: Ich bin gerne unkorrekt.

Als ich noch ein Knirps war, waren die Eltern meiner Freunde Deutsche, Griechen, Italiener, Spanier…und meine Freunde waren Katholiken, Protestanten, Griechisch Orthodoxe und Juden. Keine Sau hat das jemals interessiert. Das war nie ein Thema. Wozu auch? Wichtig war, dass man einen Kirschkern plaziert spucken und mit der bloßen Hand Heuschrecken fangen konnte, auf einen Baum klettern, um Obst zu klauen und aus Haselnuss-Zweigen einen vernünftigen Bogen bauen konnte. Ja, ich weiß, das klingt jetzt möglicherweise wie das Früher-war-alles-besser-Gefasel aus den Fachorganen der Wartezimmerliteratur. Aber das ist Unsinn. Früher war natürlich nicht alles besser, aber einiges anders, vielleicht auch unkomplizierter. Auf so manche „Erneuerung“ könnte ich jedenfalls locker verzichten.

Wenn ich heute ohne dezidierte Erklärung, einfach so heraus, sage, dass es mir noch immer völlig Wurscht ist, woher jemand kommt, oder in welcher Kirche, Synagoge oder Mosche er seine Jenseitsphantasien auslebt, solange er mich nicht missionieren will, oder mir für meine Gottlosigkeit an die Gurgel gehen möchte, dass meiner Meinung nach Religionen ein Fall für die heimischen Wohnzimmer sind, und dass der Streit über die „richtige Religion“ kompletter Bullshit ist, oder dass ich diesen oder jenen nicht abkann, weil ich finde, dass er ein Idiot ist, kriege ich schneller Schwierigkeiten, als früher beim Birnen klauen.

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Aber der Zug ist abgefahren. Das geht so heute nicht mehr. Wer sich im Kosmos nachhaltiger Korrektheit des 21. Jahrhundert unfallfrei bewegen will, braucht einen Verhaltenskodex, und zwar keinen eigenen, sondern den Richtigen! Dummerweise muss man diesen aber ständig updaten und sich immer darüber im Klaren sein, was man gerade darf und was man auf keinen Fall darf, sonst zieht man blitzschnell die Arschkarte. Man muss jederzeit sämtliche No-Gos parat haben, eine stetige Flut neuer Begriffe lernen und diese auch situationsgerecht anwenden können.

Meine Freunde aus der Kindheit sind heute beispielsweise keine Griechen, Italiener oder Spanier mehr. Korrekt ausgedrückt heißt das jetzt: Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund. Hätte meine Mutter mir früher bei Dinkel-Frikadellen und Fenchel-Zucchini-Mousse an Rosmarin-Kartoffeln behutsam versucht beizubringen, dass Adriano, unser bester Flitzebogenbauer, ab sofort kein Italiener, oder der kleine dicke Miguel, der nicht durch die Finger pfeifen kann, aber ansonsten ganz OK, aber eben kein Spanier mehr ist, dass die beiden jetzt Migrationshintergrund haben, und dass ich darauf Rücksicht nehmen müsse, oder sogar stolz darauf sein könne, einen Italiener und einen Spanier als Freunde zu haben…

Merkt Ihr, wie bescheuert das alles läuft, oder bilde ich mir das nur ein? Wir hatten in unserem Dorf auch Kinder, die wir nicht mochten, wie Kinder heutzutage ganz sicher auch noch. Dabei ging es nie darum, ob sie nun Deutsche, Griechen, Italiener, Spanier, oder was auch immer waren. Wir konnten sie nun mal nicht leiden, vielleicht weil sie in unseren Augen einfach nur blöde waren. Das ging damals ganz easy über die Bühne, weil wir in deren Augen vermutlich ebenfalls blöde waren. Man ging sich aus dem Weg. Mit einer solch undifferenzierten Einstellung gegenüber anderen würden die heutigen Knirpse vermutlich einen Sturm der Entrüstung entfachen und sofort einen Nachbarschaftskreis ihrer Eltern, oder gleich eine Bürgerinitiative auf den Plan rufen, mit dem Elternbeiratsvorsitzenden einer Walldorfschule als Schriftführer.

Ja, ich weiß, das mit der Walldorfschule war jetzt auch wieder total unkorrekt. Ich habe nichts gegen Walldorfschulen, oder gegen Eltern, die es sich leisten können, ihren Nachwuchs dort ausbilden lassen zu können. Geht mich auch nix an. Das sind deren Geld und deren Überzeugung und es ist mir scheißegal. Ich gehe selbst ab und zu in die Walldorfschule in unserer Nähe, z. B. zum Sommerfest. Da gibt es zum Gepa-Kaffee immer Leckereien an der Kuchentheke und alle sind sehr relaxed, aber eben Walldorf, wenn Ihr wisst, was ich meine. Kaffee und Kuchen passt, die Leute sind ganz OK, aber das Komplettprogramm ist einfach nicht mein Ding. Ich trinke meinen Fair-Trade-Kaffe zu Hause schließlich auch ohne philosophischen Überbau.

Und wenn ich Bock habe, gehe ich auch mal zum Sommerfest der Muslime. Ich höre mir die arabeske Musik an, flaniere über den Flohmarkt, quatsche mit ein paar Leuten, wenn es sich ergibt, futtere ein paar Leckereien vom Grill und trinke einen Ayran. Völlig entspannt, und ohne mir darüber irgendwelche Gedanken zu machen, dass das, was ich hier gerade tue, ganz wichtig ist, als deutlicher Beitrag zum Zusammenleben mit den Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund. Denn was wäre, wenn ich nächstes Jahr keinen Bock auf das muslimische Sommerfest und die Leckereien hätte, sondern mir beim Grillfest der freiwilligen Feuerwehr lieber ein saftiges Schweinesteak mit Kartoffelsalat reinziehen und mir ein großes Pils genehmigen würde? Wäre ich dann im Gegenzug automatisch ein Rassist?

Was ich damit sagen möchte ist: Solange mir keiner mit der Bibel, dem Koran, einem Parteiprogramm, den Schriften Rudolf Steiners, oder irgendwelchen Verboten oder Geboten unter der Nase herumfuchtelt, oder mir vorschreiben will, dass ich dies und das zu tun habe, oder dieses und jenes besser lassen sollte, weil es eventuell nicht durchgehend Gender-konform sein könnte, ist für mich alles im grünen Bereich. Das Einzige, was für mich zählt, was ich vorab jedem entgegenbringe und im Gegenzug auch erwarte, ist Respekt. Dann erübrigen sich auch das ganze politisch korrekte Blabla und das überzogen freundliche Gutmenschengetue. Ich halte mich gerne an Rosa Luxemburg und ihren berühmten Ausspruch: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“. Und sollten sich dadurch einigen alles-verstehenden Goa-Hosen-Trägerinnen mit angeflochtenen Dreadlocks auf die Birkenstock-Latschen getreten fühlen …Wie gesagt: Ich bin gerne unkorrekt!

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    Spitze Feder – Spitze Zunge

    Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
    Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

    Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

    Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

    Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

    Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 15. August 2017 | Revision: 17. September 2020

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