Es gehört keine Phantasie dazu, sondern beruht allein auf Aberglauben, wenn man annimmt, in millionenfach verdünntem angeblichen Wirkstoff sei noch Wirksames enthalten.
Zunächst einmal gilt der Spruch: „Wer heilt, der hat recht!“
Wenn Menschen also wirkungslose Globuli oder Tropfen einnehmen und danach ihre Beschwerden verschwunden sind, dann soll das so in Ordnung sein, meinetwegen.
Vermutlich hätte man sich mit gleicher Wirkung auch eine Ausgabe von „Schöner Wohnen“ auf den Kopf legen können; aber an die heilsame Wirkung dieser Methode besteht kein Glauben und der für die „Heilung“ verantwortliche Placebo-Effekt vermag sich nicht einzustellen.
Auf Twitter berichtet eine Kardiologin nun Folgendes:
Heute ein besonders tragischer Fall, was Homöopathie und Heilpraktiker anrichten können: Ein Patient von mir (koronare 3-Gefäßerkrankung, Z.n. Bypass-OP, ischämische Kardiomyopathie, letzte Koronarintervention 12/22) war im Februar zur Kontrolle bei mir. Damals in Begleitung der neuen Lebensgefährtin, die direkt fragte „ob er denn die ganzen Pillen nehmen müsse“. Ich hatte damals ausführlich die Indikation der med. Therapie erläutert. Sie störte sich ganz besonders an der Gerinnungshemmung (ASS+Clopidogrel). Dies sei „Teufelszeug“ und es gebe doch gute Alternativen, z.B. Nattokinase (siehe Infobox unten). Ich hatte beiden daraufhin erklärt, dass die Plättchenhemmung zwingend erforderlich ist, da ansonsten ein hohes Risiko einer Stentthrombose bestünde (Patient hatte im Dez. zwei DES in den Venenbypass auf die RCA bekommen) und habe erklärt, dass für Substanzen wie Nattokinase keinerlei Daten vorliegen und somit keine adäquate Gerinnungshemmung möglich sei. Sie outete sich daraufhin als „Heilpraktikerin mit eigener Praxis und langjähriger Erfahrung“ und empfahl ihrem Lebensgefährten ASS+Clopi abzusetzen.
Heute erreichte mich der Sterbebrief aus dem örtlichen Krankenhaus: Außerklinische Reanimation bei Kammerflimmern, Notfall-Koronarangiographie unter laufender Reanimation, angiographisch mutmaßlicher thrombotischer Verschluss des Venenbypasses, letztlich frustraner Rekanalisationsversuch, Patient verstarb letztlich im kardiogenen Schock. #Heilpraktiker #Globukalypse #Medizin #noeso
So etwas schreibt also eine auf Herzkrankheiten spezialisierte Ärztin.
Und wer meldet sich nun bei Twitter zu Wort? Andere Ärzte? Nein. Heilpraktiker? Nein.
Stattdessen dürfen wir das hier lesen:
Bitter, kann aber auch anders laufen.
Katze verliert Fell fast komplett.
Tierarzt: „Keine Ahnung was es ist, irgendwas mit autoimmun, hier hochdosiertes Cortison“ – Nein danke.
Tierheilpraktiker: Spritze, Tropfen, Globuli. 1-2 Wochen später begann das Fell zu wachsen.
Was will uns der Homöopathie-Schwurbler mit der Katze also sagen? Er sagt uns, dass ein Mensch mit einer schweren Herzsymptomatik, der möglicherweise an einer alternativ, homöopathischen Behandlung gestorben sein könnte, in irgendeiner Weise mit einer das Fell verlierenden Katze zu vergleichen sei.
Wer solche Zusammenhänge herstellt und noch an Homöopathie glaubt, der sollte einfach mal die Fresse halten, wie Dieter Nuhr sagen würde.
Bildquellen:
- export-pixabay-ka_re-small: Pixabay
- twitternatokinase: Screenshot Twitter Peter Wilhelm
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Starker, aber (leider) ziemlich pauschaler Tobak. Ich hatte mir die Überschrift gerne im Konjunktiv gewünscht. Ich stimme Dir natürlich völlig zu, dass die „Heilpraktikerin mit langjähriger Erfahrung und eigener Praxis“ eine Vollklatsche hat, und man sollte ihr sofort den Laden dichtmachen. Es grenzt schon an Vorsatz, einen schwerkranken Menschen von einer maximal möglichen Behandlung aus kruden, ideologischen Gründen abzuhalten. Ende der Durchsage. Aber deshalb gleich die Homöopathie mit dem Bade ausschütten?
Wer erinnert sich nicht daran, als Knirps auf die Schnauze gefallen zu sein, und dass Mutti nur einmal kurz auf das lädierte Knie blies und die Schmerzen weg waren – im wahrsten Sinne des Wortes, wie weggeblasen, ganz ohne „Wirkstoff“.
Ich hatte vor vielen Jahren mal ein merkwürdiges „Etwas“ am inneren rechten Handgelenk, in Form und Größe einer halbierten Wallnuss, und bin damit zu einem Orthopäden marschiert. Er diagnostizierte dieses „Etwas“ als eine harmlose Überproduktion von Synovialflüssigkeit, die sich eben an dieser Stelle ansammelte. Er meinte, dass ein geübter Chirurg zwar den Schmodder hätte problemlos rauschneiden können, damit wäre aber die Ursache dieser Überproduktion noch nicht beseitigt. Dann brachte er die Homöopathie aufs Tableau, und ich ließ mich auf sein „Experiment“ ein. Es bestand in der Einnahme von lediglich 3 x 3 Globuli innerhalb von drei Monaten. Er prognostizierte mir, dass danach dieses „Etwas“ verschwände und auch nie wieder auftauchen würde.
Das ist exakt so eingetreten, und es ist mir völlig egal, dass ich rein rechnerisch 0,0% eines irgendwie gearteten Wirkstoffes zu mir genommen habe. Selbst wenn es ein purer Placebo-Effekt gewesen sein sollte, es hat mir einen chirurgischen Eingriff und 6 Wochen Gipsverband zum Ruhigstellen des Handgelenks erspart. Insofern..
Wie Du treffend schreibst: „Wer heilt, hat Recht“. .
Auch wenn Du meine Kritik als „ziemlich pauschal“ empfindest, so vermagst Du aber auch nichts dazu beitragen zu können, sie auch nur im Entferntesten zu entkräften.
Wie ich schrieb, mag das Auf-den-Kopf-Legen von Wohnzeitschriften oder die Einnahme von wirkstofffreien Kügelchen durch den Placebo-Effekt auch eine Heilung verursachen zu können, aber das ist nicht der Beweis für die Wirksamkeit von homöopathischen Schwurbelpräparaten, sondern eben für den Placebo-Effekt und die spontane Selbstheilung.
Du schreibst ja selbst, dass es (nicht nur womöglich, sondern faktisch) 0,0 % Wirkstoff gewesen sind. Das ist Grundlage der Homöopathie. Es wird per se nicht davon ausgegangen, dass nach dem Potenzieren noch etwas davon da ist. Vielmehr soll sich quasi eine Art Wirkgedächtnis auf feinstofflicher Ebene (was immer das auch sein mag) auf den Trägerstoff übertragen haben. Das ist Glauben.
Patienten erfahren in der universitär gelehrten Medizin oft, dass sie und ihre Beschwerden nicht hinreichend individuell berücksichtigt werden. Schnell werden konservative oder chirurgische Maßnahmen ins Auge gefasst, weil die immer schon geholfen haben.
Dabei ist es aber bekannt, dass mehr Zuwendung und Kümmern und das Eingehen auf die Bedürfnisse allein schon eine Heilung bewirken können. Welche Maßnahme nun als Initial gewählt wird, um diese Hinkehr zu manifestieren, ist dabei fast schon gleichgültig.
Auf diese Weise funktionieren das Bespucken oder Besprechen zur Warzenentfernung und viele Heilmethoden, die u.a. auch von Heilpraktikern angewendet werden.
So gesehen kann man Heilpraktikern nicht grundsätzlich gewisse Erfolge absprechen, wie auch Ärzten nicht, die zu solchen Methoden greifen.
Aber genauso grundsätzlich beruht die Heilwirkung eben nicht auf der angewandten Methode an sich, sondern eben auf der Hinwendung, dem Placebo-Effekt und spontaner Selbstheilung.
Betrachtet man aber das Heilpraktikerwesen in seiner Gesamtheit, so wird man rasch zu der Erkenntnis kommen, dass es im 21. Jahrhundert überkommen ist und abgeschafft gehört.
Gerade durch die Quasi-Lizensierung nach der bestandenen Heilpraktikerprüfung kommen Menschen zu dem Schluss, das sei ein ernstzunehmender Heilberuf. Tatsächlich attestiert die Berufsprüfung lediglich, dass der „Heiler“ soweit grundlegend über bestimmte Dinge Bescheid weiß, dass er keinen Schaden bewirkt. Insbesondere lernen die Heiler, was sie allen nicht dürfen.